Typologie

Ereignisse des Neuen Testaments als Erfüllungen von Prophetien im Alten Testament

Inhaltsübersicht:

 

 Einleitung

 Wortprophetien und Realprophetien

 Beispiele mit genauen biblischen Text-Bezügen

 Bedingungen für diese Denkform

 Metaphern – Personifikationen – sprachl. Ausdrücke für das Verhältnis

Wie wird der Bezug hergestellt?

 Funktionen

 Bild-Programme (Biblia Pauperum; Heilsspiegel; Concordantiae Caritatis u.a.)

 Formales: Typologischer Hinweis in einer zweiten Bild-Ebene

 Typologie und Allegorie

 Umkehrung statt Steigerung: Eva und Maria

 Auf den Schultern der Propheten

 Spezialfälle: ›Typologie‹ innerhalb des AT / innerhalb NT

 Verwandte Formen

 Ausserbiblische Parallelen: (A) Heidnische Antike – (B) Natur

 Applikation auf profane Herrscher

 Gesetz und Gnade gegenübergestellt

 Synagoge und Ecclesia

◈◈ Kritik am typologischen Verfahren

◈◈ Literaturhinweise (Quellen / Forschung)

 

Dieser Webauftritt bietet bloß eine Übersicht zum Thema. Wer sich in die Materie vertiefen möchte, sei auf die umfängliche Forschungsliteratur verwiesen.

Ziel ist es, in einer Aussenperspektive die jahrhundertelangen Überlegungen zu diesem Thema vorzustellen. Es geht nicht darum, den Wert einiger biblischer Texte zu beurteilen oder die Tauglichkeit des Begiffs "Typologie" zu überprüfen.

 

Einleitung


Typologie‹ ist ein moderner (aus dem 18.Jh. stammender) Terminus. Er bezeichnet eine Denkform (mit dem Terminus von Hans Leisegang) bei der Betrachtung von Ereignissen der Heilsgeschichte. Die Typologie nimmt historische Ereignisse / Personen / Einrichtungen zum Ausgangspunkt der Betrachtung. Sie stellt einen Zusammenhang zwischen zwei zeitlich auseinanderliegenden, aber in der Figuration ähnlichen Ereignissen usw. her, welche durch die entscheidende christliche Zeitenwende, die Inkarnation getrennt sind.

Beim typologischen Verfahren handelt es sich um eine Art des Umgangs mit einem Vorgängertext aus der Sicht einer Religionsstufe, welche diesen überwunden glaubt, aber doch benötigt. Die Offenbarung sowohl zu bewahren, sie aber für die Gegenwart zu transformieren, das ist grundsätzlich der ständige Anspruch an die biblische Hermeneutik.

Das Ereignis aus dem Alten Testament*, der typos oder die figura, gilt als Prophetie des analogen Ereignisses im Neuen Testament, des antitypos. Im neutestamentlichen Ereignis wird die alttestamentliche Verheissung erfüllt. Die Erfüllung im christlichen Äon wird heilsgeschichtlich als höher bewertet, was indessen nicht heisst, dass dem AT Geschehnis etwas an seiner Historizität abginge. So werden die beiden Testamente einerseits aufeinander bezogen, anderseits voneinander abgehoben – man könnte schlagwortartig von ›gesteigerter Rekapitulation‹ sprechen. 

*) Heutzutage ist der Ausdruck ›Altes Testament‹ unüblich geworden, wohl in der Meinung, das sei christozentrisch oder gar antisemitisch; man spreche korrekter vom ›Tenak / Tanach‹.

Das ist ein Akronym: Tora [5 Bücher Moses] – Nebiim [die Propheten] – Ketubim [Schriften].

Welche Texte sind gemeint?
Tora: die 5 Bücher Moses. Unter die Nebiim zählt die Baraita (d.i. Lehrmeinungen) im Traktat Bava Batra 14b: Samuel, Richter, Könige, Jer., Ez., Jes. und die zwölf kleinen Propheten. Unter die Ketubim: Ruth, Psalter, Hiob, Sprüche, Prediger (Qohelet), das Hohelied, Klagelieder, Daniel, Esther, Esra, Chronik (Eine Gruppierung von Büchern unterschiedlichen Inhalts; "Schriften" heissen sie evtl., weil sie nur geschrieben, d.h. nicht für die Verlesung im Kult dienten.).

Hermann Strack / Paul Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, 6 Bde., München 1922ff; 16. Exkurs = Band IV/1 (1928), S.417–423.

Georg Fohrer, Einleitung in das Alte Testament, 12.Aufl. Quelle & Meyer 1979, §§ 75ff.

Tal Ilan, “The Term and Concept of TaNaKh”, in: What is Bible? ed. Karin Finsterbusch and Armin Lange (Leuvan/Paris: Peeters 2012), pp. 219–234.

Hören wir Sachverständige aus der Zeit (1.Jh.CE): Flavius Josephus in seiner Apologie für das Alter des Judentums: 1. Buch, 38 (8.) Denn bei uns gibt es keine Unzahl voneinander abweichender und sich gegenseitig widersprechender Bücher, sondern nur zweiundzwanzig […]. T Fünf derselben sind von Moyses; sie enthalten die Gesetze und die Geschichte von der Entstehung des Menschengeschlechtes bis zum Tode des Verfassers. […] N Vom Ableben des Moyses aber bis zur Regierung des Artaxerxes, der nach Xerxes über die Perser herrschte, haben die auf Moyses folgenden Propheten die Begebenheiten ihrer Zeit in dreizehn Büchern aufgezeichnet; K die übrigen vier enthalten Lobgesänge auf Gott und Vorschriften für das Leben der Menschen.
> https://de.wikisource.org/wiki/Gegen_Apion/Buch_1

Der Evangelist Lukas lässt Jesus die Bibel zusammenfassen mit: das mosaische Gesetz – die Propheten – die Psalmen (Lukas 24,44).

Man kann kaum sagen, mit TNK werde ein Terminus technicus für einen Kanon formuliert.

Woher stammen die Bezeichnungnen "Altes" und "Neues Testament"?

Der Prophet Jeremia (31,31) spricht von einem Neuen Bund und setzt damit voraus, dass er selbst im alten lebt. (vgl. unten).

Den Ausdruck Alter Bund verwendet Paulus (2. Kor. 3,14: palaia diathēkē), was dann im Lateinischen als vetus testamentum übersetzt wurde. — "Neues Testament" kommt sodann vor in: Luk. 22,20; 1.Kor. 11,25; Hebr. 8,9.

Man muss dieses Geschichtsbild dialektisch denken. Einerseits gilt, dass die Heilsgeschichte keine Sprünge macht; das Heil ereignet sich in einem Zeitkontinuum; Gottes Gnadengaben sind unkündbar (Röm 11,29). Anderseits gilt, dass die Situation qualitativ umgeschlagen ist; die Inkarnation bedeutet eine Diskontinuität.

Die Vorstellung eines sinnhaft gerichteten Ablaufs lässt es verständlich werden, dass sich der göttliche Plan zu Zeiten prophetisch offenbart und dann solche Verheissungen als Geschehen manifest werden. Das geschichtsmächtige Wirksamsein Gottes macht aber auch alleswendende Zeitenbrüche denkbar.

Typologie meint gleichzeitig: Parallelisierung und polare Entgegensetzung. Wenn Matthäus Jesus sagen lässt: Ich bin nicht gekommen, [das Gesetz oder die Propheten] ausser Kraft zu setzen, sondern zu erfüllen (Mt 5,17), so enthält dieser lapidare Satz dialektisch beide Aspekte.

Die Überbietung des Alten durch das Neue kann – das ergibt sich zwingend aus dem Geschichtsdreischritt im Überlagerungsmodell zwei Aspekte haben:

  • Einerseits steht das Alte zum Neuen wie der Positiv zum Superlativ

    • Gottes Heilstaten damals in der Wüste (Durchzug durchs Meer: Exodus 14,21f.; Manna: Exodus 16,4.; 14–18; Wasser aus dem Felsen: Numeri 20,7–13) und jetzt nach dem Erscheinen Christi: ein geistlicher Felsen (1. Kor. 10,1ff.).
    • Siehe: hier ist mehr als Jona (Matth. 12,42 mit Bezug auf die Leute von Ninive; Jona 3,5)
  • Anderseits gibt es das Umkippen in die Antithese

    • Die Gestalt Adams, der die Sünde in die Welt gebracht / Christus, der sie getilgt hat (Röm. 5,12ff.).
    • Vgl. Galater 3,22–25: so hat das Gesetz uns in Zucht gehalten, bis zum Kommen Christi…
    • 2.Korinther 3,6f.: Christus hat uns fähig gemacht, Diener des Neuen Bundes zu sein, nicht des Buchstabens [gemeint ist der wörtlich verstandene Text des AT], sondern des Geistes. Denn der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.

Während beim typologischen Denken das Alte zwar anerkannt wird, aber durch das Neue überboten wird, gilt im Denken der Renaissance: das Alte ist das Große, an dem wir Maß nehmen wollen.

Anhang: Es gab im frühen Christentum auch Polemik gegen den Umgang mit dem im AT Festgelegten.

Die Gegner konnten sich beziehen auf das Wort von Jesus selbst, das er gegen die Johannes-Jünger und Pharisäer spricht:

Niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche. (Lukas 5,37 und ||).

Markion (Mitte des 2.Jahrhunderts) verwarf das AT gänzlich. Im AT glaubte er den Gott der unbarmherzigen Gerechtigkeit mit seinen Launen, seinem Zorn, seinen Selbstwidersprüchen und seiner Parteilichkeit dokumentiert, der durch das Kommen des guten Gottes endgültig ausser Kraft gesetzt worden ist. So hat er das ganze AT en bloc durch Athetese getilgt. Das Evangelium ist etwas nicht Vorbereitetes, vollkommen Neues. Auch eine allegorische Auslegung verwirft er und anerkennt nur eine buchstäblicge Auffassung. — Vgl. Adolf Harnack, Marcion. Das Evangelium vom fremden Gott, 2. Aufl. Leipzig 1924.

Barnabasbrief (zwischen 70 und 132), 2,5f.:

»Was soll mir die Menge eurer Schlachtopfer? spricht der Herr; … In meinem Vorhof gehet nicht länger einher. Wenn ihr Speiseopfer bringet, ist es umsonst. Rauchopfer ist mir ein Greuel, eure Neumonde und Sabbate ertrage ich nicht.« (Jesaias 1,11–13). Das also hat er abgeschafft, damit das neue Gesetz unseres Herrn Jesus Christus, das kein Zwangsjoch (Gal. 5,1) ist, nicht ein Opfer habe, das Menschenwerk ist.

Der Text belegt die Wertlosigkeit der AT Opfer mit einem AT Zitat; das heisst: Es geht ihm nicht um die Bedeutung des Alten Testaments (das mittels allegorischer Exegese ausgelegt werden kann), sondern um die Juden, die es missverstehen. Der Text wurde bekanntlich nicht in den Kanon der christlichen Texte aufgenommen.
> https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/49957/

Brief des Clemens von Rom an die Korinther (um 96 verfasst) verwendet das AT zu moralischer Unterweisung; so ist z.B. die Dirne Raab wegen der Beherbergung der Kundschafter (Jes 2) ein Beispiel für Gastfreundschaft.

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Wortprophetien und Realprophetien


Tertullian
schreibt: Scimus autem sicut et vocibus ita et rebus prophetatum, tam dictis quam et factis praedicatur resurrectio (»De carnis resurrectione« 28; Patrologia Latina Bd. 2, Sp.835): Wir wissen, dass prophezeit wird mittels Sprache wie mittels Ereignissen. Sowohl in Worten als auch durch Geschehenes wird die Auferstehung verkündigt.

Wortprophetien:

••• Sacharja 9,9 heisst es, das der Friedenskönig auf einer Eselin reiten werde — das tut Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem (Matthäus 21,5), damit das Schriftwort in Erfüllung geht. 

Johann Jakob von Sandrart (Zeichner) und Elias Porcelius (Holzschneider) zeigen in Gantz neue Biblische Bilder-Ergötzung, Nürnberg, Endter, [ca.1700]  den Propheten, der auf die Szene des Einzugs hinweist; diese ist in einer Wolke extradiegetisch (nach der Terminologie von G.Genette) dargestellt.

Und so sieht der Einzug Jesu in Jerusalem dann aus:

Holzschnitt von Virgil Solis (1514–1562), zuerst in der Lutherbibel Frankfurt 1560.

Realprophetien:

Als Praefigurationen werden auch Ereignisse / Personen / Einrichtungen ohne explizite Vorausdeutung in Betracht gezogen. Matthäus 12,40 wird die dreitägige Grabesruhe Christi mit dem dreitägigen Aufenthalt von Jona im Bauch des Fisches (Jona 2,1) parallelisiert:

Konrad von Würzburg († 1287), »Goldene Schmiede«, Verse 1616ff.

Ein visch genant ist cete, [Wal]
der sunder alle mâsen
[~ ohne ihn zu verwunden]
in sich verslant Jonasen:
bi dem ist uns bezeichenheit
von Jesu Cristo für geleit,
wand er verslicket wart alsam.
[ebenso]
in slant daz ertrich unde nam
mit libe und ouch mit herzen,
so daz deheinen
[keinen] smerzen
die gotheit davon nie gewan.
alsam der groze visch den man
dri tage in sinem libe dans,
[< dinsen = gewaltsam tragen]
daz in verserte nie sin grans:
[Rüssel, Maul]
sich frouwe
[Maria ist angesprochen], also beleip [blieb] din kint
zwo nahte an allez underbint
[~ ohne Pause]
in dem ertrich und gesunt…

Die Salzburger ›Armenbibel‹ (ca. 1360/70) visualisiert die beiden Szenen (nebst anderen) nebeneinander [Ausschnitte, mehr dazu unten]:

 

Sepultura domini
Grablegung des Herrn

Nautę . Jonas
Seeleute . Jonas

Resurrectio domini
Auferstehung
Jonas
Jonas

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Beispiele mit genauen biblischen Text-Bezügen

typos, figura antitypos

Genesis 2,7: Der erste Mensch (Adam) ist aus Erde geformt.

Der zweite Mensch (Christus) stammt aus dem Himmel (1. Kor. 45ff.) und hebt die Sünden auf (Röm.5, 12ff.).

Genesis 6–8: Die Arche Noahs rettet wenige vor der Flut.

Das Gegenbild der Arche ist die Taufe (1. Petr. 3,20f.): Das Untertauchen des Täuflings im Wasser rettet diesen jetzt, so wie Noah damals gerettet wurde

Genesis 14,18: Melchisedek bringt Brot und Wein.

Jesus ist Priester nach der Ordnung des M. (Hebr. 5,6 und 7,1ff.); Abendmahl (1.Kor. 11,23–25)

Genesis 17,11: Die Beschneidung als Zeichen des Bundes

Die wahre Beschneidung ist die des Herzens im Geist (Römer 2, 29) Ø

Genesis 22,6: Abraham soll seinen einzigen Sohn Isaak opfern; dieser trägt das Holz. (hebr. aqeda ≈ Bindung)

Kreuzigung Jesu (Joh. 19,17 || Matth. 27,31f. || Mark. 15,20f. || Luk. 23,26–32)
Exodus 12,7.13: Die mit dem Blut des Passah-Lamms bestrichenen Türpfosten beschützen die Israeliten. Christus ist das Passah-Lamm (1.Kor. 5,7); das Lamm, das die Sünden der Welt tilgt (Joh. 1,2)
den ungesäuerten Teig wegtun (Exodus 12,19) die menschliche Seele mit ihrem Sollen (1. Kor. 5,7) Ø
Exodus 16,4ff. Manna in der Wüste Das Brot des Lebens für die Gläubigen (Joh. 6,31 und 51)
Exodus 17,6: Moses schlägt Wasser aus dem Felsen; vgl. Numeri 20,8. sie tranken aus einem geistlichen Felsen der Fels war Christus (1.Kor. 10,4)
Exodus 17,9ff.: Moses betet mit ausgebreiteten Armen und rettet so das Volk. Jesus am Kreuz
Deut.18,15: einen Propheten wie mich wird der Herr erstehen lassen ≈ Matth. 17,5
Numeri 21,8f.: Moses richtet die eherne Schlange auf; wer sie anschaut, bleibt am Leben Jesus am Kreuz (die AT Stelle wird Joh. 3,14 zitiert: Wie Moses die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, ewiges Leben erhält.)
1. Könige 10: Die Königin von Saba kommt zu König Salomo Hier ist mehr als Salomo! (Matth.12,42)
Psalm 22 [MT],19: ›Sie teilen meine Kleider unter sich.‹ Die Soldaten teilen die Kleider Jesu unter sich auf (Joh. 19,23f.)
Psalm 41 [MT],10: Der Freund, der mein Brot aß, stellt mir nach. Judaskuss (Joh. 13,18)
Psalm 69 [MT],22: ›Für den Durst reichten sie mir Essig.‹ Jesus wird ein Schwamm mit Essig gereicht (Matth. 27,48 || Jo. 19,29).
Jesaia 61,1f. Gefangene befreien usw. Heute ist diese Schriftstelle in Erfüllung gegangen (Luk. 16,21)
Jesaia 71,4: Jungfrau gebiert Immanuel Jungfrau gebiert Immanuel (Matth. 1,22f.)
Jesaia 53,7: Der Gottesknecht wird wie ein Lamm zur Schlachtbank geführt und tut seinen Mund nicht auf. Apostelgesch. 8,30ff. (vgl. unten); Joh. 1,29.
Jerem 31,15: Rahel weint um die Kinder Kindermord (Matth. 2,16)
Joel 3,1–5: Die Prophetie der Ausgießung des Geistes Pfingstwunder (Apostelgesch. 2,14ff.)
Hosea 11,1: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen. Das Wort geht in Erfüllung: Flucht nach Ägypten (Matth. 2,14f.)
Jona 2,1: Jona wird vom Fisch verschlungen und ist drei Tage und Nächte im Bauch. Matth. 12,40: So wird der Menschensohn drei Tage und Nächte im Schoß der Erde sein (mit Zitat der AT Stelle)
Micha 5,2ff.: Aus Betlehem soll hervorgehen der Herrscher Israels.

Luk. 2,4: Geburt Jesu in Betlehem (vgl. unten)

Sacharia 9,9: Der Friedenskönig wird auf einer Eselin reiten.

Matth. 21,ff. Jesus reitet auf einer Eselin in Jerusalem ein (mit Zitat der AT Stelle)

(das ganze AT) Es muss alles zur Erfüllung kommen, was im mosaischen Gesetz und in den Propheten und Psalmen über mich geschrieben ist. (Lukas 24,44; vgl. Joh. 5,46)

Ø Spirituelle Größen: Es kommen nicht nur konkrete Aussprüche oder faktische Ereignisse in Betracht. Origenes schreibt einmal: Man darf nicht meinen, Historisches sei Typ für andere Ereignisse historischer Ordnung, und körperhafte (sinnenhafte) Vorgänge seien Typ für wiederum Körperhaftes. Sondern das Körperhafte ist Typ für Pneumatisches und das Historische ist Typ für Geistiges (Johanneskommentar X 18).

Nicht im engeren Sinne als typologisch, eher als Exemplum zu benennen sind solche Bezugnahmen auf AT Stellen wie hier: … wer auf dem Felde ist, der wende nicht um nach dem was hinter ihm ist. Gedenket an des Lot Weib! (Luk. 17, 30) vgl. Genesis 19,26: Und sein Weib sah hinter sich und ward zur Salzsäule.

Quellentypen:

In der Tabelle oben sind nur Typologien aufgelistet, bei denen der NT Text den Verweis explizit benennt. In der Exegese, Predigt, Erbauungsliteratur wie auch in Rechtfertigungsstrategien für pragmatisches Handeln wurden von den Kirchenvätern und den mittelalterlichen bis barocken Theologen viele typologische Parallelen gefunden (und auch kreiert) und ausgedeutet.

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Bedingungen für diese Denkform

Basis der Typologie ist der Prophetismus

Eine Prophetie ist eine persönliche göttliche Offenbarung (als Vision, Audition). Diese Inspiration kann einem auserwählten Menschen zuteil werden, der sie dann auf die historische Situation beziehen muss, deuten muss und in menschliche Sprache oder in eine symbolische Handlung (v.a. bei Jeremia) umsetzen muss. Im AT geht es in der Regel um das gerade aktuelle Verhältnis von Gott zu Israel, um den Ruf zur Umkehr.

Prophetien sollte man zunächst nicht mit dem alltäglichen Begriff der "Zukunfts-Vorhersage" verstehen; insofern dann aber künftige Ereignisse darauf bezogen werden (z.B. Micha 5,2ff.: egredietur … dominator … et erit pax), bekommen sie diese Bedeutung.

Im AT ist häufig von vage formulierten Heils-Verheissungen die Rede (vgl. etwas Jesaia 65,17 wo ein neuer Himmel und eine neue Erde verheissen wird), deren Erfüllung noch offen ist. Vgl. insbesondere der neue Bund in Jeremia 31,31 (siehe hier). Eine Verwirklichung kann von Interpreten präzisiert und in Anspuch genommen werden: Heute ist diese Schriftstelle in Erfüllung gegangen (Lukas 4,21).

Dass auch gegenwärtige, erzählte Ereignisse (als Realprophetien) einen prophetischen Aspekt haben können, ist speziell.

N. Füglister, Artikel “Prophet” in Handbuch theologischer Grundbegriffe, hg. von H. Fries, München 1962).

Georg Fohrer, Die symbolischen Handlungen der Propheten, Zürich 1953.

Christoph Rösel, Artikel "Verheißung / Erfüllung"
> https://bibelwissenschaft.de/stichwort/14477/

Geschichtskonzept: Treue Gottes / Zeitenwende

Basis ist ein teleologisches Geschichtskonzept. Der Geschichtsverlauf wird durch fortgesetzt einfallendes Gotteswort in Bewegung gehalten und einem gottgesetzten Ziel zugeführt. Das Heil ereignet sich in einem Zeitkontinuum, Gottes Gnadengaben sind unkündbar (Röm. 11,29).

Anderseits gilt, dass die Situation qualitativ umgeschlagen ist; die Inkarnation bedeutet eine Diskontinuität. Typologie meint sowohl Parallelisierung als auch polare Entgegensetzung.

Die Bergpredigt (Matthäus 5,21–48), in der Jesus die AT Gesetzesüberlieferung (teils verschärfend, teils aufhebend) auslegt, beginnt er mit dem Satz: Ich bin nicht gekommen, [das Gesetz oder die Propheten] ausser Kraft zu setzen, sondern zu erfüllen (Matth. 5,17).

Hier je ein Beispiel. Genaueres bei Hans Weder, Die ›Rede der Reden‹. Zürich: TVZ 1985, S. 98–155.

• 5,38: Ihr habt gehört, dass geboten ist: ›Auge um Auge, Zahn um Zahn!‹ (Exodus 21,24 u.a.) – Ich aber sage euch: Leistet dem Bösen keinen Widerstand!

• 5,27: Ihr habt gehört, dass gesagt wurde: ›Du sollst nicht ehebrechen.‹ (Exodus 20,13 u.a.) – Ich aber sage euch: jeder, der eine Frau mit begehrlichen Augen ansieht, hat die Ehe schon gebrochen …

Der Ausdruck ›Das AT ist im NT "aufgehoben"‹ kann in der deutschen Sprache verstanden werden als: "aufbewahrt", "emporgehoben", aber auch "abgeschafft". Alle diese Aspekte schwingen bei der Typologie mit.

Das AT ist nicht bloß eine Folie, vor dem das NT verstanden werden kann, sondern der reale, heilsnotwendige Grund für das Kommen Christi. Sein Tod und seine Auferweckung ereignet sich nach den Schriften (1.Kor. 15,3–4). Paulus sucht die Juden vom Mosesgesetz und von den Propheten für die Sache Jesu zu gewinnen (Apg.28,23)

Der Auferstandene selbst öffnet den Jüngern die Augen zur Erkenntnis seiner Person: Und angefangen von Mose und allen Propheten legte er ihnen aus, was in allen Schriften über ihn geschrieben ist. (Lukas 24,27) — »Alles muss erfüllt werden, was im Mosesgesetz und in den Propheten und Psalmen über mich geschrieben ist.« (24,44)

Verkündigung eines neuen Bundes

Jeremia 31,31: Sihe / es kompt die zeit spricht der HERR / da wil ich mit dem hause Jsrael / vnd mit dem hause Juda einen newen Bund (hebr: bərit ḥadaša) machen / 32 Nicht wie der Bund gewesen ist / den ich mit jren Vetern machte / da ich sie bey der hand nam / das ich sie aus Egypten land fürete / welchen Bund sie nicht gehalten haben / vnd ich sie zwingen muste / spricht der HERR. 33 Sondern / das sol der Bund sein / den ich mit dem hause Jsrael machen wil / nach dieser zeit / spricht der HERR / Jch wil mein Gesetz in jr Hertz geben / vnd in jren Sinn schreiben / Vnd sie sollen mein Volck sein / so wil ich jr Gott sein.  (Luther-Bibel 1545)

> http://www.qbible.com/hebrew-old-testament/jeremiah/31.html#31
> http://lexiconcordance.com/hebrew/1285.html

Die Stelle wird zitiert in Hebräerbrief 8,10:

Denn dies ist der Bund, den ich dem Haus Israel errichten werde nach jenen Tagen, spricht der Herr: Indem ich meine Gesetze in ihren Sinn gebe, werde ich sie auch auf ihre Herzen schreiben; und ich werde ihnen zum Gott und sie werden mir zum Volk sein.

und dann allerdings (8,13): Indem er sagt ›einen neuen Bund‹ hat er den ersten ausser Kraft gesetzt …

Paulus will im Römerbrief die Heilsbotschaft Gottes verkünden, die er durch seine Propheten in Heiligen Schriften hat vorauskündigen lassen. (Röm. 1,2). Was in der Schrift vorausgesagt ist, das ist zu unserer Belehrung geschrieben. (Röm. 15,4).

Der neue Bund (griech NT: diatheke; lat. testamentum) hat die Sünden überwunden:

›Denn dies ist mein Blut, das des neuen Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.‹ (Matth. 26,28; vgl. Röm. 11,27 mit Zitat aus Jes. 59,20)

Dritte Phase: Die künftige Endzeit

Die apokalyptische Wende mit dem Gerichtstag und der Ankunft des Menschensohns steht noch aus. Diese Vorstellung führt zu einem dreistufigen Geschichtsmodell.

Bei Paulus erscheint die Jetztzeit als böse Weltzeit, die von der künftigen Heilszeit überwunden werden wird: Ich halte dafür, dass die Leiden der jetzigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns geoffenbart werden soll. (Röm 8,18; vgl. Galater 1,4).

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Metaphern – allegorischer Ausdruck für das Verhältnis

Typos

Das dem Terminus zugrundeliegende Wort typos (τύπος) stammt aus dem Römerbrief 5,14 (Adam ist das Gegenbild, das auf den Kommenden hinweist; in der Vulgata mit forma futuri übersetzt). Vgl. ferner 1. Kor. 10,6. — Der Gegenbegriff ist dann antítypos (Hebr. 9,24; 1.Petr. 3,21)

Im Hintergrund steht die Metaphorik des Prägestempels, der die Münze prägt. Ohne den (éinen) Prägestempel (AT) gibt es keine gültige Münze; aber mit den Münzen (NT) bezahlt man.

> http://lexiconcordance.com/greek/5179.html

Bild einer Münzprägung aus der Spiezer Chronik von D. Schilling, fol. 266

Vgl. Friedrích Ohly, Signaturenlehre S. 19ff. ++++++

Schatten

Das alles sind doch nur Schatten der zukünftigen Dinge – Ihre Wirklichkeit dagegen ist der Leib Christi (Kolosser 2,17; vgl. Hebr 10,1; 8,5) – Das Bild beruht auf der Vorstellung dass man bei einer schreitenden Person, die von hinten beleuchtet ist, zuerst den Schatten bemerkt.

Einen Baum ›pfropfen‹

Jonathan Edwards (1703–1758) verwendet die von Paulus (Römerbrief 11,17ff.) verwendete (und dann von ihm komplex ausgebaute) Metapher für das typologische Verhältnis: Christ was the cyon [neuengl. scion ≈ Pfropfreis] that was ingrafted [gepropft] into this tree,...

Christ by this incarnation and union with men was ingrafted into David's royal stock ... This blessed branch in the stock of Abraham and David, though it grows on the stock and florishes the root, yet proceeds not thence in the way of natural propagation as the natural branches do, but is ingraftet in. The change made in the stock when the scyon is ingrafted into it fitly represents the change made in man by regeneration. Something is destroyed, and that which is new put into the room of it, and something remains. The old branches and fruit are all cut off and perish, new branches and fruit entirely new succeed: this fitly represents the change of dispositions, affections, and practices. But the old stock and root remains: this fitly represents the same faculties’ remaining, the same human nature, that is, as it were, the substance or substratum of these properties, both old and new, and on which both old and new fruits do grow.
The Works of Jonathan Edwards, Volume 11: Typological Writings, Edited by Wallace E. Anderson, Mason Lowance and David Watters, Yalse U.P. 1993; Nr. 166 (Zitiert von Ohly, Skizzen 1979, S.309.)

Vgl. bei Edwards insbes. die Fülle an Beispielen für Types of the Messiah, pp. 191–324.


Verborgen / offenliegend

Augustinus hat das Verhältnis prägnant so formuliert: Novum Testamentum in vetere latet; vetus in novo patet. (Quaestiones in Heptateuchum 2,73)

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Wie wird der Bezug hergestellt?


Bei allen modell-artigen Bezugnahmen (Exemplum, Allegorie***, Symbol) gibt es zwischen Signifiant und Signifié übereinstimmende Züge und solche, die ausgeblendet werden müssen. So auch beim Verhältnis Typus / Antitypus.

***) In der Allegorie werden zwei Texte einander zugeordnet, deren einer aus der Alltagswelt stammt (in der Natur vorkommende Dinge, Artefakte, chronologische Prozesse, Situationsbeschreibungen), während der andere in der Regel abstrakte Sachverhalte formuliert. Es werden paarweise Elemente aus den beiden Texten einander zugeordnet, ohne dass dabei die formale Struktur der Texte eine ausschlaggebende Rolle spielte. Die Zuordnung der Pendants erfolgt aufgrund von Eigenschaften (proprietates), die von beiden Elementen gleichermaßen ausgesagt werden können. Elemente, die einander nicht zugeordnet werden können, werden ausgeblendet.

Typologische Bezugnahmen ähneln dem allegorischen Verfahren. In der historischen Bibelexegese wurden Allegorie und Typologie nie streg getrennt, vgl. dazu Henri de Lubac, "Typologie" et "Allégorisme", in: Recherches de science religieuse XXIV (1947), S.180–226.Suntrup, Zur sprachlichen Form der Typologie (1984): "Die Grenzen zur Allgorese sind fließend." (S.44)

Es lassen sich hinsichtlich der Genauigkeit der Zuordnung verschiedene Grade unterscheiden. Es gibt solche mit strengem Bezug der AT/NT Texte und der theologischen Grundgedanken – aber auch äusserliche, flache, sogar schiefe Bezüge.

(a) Die Analogie zwischen den beiden typologisch aufeinander bezogenen Szenen besteht in einem einzigen, sehr spezifischen Merkmal.

Erstes Beispiel: Solange Moses seine Arme in Kreuzesweise ausgestreckt hat, verhilft er den Israeliten zum Sieg in der Schlacht (Exodus 17,9ff.) — So verhilft Christus der Menschheit zum Heil.

Die Heilige Schrift des Alten u. Neuen Testaments. Aus der Vulgata mit Bezug auf den Grundtext neu übersetzt von Joseph Franz Allioli. Illistrirte Handausgabe, Landshut: Vogel’sche Verlagsbuchhandlung / München: Literarisch-artistische Anstalt der J.G. Cotta'schen Buchhandlung, 1851.

Zweites Beispiel: Durch das Holz sind wir vor Gott zu Schuldnern geworden – durch das Holz empfangen wir die Vergebung unserer Schuld (Irenaeus, Adv. haereses V, 17, 3f.; gemeint sind der Baum im Paradies und das Kreuz Christi.) In der Kreuzholzlegende (Legenda Aurea zum 3.Mai) heisst es, dass das Kreuz aus demselben Holz errichtet wurde...

Drittes Beispiel:

• Jerusalem zur Zeit der Belagerung durch das Heer von Nebukadnezar (vor dem Jahr 597). Der Prophet Ezechiel erfährt das als Strafgericht über die Stadt. Es erscheinen sechs Männer (Engelsgestalten) mit Mordwerkzeugen, darunter einer, an dessen Gürtel ein Schreibzeug hängt. Der HErr sagt zu diesem: »Geh mitten durch die Stadt Jerusalem und schreib ein Zeichen [hebr. taw] auf die Stirn aller Männer, die über die in der Stadt begangenen Greueltaten seufzen und stöhnen.« (Ezechiel 9,4). Die anderen Männer sollen schonungslos die nicht damit Bezeichneten umbringen.

• Die Septuaginta schreibt ebenfalls neutral "Zeichen". Im lat. Bibeltext bleibt das Wort stehen: et signa thau super frontes virorum …!. Das Wort taw ist gleichzeitig der Name eines Buchstabens im Alphabet, das in der alten hebr. Schrift aussah wie ein + oder x und in der griech. Schrift wie ein T. Wenn dieses Zeichen gerechte Menschen rettet, so liegt es nahe, es als figura crucis, d.h. des Kreuzes Christi (mit dem alten Problem, ob es drei oder vier Arme gehabt habe) zu deuten.

• Die Ezechielstelle wird in der Exegese oft mit Exodus 12,7–13 zusammengesehen: Die Israeliten bestreichen vor dem Auszug aus Ägypten die Türpfosten mit Blut, und das ist ein Zeichen für ihren Schutz.

> https://fr.m.wikipedia.org/wiki/Fichier:Panneau_de_vitrail,_signe_de_Tau.jpg

Dieter Kartschoke, Signum Tau, in: Euphorion 61 (1967), S. 245–266.

(b) Ganze Konstellationen werden soweit möglich mittels mehreren Vergleichselementen aufeinander bezogen. Die Geschichten sind indessen nicht vollkommen parallel. Die Exegeten müssen das Passende auswählen und das weniger Passende mit rigirosen Auslegungen in Bezug setzen.

Beispiel: Genesis 22,1–19 > https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/gen22.html
Typolog. Bezug im Hebräerbrief 11,17–19 > https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/hebr11.html

Ausführlich zur Tradition der Auslegung mit vielen Quellenzitaten: Suntrup, Präfigurationen des Messopfers, S.482–517.

• Vergleichbare Details: Isaak wie Christus sind einziger, schuldloser Sohn, beide tragen das Holz für die Opferung selbst, Ort der Opferung ist ein Berg, beide werden gefesselt; der Tod wird abgewendet, der Opferwille des Vaters ist segensreich.

• Durch schöpferisch-zupackende Exegese vergleichbare Züge: das Eingreifen des Engels; das Festhängen des Widders im Dornengestrüpp bzw. am Baum ≈ vergleichbar mit dem Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird (Jes. 53,7; vgl. Apg. 8,32); die Opferung des Widders (≈ Christus in seiner Menschnatur) anstelle des Sohnes (≈ seine unversehrte göttliche Natur)

• Auszublendende Züge: die Elternvorgeschichten, die Umstände der dreitägigen Reise mit den beiden Knechten und dem Esel (die dann aber zusätzlich noch allegorisch ausgelegt werden…); Jesu Gefangennahme, Gericht, Verspottung, u.a.m.

• Gegensätzliches: die Unfruchtbarkeit der Mutter Isaaks <> die Jungfrauengeburt; Zweck des Isaak-Opfers ist, den Gehorsam Abrahams zu prüfen <> Zweck des Christus-Opfers ist, die Menschheit zu erlösen; Das Isaak-Opfer wird nicht vollzogen <> Christus vollbringt das Opfer.

Hier die Darstellung in der Biblia Pauperum:

Realprophetie   Realprophetie
Abraham will Isaak opfern, wird von einem Engel daran gehindert. (Genesis 22,6–14) Annagelung Jesu ans Kreuz (Matth.27,38 und Parallelen; vgl. die Wundmale Joh. 20,25) Die eherne Schlange; wer sie anschaut, wird geheilt. (Numeri 21,8f.)


In den Medaillons die Wortprophetien:

Ps.21,14f.: Sie durchbohrten meine Hände und Füße. Jes.53,6: durchbohrt um unserer Sünden willen
Hiob 40,25: Leviathan an der Angel Habakuk 3,4 ≈ In den Strahlen an seinen Händen ist seine Strärke.

 

Biblia Pauperum. Die Bilderhandschrift des Codex Palatinus latinus 871, Einführung und Kommenar von Christoph Wetzel; Transkription und Übersetung Heike Drechsler, Stuttgart/Zürich: Belser 1995. (Texte transliteriert und übersetzt) Fol. 13v.

(c) Die Bezugnahme geschieht mittels einer starken Abstraktion.

Beispiel: Justin (»Dialogus cum Trypho« 42,1): Es war Brauch, an das lange Gewand des Hohepriesters zwölf Klingeln zu hängen [Exod. 28,33ff.], ein symbolischer Hinweis auf die zwölf Apostel, welche von der Macht Christi, des ewigen Priesters, abhängen, und durch deren Worte die ganze Erde sich anfüllte mit der Herrlichkeit und Gnade Gottes. Darum sagt auch David: ›Über die ganze Erde strömte ihr Schall und bis zu den Grenzen des Erdkreises ihre Worte‹ [Psalm 18,4].

Ludwig Philippson (1811–1889), Miḳra Torah Neviʾim u-Khetuvim – Die israelitische Bibel. Enthaltend den heiligen Urtext, die deutsche Uebertragung die allgemeine, ausführliche Erläuterung mit mehr als 500 englischen Holzschnitten, Leipzig: Baumgärtner's Buchhandlung 1839–47.

Santa Maria de Montserrat
https://de.wikipedia.org/Monestir_Santa_Maria_de_Montserrat.jpg

(d) Eines der Vergleichselemente ist eine Metapher. An der AT Stelle ist ohne Hefe gebackene Matze beim Sedermahl gemeint — an der NT Stelle meint der ›Sauerteig‹ die Sündenverhaftung.

Exodus 12,19:

Das man sieben tage kein gesewrt Brot finde in ewrn Heusern. Denn wer gesewrt Brot isset / des Seele sol ausgerottet werden von der gemeine Jsrael / es sey ein Frembdlinger oder Einheimischer im Lande.

1. Kor. 5,6f.

Wisset jr nicht das ein wenig Sawrteig den gantzen Teig versauret? Darumb feget den alten Sawrteig aus / Auff das jr ein newer Teig seid / gleich wie jr vngesewert seid. (Lutherbibel 1545)

 

(e) Es wird bei semantischer Übereinstimmung doch die wörtliche Differenz zwischen den ent-sprechenden AT und NT Texten betont:

Augustinus, Civitas Dei, 13. Buch, Kap. 24: Über die Bedeutung des Anhauchens Gottes, durch das der erste Mensch zur lebendigen Seele ward [Genesis 2,7], und die Bedeutung jenes Anhauchens, mit dem der Herr seine Worte an die Jünger begleitete: „Empfanget den Heiligen Geist“ [Joh 20,22].

An der Stelle: „Und Gott bildete den Menschen als Staub von der Erde und blies oder hauchte in sein Antlitz den Geist des Lebens“, hier hat der griechische Text nicht πνεῦμα wie der Heilige Geist in der Regel genannt wird, sondern πνοὴν, ein Wort, das häufiger im Zusammenhang mit einem geschöpflichen Wesen als mit dem Schöpfer gebraucht wird. Manche lateinische Übersetzer haben daher, um den Unterschied anzudeuten, das Wort flatus [Hauch] an dieser Stelle dem Wort Spiritus [Geist] vorgezogen.

Vgl. den ganzen Text > https://bkv.unifr.ch/de/works/cpl-313/versions/zweiundzwanzig-bucher-uber-den-gottesstaat-bkv/divisions/389

(f) Es gibt auch eher willkürliche Bezugnahmen.

••• Rupert von Deutz († 1129), De divinis officiis VIII,13 (PL 170,232C)

(basierend auf Genesis 6,16: Fenestram in arca facies [die Bibel spricht von éinem Fenster], vgl. Genesis 8,6):

Et pulchre arca illa fenestram habuit in latere, per quam salvandi illi ingrederentur, quia Christus lancea militis in latere est vulneratus, per cujus vulneris sacramentum cuncti credentes Ecclesiam ingrediuntur.

Passend hatte jene Arche an der Seite eine Fensteröffnung, durch die jene, die gerettet werden sollten, in sie hineingingen [nicht biblisch], und weil Christus von der Lanze des Soldaten an der Seite verwundet worden ist (vgl. Joh. 19,34), gehen durch das Geheimnis seiner Wunde alle Gläubigen in die Kirche hinein.

••• Beispiel aus dem Speculum humanae salvationis der Bibliothèque Nationale de France, Lat. 512 (frühes 15.Jh.). Hier wird wundertätiges Wasser als Bezugselement verwendet, um verschiedene biblische Ereignisse in Beziehung zu setzen:


> Speculum_humanae_salvationis__btv1b60002575

Johannes tauft Jesus im Jordan (Matthäus 3,13–17)

Mare aeneum ≈ das eherne Meer im Tempel (1Kön. 7,23ff.) [in dessen Wasser die Eintretenden die Hände waschen]

Der aussätzige Naaman wird im Jordan rein gewaschen (2.Könige 5,1)

Die von den 12 Männern getragene Bundeslade staut das Wasser des Jordans, so dass ganz Israel trockenen Fußes hindurch gehen kann (Josua 3,1–17).

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Funktionen


Apologetische Funktion. Rechtfertigung der Christen

Die frühen Christen mussten,

(a) um Heiden zu gewinnen, die Messianität von Christus in den Schriften verankern;

(b) anderseits mussten sie gegenüber der judenchristlichen Partei — die den Erwähltheitsanspruch in Gefahr und die Tora entwertet sah — die Preisgabe der mosaischen Riten rechtfertigen.

Sowohl das AT als Beweisgrund beibehalten, als auch es ausser Kraft setzen — das ist wegen der der Typologie innewohnenden Dialektik möglich.

(a) Die AT Prophetie erlaubte es dem Christentum, seine eigene Geschichte nach rückwärts zu verlängern. Wenn zum Beispiel Tertullian (»Apologeticum« 19) das hohe Alter der mosaischen Schriften geltend macht, so kann er sogar die heidnisch-philosophische Tradition überbieten. Das AT übte eine große Anziehungskraft auf die Heiden aus.

(b) Die Bezüge auf das AT lassen sich verstehen als ›missionarisches‹ Ausdrucksmittel, um sich in einer jüdischen Umwelt verständlich zu machen; wie Paulus sagt: den Juden ein Jude werden, um sie zu gewinnen (1. Kor. 9,20) Er sucht die Juden vom Mosesgesetz und von den Propehten für die Sache Jesu zu gewinnen (Apg. 28,23). — Beispiele:

Stephanus verteidigt sich gegen den Vorwurf der Gotteslästerung mit dem Argument aus der Schrift: Jesus, zu dem ich mich bekenne, ist der in Euren Schriften Angekündigte, also bin ich einer der Euren (Apostelgeschichte 7,2–53; bes. 35ff.)

Paulus verwendet alttestamentliche Begriffe zur Deutung des christlichen Heils (Passa: 1. Kor. 5,7; Bund: 1. Kor. 11,25; Opfer: Röm. 12,1; Tempel: 1. Kor. 3,16f.; 6,19; 2. Kor. 6,16) — aber auch neutestamentliche Begriffe zur Deutung der alttestamentlichen Geschichte (Taufe: 1. Kor. 10,2–4).

Ergänzung von narrativen Texten

Die Evangelien erzählen nicht, auf welche Weise Christus an das Kreuz geheftet wurde. (Ein Hinweis findet sich in der Rede des ›ungläubigen‹ Thomas, der die Finger in die Nägelmale [Vg. fixura clavorum] des Auferstandenen legen will, vgl. Johannesevg. 20,25) — Der typologische Beizug einer AT Stelle kann diese Lücke füllen.

ULB Darmstadt Hs 2505 > http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/Hs-2505

Im »Speculum humanae salvationis« sind unter der Darstellung der Annagelung Christi ans Kreuz dargestellt: Tubal und Thubalkaym – nach Genesis 4,21f.: Von Jubal sind hergekommen die Geiger und Pfeifer; Tubalkain ist Meister in Erz- und Eisenwerk. — Tubal (Gen. 10,3) wurde immer wieder mit Jubal verwechselt. Das Schlagen des Eisens erzeugt verschiedene Töne, das soll diesen auf die Idee der Musik gebracht haben.

Der die Bilder erläuternde Text (hier als PDF in Transliteration und dt. Übersetzung von Darko S. in Z.) besagt, dass ein Gebet, das Christus während der Kreuzigung sprach, in Tubal präfiguriert (prolata fuit) war:

Mit solchem Gesang und dem Hämmern der Hämmer
vergleichen wir das Gebet Christi und das Hämmern der Kreuziger.

Verständnis der Passionsereignisse

Die Anstößigkeit des Kreuzestods wird behoben, wenn er als nach Gottes ewigem Ratschluss geschehen verstanden werden kann. Er wird als Vollzug geweissagten Heils ausgewiesen. Bereits Paulus redet vom Tod Jesu nach den Schriften (1.Kor. 15,3)

In der Predigt und der Erbauungsliteratur wurde die Vita Jesu mittels typologischer Bezüge legendarisch ausgestaltet.

Eine der Techniken ist das Verständnis des Psalmverses 56 [Vg.],9 Exsurge psalterium et cithara (57,9: Wacht auf, Psalter und Harfe!) als Aufforderung Gottvaters an Christus, die Passion zu erleiden. Beides sind Instrumente (die dann in der Exegese auf die zwei Naturen bezogen werden), deren Saiten man spannen muss, damit sie tönen — so sei Christus auf das Kreuz gespannt worden, und der so entstandene Klang hat die Welt erlöst. In einem die Heilsgeschichte nacherzählenden und ausdeutenden Text aus dem Beginn des 14.Jh. tönt das so:

Ja der werde godes vrünt
in dem psalter aber sprach
jubilirende und jach:
»Surge mea cythera.«
Nu hörent wie man daz verstâ
dief von sinne scharpfe
[…]
daz dütet Jhesum Cristum.
[…]
nu sult ir hören sunder wân,
[gewisslich]
wie sich doch daz selbe spil
unserm herren glîchen wil:
die harpfe und daz psalterium
sint beide ungespannen tum,
[stumm]
si sint ungeslagen doup,
[wertlos]
rehte als ein dunnez loup,
daz von dem boume vellet.
swer si gespannen stellet,
und sleht
[schlägt] dar und aber dar,
ir süzikeit wirt man gewar,
des ordenlichen sanges,
des süzen seiten clanges.
in aller der wîs alsus
unser herre Cristus,
jâ sô der herre heilant
an daz crüze sâ zuhant
[sobald als]
gezwicket und geslagen wart
gespannen und sêre gespart,
[gespreizt]
geslagen dar und aber dar.
dô wurden si zuhant gewar
der gotlichen süzikeit,
die gotes fründen ist bereit.
zuhant der süzen harpfen sanc
hin abe zue der hellen clanc
und in die welt uber al
der harpfen süzikeit erschal.

Die Erlösung, hg. Karl Bartsch, Quedlinburg/Leipzig 1858; Verse 5201–5239

Verinnerlichung von Kulthandlungen

Die Beschneidung wird bereits im AT geistlich als Beschneidung des Herzens verstanden (Lev. 26,41; Deut. 10,16; Jer, 4,4 . 9,25f.; Ez, 44,7). Paulus bezieht die Vorstellung des Bundeszeichens nun auf das Bekenntnis zu Christus, wenn er schreibt (Kolosserbrief 2,11):

In ihm (Christus) seid ihr auch beschnitten worden mit einer Beschneidung, die nicht mit Händen vollzogen worden ist. Denn durch diese Christus-Beschneidung habt ihr euer ganzes irdisches Leibesleben <wie ein Kleid> ausgezogen.

Exegese ›dunkler‹ Schriftstellen

Die Typologie hat ein exegetisches Potential, und zwar vermag sie Schriftstellen zu erhellen ohne Beizug externer Quellen. Durch den Beizug der AT Prophetien werden Schriftstellen im NT erhellt und umgekehrt. Man ist versucht zu sagen, die Bibel sei per sese certissima, facillima, apertissima, sui ipsius interpres, omnium omnia probans, iudicans et illuminans. (Luther gegen die scholastische Exegese, in Weimarer Ausgabe 7,97)

Jesus selbst ist der erste typologische Ausleger des AT: Angefangen von Moses und allen Propheten legte der ihnen [den Aposteln] aus, was in allen Schriften über ihn geschrieben ist. Die Apostel bestätigen: Brannte nicht unser Herz in uns … wie er uns die Schriften aufschloss? (Lukas 24, 26: 32)

Eine gleichsam prototypische Szene aus der Apostelgeschichte 8,26–35. Der hohe Staatsbeamte der nubischen Königin liest unterwegs zum Tempel in Jerusalem auf dem Wagen im Propheten Jesaias. Dem Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird (Jes. 53,7), kann er keinen deutlichen Sinn zuordnen. Philippus legt die Schriftstelle typologisch aus auf Tod und Auferweckung Jesu:

Ausschnitt aus dem Titelbild zu Athanasii episcopi Alexandrini opera, studiosius quam antea fuerint a situ vindicata, quorum catalogus sequitur […], Straßburg: Joh. Knobloch 1522.
> http://catalogue.bnf.fr/ark:/12148/cb445875238

Aber der engel des Herren redt zuo Philippo/ unnd sprach: Stand auf/ und gang gegen Mittag auff die straaß die von Jerusalem hinab gadt gen Gaza/ die da wüest ist. Und er stuond auf/ und gieng hin.
     Unnd sihe/ ein mann auß Morenland/ ein verschnittner
[Eunuch] und gewaltiger der künigin Candaces in Morenland/ welcher was über alle jre schätzkammer/ der was kommen gen Jerusalem anzebätten. Und zoch wider heym/ und saß auf seinen wagen/ und laß den propheten Esaiam.
     Der geyst aber sprach zuo Philippo: Gang hinzuo/ und mach dich zuo disem wagen. Do lieff Philippus hinzuo/ unnd hort das er den propheten Esaiam laß/ und sprach: Verstaast du auch was du lisest?
     Er aber sprach: Wie kan ichs/ so michs niemants underweyßt? Und er batt Philippon dz er auffhärstige
[heraufsteige auf den Wagen] / und satzte sich zuo jnen.
     Der innhalt aber der gschrifft/ die er laß/ was dise. »Er ist wie ein schaaff zur schlachtung gefüert/ und wie ein lamb vor sinem schärer stimmloß/ also hatt er nit aufgethon seinen mund. Jn der nidrigkeit ist sein gericht erhaben. Wär wirt aber sein geburt erzellen? dann sein läben ist von der erden genommen«.
     Do antwortet der verschnitten/ und sprach: Jch bitt dich von welchem redt der prophet sölichs? von jm selber/ oder von yemants anders?
     Philippus aber thett seinen mund auf/ und fieng von der gschrifft an/ und prediget jm das Euangelion von Jesu
. (Übersetzung der Zürcher Bibel 1531)

Typologisches Denken hat exegetische Kraft. Mittels typologischer Inbezugsetzung können dunkle Stellen erhellt werden, Absurditäten können erklärt werden, scheinbar belanglose Stellen bekommen mit ihrer Hilfe einen Sinn. Beispiele:

Ambrosius (Lukaskommentar II 10,86) bekennt, dass er die Erzählungen um Adam und Eva als merkwürdig empfunden habe, bis eine Epheserbrief-Stelle (5,32) ihm Klarheit gebracht habe, indem sie diese typologisch auf Christus und die Kirche bezieht. Er baut nun die Typologie Adam — Christus (1. Kor. 15,45–49) systematisch aus: So wie Eva aus der Rippe des schlafenden Adam entstand – so entstand die Kirche aus der Seitenwunde des toten Christus (vgl. Joh. 19,34); von Eva wird gesagt, sie sei von Adams Fleisch und Gebein – ebenso sind die Glieder des mystischen Leibes von Christi Fleisch und Gebein; Adam wurde aus dem Paradies in die Wüste verstoßen – der zweite Adam kehrte aus der Wüste (vgl. Luk 4,1f.) zum Paradies zurück (IV 1,7) und so weiter.

Justin der Märtyrer (100–165) schreibt in seinem »Dialog mit dem Juden Trypho« (¶ 90),

dass die Propheten alles, was sie sprachen und wirkten, in Gleichnissen und Typen verhüllten, so dass das meiste nicht von jedem leicht erkannt wird. Die darin liegende Wahrheit haben sie verborgen, damit der, welcher sie finden und wissen will, sich anstrenge.

Als Beispiel dient das Ausstrecken der Arme von Moses in Kreuzgestalt (Exod. 17,9ff.):

Wenn das Volk stark war, war es stark durch das Kreuz. Denn nicht deshalb, weil Moses so betete, wurde das Volk Sieger, sondern deshalb, weil der Name Jesus die Schlacht leitete, und zugleich Moses sich die Gestalt des Kreuzes gab.

Indessen: »Für viele solcher vom Augenblick einegegbener Anspielungen an Alttestamentliches ist der Begriff "Schriftbeweis" viel zu gewichtig.« (Gerhard von Rad, Theologie des Alten Testaments, München 1965, Band 2, S.351)

Adhortative Funktion das früheren Texts

Petrus Damiani († 1072) argumentiert folgendermaßen gegen die Priesterehe: Wenn schon David die Schaubrote erst ausgehändigt bekam, nachdem er drei Tage keinen Verkehr mit Frauen hatte (1.Sam 21,4-7), so gilt diese Voraussetzung erst recht für den Umgang mit dem Herrenleib. (Petrus Damiani, Contra intemperantes clericos; PL 145, Sp.393.)

Der lutherische Theologe Matthias Flacius Illyricus (1520–1575) versteht die Funktion des Gesetzes so:

Duo sunt genera doctrinæ: Lex & Evangelium […] concordant vero --- Es gibt zwei Arten der Lehre: Gesetz und Evangelium, die indessen übereinstimmen. — Das AT hat die Aufgabe, die verdorbene Natur des Menschen zu offenbaren und anzuklagen. (Vgl. Römerbrief 7,7ff.) So drängt es uns dazu, zum Messias zu flüchten. In der Schrift gibt es mithin einen doppelten Weg zum Heil, zwei Wege, die zueinander entgegenlaufen, während das niedrige dem höheren weicht. Hæc revera clavis est totius Scripturæ, aut Theologiæ: scire, in ea contineri duplex genus doctrinœ, & duplicem viam salutis, quæ sint sibi invicem per se plane contrariœ, sed concordentur, dum inferior cedit superiori.

Clavis Scripturae S. seu de sermone sacrarum literarum, Basel: Oporin 1567; darin: De ratione cognoscendi sacras literas tractatus.
> https://www.e-rara.ch/bau_1/content/zoom/15168131

Vgl. die lat.-dt. Ausgabe von De ratione cognoscendi sacras literas, übers. von Lutz Geldsetzer, Düsseldorf: Stern-Verlag 1968.

Meditative Durchdringung des Bibeltexts

G. Wohlenberg, Mittelalterliche Typologie im Dienst der Predigt,in: Zs f Kirchengeschichte 36, 1/2 (1915/16), S. 319–349 machte auf einen Predigtsteller aus dem Jahr 1477 aufmerksam: Handschrift clm 9728, Fol. 230–254: »Figurae veteris testamenti eorum quae novo efficaciter facta sunt testamento«

Hier werden nicht nur AT Stellen typologisch beigezogen, sondern auch solche aus naturkundlichen Werken, vgl. unten. [Die Bibelstellen hier modernisiert angegeben.]

[Die "NT" Bezugstelle ist:] Christo intrante Egiptum corruunt ydola. [aus dem apokryphen Matthäusevangelium, Kap. 24: bei der Ankunft des Jesuskinds bei der Flucht in Ägypten zerbrechen die Götterstatuen.]

Archa domini dum templum Dagon ingreditur, ipse Dagon, corruit [1.Samuel 5,1–7]

Moyses de monte Synai veniens vitulum aureum confregit [Exodus 32]

Confringam illos neo poterunt stare; cadent subtus pedes meos [Psalm 17,39].

Elevabitur dominus solus in die illa et ydola penitus conterentur [Jesaias 2,17–18] .

In tempora visitationis sue corruent, scil. ydola [Jeremia 6,15]

Ventus austri contrivit te, Tyre, in corde maris [Ezechiel 27,26]

Aer levia si allec [Hering] tetigerit, statim moritur, Liber rerum [Thomas Cantimpratensis, Liber de natura rerum, VII,5: de alleciis: solus aqua tantum vivit nec nisi in aqua vivere potest, statim ut aeris serena contigerit, exspirat, nec ulla mora est inter contactum aeris et exspirationen, pm].

Zufer fons quidam in oriente, qui bibenti delectationem luxurie tollit, Plinius. [Wohlenberg verweist auf eine wörtlich entsprechende Stelle in Nat.Hist. XXXI,xvi,19 wo die Quelle, die Menschen von Liebeswut heilt, Cyzici fons heisst.]

Integration von nicht im engeren Sinn biblischen Vorstellungen

••• Das Maria gekrönt und als Königin in den Himmel aufgenommen wurde, steht so nicht im Bibeltext.

Biblia Pauperum. Die Bilderhandschrift des Codex Palatinus latinus 871, Einführung und Kommenar von Christoph Wetzel; Transkription und Übersetung Heike Drechsler, Stuttgart/Zürich: Belser 1995. (Texte transliteriert und übersetzt) Fol. 19v.

 

Psalm 45,13

Cantica 8,5

 
Salomon seczet syn muder [Batseba] bij sich … (1.Kön. = 3.Reg 2,19) Herre du erest die milden marien zu dir nemende Hester get in vnd aswerus budet ir ere (Ester 2,16f.)
 

Jes 35,2

Sapientia 4,1

 

 

••• Auch die Vorstellung, dass Christus die Gerechten aus der Vorhölle erlöst (ist apokryph, aus dem Nikodemus-Evg.) kann mittels typologischer Bezüge gleichsam kanonisiert werden.

••• Vgl. ferner hier: Annagelung ans Kreuz und hier

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Typologie enzyklopädisch...

Das umfangreichste mittelalterliche Textcorpus zur Typologie ist der sog. »Pictor in Carmine«: 500 Vergleichungen gefasst in 3'600 Verse (in der modernen Edition 143 Kleinfolio-Seiten).

Ausgabe: Pictor in carmine. Ein Handbuch der Typologie aus der Zeit um 1200 nach MS 300 des Corpus Christi College in Cambridge; hrsg. von Karl-August Wirth, Berlin: Gebr. Mann 2006.

Ein Beispiel: Nummer X. Die Hirten, denen der Engel begegnet war, gehen eilends nach Betlehem, wo sie in der Krippe das Jesuskind liegen sehen. Typolgische Vor-Bilder: (1) Sara gebiert Isaak (Gen 21,6); (2) Die Nachbarinnen geben dem von Ruth geborenen Kind den Namen Obed (Ruth 4,17).

Pastores ad presepe veniunt. (Luk. 2,16)

IncoIe conveniunt et corrident Sare puerpere nato Ysaac

Sara parens pIaudit, corridet quisquis id audit.
Sic et pastor agit ubi Christus sub bove [in presepio] vagit.

IncoIa corridet quia, Sara, seni peperisti.
Sic et quando videt pastor presepia Christi.

Fiunt gaudentes Saram peperisse videntes.
Sic et pastores ubi, Iesse virguIa, flores.

Mulieres venientes congratulantur Ruth Moabitidi nato ex ea Obeth.

Propter Obeth tenerurn chorus accurrit mulierum.
Sic nati Christi, pastor, presepe petisti.

Prosilit ex Iatebris ad Obeth cetus muliebris.
Sie pastor propere curat te, Christe, videre.

Sunt hilares mente mulieres Ruth pariente.
Plaudit pastor ita te, virgo proIe potita.

Vicine veniunt et Obeth [dativus] nova gaudia fiunt.
Par est gaudendo pastor, par et veniendo.

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Bild-Programme

Vorbemerkung

Insofern als typlogische Verweise in der Regel auf Szenen im AT und NT beruhen, lassen sich die ent-sprechenden Stellen visualisieren. Eine Bilderfülle entsteht.

Gemeinhin werden unterschieden: Heilsspiegel (Speculum Humanae Salvationis) — Biblia pauperum — Concordantiae Caritatis — Bible moralisée. (Hier werden nicht alle Typen vorgestellt.)

Übersicht der Bildprogramme bei Horst Appuhn, Einführung in die Ikonographie der mittelalterlichen Kunst in Deutschland, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1979, Kap. II,5.

Nikolaus von Verdun, Klosterneuburger Altar

Das Werk (Grubenschmelz-Email) wurde von Nikolaus von Verdun 1181 vollendet und im 14. Jh. mit sechs Tafeln im alten Stil ergänzt.

Die Widmungsinschrift:

Qualiter Etatum sacra consona sint peraratum
  Cernis in hoc opere mundi primordia quere
     Limite sub primo sunt umbre legis in imo
Inter utrumque situm dat tempus gracia tritum
  Que prius obscura vates cecinere figura
      Esse dedit pura nova factoris genitura
Vim per divinam veniens reparare ruinam
  Que per serpentem dejecit utrumque parentem
      Si pensas juste legis mandata vetuste
Ostentata foris retinent nil pene decoris
   Unde patet vere quia legis forma fuere
      Quam tribuit mundo pietas divina secundo

Wie die Heilsgeschichte der Zeitalter übereinstimmen, siehst du an diesem Werk dargestellt. • Die Anfänge der Welt suche in der ersten Zone; • die Schattenbilder des Gesetzes sind in der unteren; • in der Zwischenzone gibt die Gnade den noch andauernden Zeitabschnitt. Was früher die Propheten in dunklem Vorbilde sangen, das macht klar die neue Zeugung des Schöpfers, die in göttlicher Kraft kam, den Fall zu heilen, der durch die Schlange die beiden Stammeltern vertreiben hat. Wenn du die Vorschriften des alten Gesetzes recht überdenkst, so enthalten sie in ihrer äußeren Gestalt fast nichts von der Herrlichkeit (decor). Daraus wird offenbar, dass sie wahrhaftig nur das Vorbild jenes Gesetzes gewesen sind, das die göttliche Liebe der zweiten Schöpfung schenkte. (Übersetzung von Fl. Röhrig, S. 18)

Jeweils drei Bilder übereinander bilden eine typologische Gruppe; auf dem Altarmittelteil (nach der Ergänzung im 14.Jh.:) 9 Gruppen; auf den Seitenflügeln je 4;
• oben und unten AT Begebenheiten (ante / post legem meint: vor / nach der Übergabe der Zehn Gebote an Moses);
• in der Mitte das NT Pendant.

> Knappe Beschreibung > https://de.wikipedia.org/wiki/Verduner_Altar (bei "commons" je zwei Bilder unsinnigerweise nebeneinander präsentiert ...)

Ein Beispiel:

Ante legem:

Joseph in lacu (≈ in der Zisterne; Genesis 37,18–24):

Hunc intrare lacum
feritas facit emula fratrum

(≈ Die neidische Wildheit der Brüder befördert diesen in die Zisterne)

Sub gratia:

Sepulchrum Domini (≈ Grab des Herrn; Matth. 27,59 und Parallelen):

Terre vita datur
cui terra polus famulatur

(≈ Der Erde wird übergeben, dem Erde und Himmel unterworfen sind.)

 

Sub lege:

Jonas in ventre ceti (im Bauch des Fischs)

Quem capit unda freti
concludunt viscera ceti

(≈ Den die Woge des Meers erfasste, umschließen die Eingeweide des Seeungeheuers.)

 

Das Niello-Antipendium zu Klosterneuburg in Oesterreich, verfertiget im zwölften Jahrhunderte von Nicolaus aus Verdun: In der Originalgrösse lithographirt und ... hgg. von Albert Camesina. Beschrieben und erläutert von Joseph Arneth, Band 2, Wien 1844.
> http://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/154296/1/

Floridus Röhrig, Der Verduner Altar, Wien: Herold 1955 und Neuauflagen. (Mit Erklärung der Bildtafeln und Fotos aller Tafeln)

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Biblia Pauperum

In diesem ›Format‹ sind Wortprophetien (jeweils mit einem ›Portrait‹ des Propheten) und Realpophetien (mit szenischer Darstellung) kombiniert. – Woher die Bezeichnung ›Armenbibel‹ kommt, ist unklar.

NT Hauptbild — 2 AT Typen — 4 Propheten — 3 Tituli — 2 Lektionen

••• Erstes Beispiel:

Elisabeth Soltész, Biblia Pauperum. Die vierzigblättrige Armenbibel in der Bibliothek der Erzdiözese Esztergom, Berlin (DDR) 1967.

Die NT Szene in der Mitte (apokryph) wird flankiert von zwei AT Präfigurationen; in den vier Ecken Wortprophetien:

David: Quia contrivit portas æreas, et vectes ferreos confregit. (Ps. 106,16)

Hosea: Ero mors tua, o mors ! morsus tuus ero, inferne! (Osee 13,14)
Christus erlöst die Gerechten aus der Vorhölle*
David tötet Goliath (1.Sam = 2.Reg 17,50f.) Simson zerreisst den Löwen (Richter  14,5f.)
Zacharias: Tu quoque in sanguine testamenti tui emisisti vinctos tuos … (Sach 9,11) [Jakob:] ad prædam, fili mi, ascendisti (Genesis 49,9)


*) apokrypher Text; vgl. Nikodemusevangelium Kap. XVII–XXVII
> https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/46908/

••• Zweites Beispiel:

Biblia pauperum, [Bamberg, ca. 1462/63]
> http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00026399/image_1

David: Psalm [Vg] 77,25: Menschen aßen Engelbrot
Proverbia 9,5: Esst von meinem Brot und trinkt von dem Wein…

Jes. 55,2: Hört auf mich, so bekommt ihr Gutes zu essen!
Sapientia 16,20: Speise der Engel; Brot vom Himmel
 Das Abendmahl (Markus 14,16ff.; Matth. 26,20ff. u.a.)
Melchisedek bringt Brot und Wein (Genesis 14,18)
Manna vom Himmel (Exodus 16,15ff.)

••• Drittes Beispiel:



  Wort-Prophetien: Zacharias 9,9
Psalm 149,2
Cantica 3,11
Zach. 9,9: Siehe dein König kommt!
 
David hat Goliath überwunden und wird von Saul empfangen (1.Samuel = 1.Reg. 17,57) Der in Jerusalem einziehende Jesus wird gepriesen: Hosanna! Gepriesen sei, der da kommt! (Markus 11,9 ||) Elisäus wird von den Prophetenjüngern geehrt (2.Kön. = 4.Reg. 2,15f.)


Die Salzburger Armenbibel. Codex a IX 12 aus der Erzabtei St. Peter zu Salzburg / Einführung, Übertragung, Übersetzung von Karl Forstner, Salzburg/München: Pustet, o.J. (mustergültig alle Texte transliteriert und übersetzt)

••• Viertes Beispiel:

oben: Enochs Entrückung (Genesis 5,24): Henoch ging mit Gott, dann war er nicht mehr da; denn Gott hatte ihn genommen. Vgl. Hebeäerbrief 11,5.

Mitte: Christi Himmelfahrt (Lukas 24,51; Apostelgeschichte 1,9)

unten: Elias fährt im feurigen Wagen zum Himmel (2.Könige 2,11)

umgeben von vier Wortprophetien.

Aus BSB Cgm 341
> https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00152183?page=1

Speziell hierzu:
Hans Engelhardt, Der theologische Gehalt der Biblia Pauperum, Straßburg: Heitz 1927 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte Heft 243) [mit Synopsen der aufeinander bezogenen Bibelstellen].
> https://archive.org/details/dertheologischeg0000enge

Hildegard Zimmermann, Artikel "Armenbibel (Biblia pauperum, Biblia picta"), in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1936), Sp. 1072–1084. [mit Liste der Bildgruppen]
> https://www.rdklabor.de/w/?oldid=89657

Gerhard Schmidt, Die Armenbibeln des 14.Jhs., Graz: Böhlau 1959.

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Heilsspiegel (»Speculum humanæ salvationis«)

Das ist ein Text-Bild-Verbund ursprl. aus dem Anfang dem ersten Viertel des 14.Jhs.; Verfasser ist warhscheinlich Ludolf von Sachsen († 1377). Es gibt über 280 lat. Handschriften! Dazu deutsche und niederländische Bearbeitungen in Vers oder Prosa.

Im Kern: 42 Kapitel zu je 100 (4 x 25) Reimzeilen und 4 Bildern; 3 präfigurierende AT Szenen | eine NT; idealerweise auf einer Doppelseite.

 

••• Beispiel aus der Handschrift BNF Lat 512 (15.Jh; 55 ff. à deux colonnes; 415 x 295 mm)

Linke Seite links: Hic tres magi adorant puerum cum muneribus (Die Magi aus dem Osten beten das Jesuskind an; Matth. 2,11; dass es drei Magi sind, ist nicht biblisch, wurde traditionell aus den drei Gaben Gold Weihrauch und Myrrhe Matth. 2,11 hergeleitet. Möglicherweise hat der typologische Bezug zu David und den drei Helden die Vorstellung gestärkt.)

linke Seite rechts: Tres magi viderunt novam stellam in oriente (Die Magi sahen den Stern aufgehen; Matth. 2,2; hier im Bild ist im Stern das Kind mit Nimbus zu sehen; legendarisches Motiv)

rechte Seite links: Tres fortes atulerunt regi david aquam de cisterna betlehen (Drei Helden bringen David Wasser aus einer Zisterne; II Reg. = 2. Samuel 23, 15–16)

rechte Seite rechts: Thronus saolomonis (Die Königin von Saba besucht König Salomon, dieser auf dem Thron, der auf den sechs Stufen je zwei Löwen hat, sie bringt ihm Geschenke; III Reg. = 1.Könige 10)

> https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b60002575/f11.item
   http://archivesetmanuscrits.bnf.fr/ark:/12148/cc8859s

••• Beispiel aus der Hs. der Hess. Landesbibliothek Darmstadt 2505; um 1360:

Heilsspiegel. Die Bilder des mittelalterlichen Erbauungsbuches Speculum humanæ salvationis, mit Nachwort und Erläuterungen von Horst Appuhn, (Die bibliophilen Taschenbücher 267), Dortmund 1981. (Nur die Bilder sind reproduziert.)
> http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/Hs-2505/0031 (mit dem lat. Text)

Links oben die NT Szene; die anderen drei Bildteile enthalten AT Praefigurationen:

Der Verrat des Judas (Matthäus 26,48–51): »Sei gegrüßt, Rabbi!«
Saul wirft den Speer auf seinen Schwiegersohn David (1 Samuel = 1 Reg. 18,10–11)
Joab tötet Amasa (2.Samuel = 1 Reg. 20,8–10): »Sei gegrüßt, mein Bruder!«
Kain erschlägt seinen Bruder Abel (Genesis 4,1f.)

Es gibt mehrere Drucke, u.a.:

• Speculum humanae salvationis, deutsch, Reutlingen, 1. Januar 1492.
> https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/is00666500

• Speculum humanae salvationis [mit deutscher Übersetzung]: Spiegel menschlicher behaltnis [Raum Elsass], [1436]
> http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/speculum1436

J. Lutz / P. Perdrizet, SPECULUM HUMANAE SALVATIONIS, Mülhausen: Meininerger 1907/1909.

Band I, S.1–99: der lat. Text und S. 177–240 Kommentar dazu / Band II: Faksimile der 140 Tafeln der Schlettburger Handschrift Clm 146 plus weitere Bilder von Glasfenstern, Teppichen usw. — Die Planches und die Chapitres sind nicht gleich numeriert!
> https://archive.org/details/SpeculumHumanaeSalvationisLutz1/page/n13/mode/2up

••• Beispiel aus der Handschrift Einsiedeln Cod. 206 (ca. 1430/50); Fol. 13 verso /14 recto

Linke Seite links: die drei Versuchungen Jesu (Matth. 4,1ff. || Lukas 4,1ff.): Ductus est Jhesus in desertum ut temptaretur a Dyabolo — Veritas que Christus fuit a demone temptatus — In eo enim quo passus est ipse est temptatus (Hebr. 2,18)

linke Seite rechts: Daniel und das Standbild Baals (Daniel 14,1–26): Daniel beel destruxit et draconem interfecit — Prima figura quod Christus temptatus vixit. — Frustra iacitur rethe [das Netz] ante oculos penatorum (Sprüche 1,17)

rechte Seite links: David tötet Goliath (1.Sam. 17,50): Praevaluit David in philisteum in funda et lapide interfecit eum — 2a figura quod Christus dyabolum devicit. — Sathan stabat a dextris ut adversaretur ei. (Sach. 3,1)

rechte Seite rechts: David tötet den Bären und Löwen (1.Sam. 17,34ff.): Ad nichilum deductus est in conspectu eius malignus (Psalm 14 [Vg.],4) 3a figura quod Christus dyabolum superavit. — Perversa est hec vestra cogitatio quasi si et lutum contra figulum cogitet. (Jes. 29,16)

Den Bibelstellen sind kommentierende Texte aus der Bibel beigestellt.

> https://e-codices.unifr.ch/en/searchresult/list/one/sbe/0260

Hans-Walter Stork / Gregory Clark, Der Heilsspiegel aus Kloster Einsiedeln Cod. 206. Ein Bilderreigen aus 176 Miniaturen zur biblischen Geschichte, Luzern: Quaternio Verlag 2014. (nur die lat. Texte um die Bilder herum transkribiert und übersetzt)

••• Beispiel aus der Handschrift St. Gallen, Kantonsbibliothek, Vadianische Sammlung, VadSlg Ms. 352/1-2 (um 1440); Fol. 40/41:


Von links nach rechts:

Hiob wird von seiner Frau und dem Teufel misshandelt

Christus erhält die Dornenkrone (Matth. 27,29 ||)

Apamene nimmt Darius die Krone weg (3.Esra [apokryph] 4, 29f.) ***

Semei (Simei, Schimi) vertreibt König David mit Steinen (2. Samuel = II Reg. [Vg] 16,5-13)

***) Text: https://de.wikisource.org/wiki/Esdras_drittes_Buchhttps://www.bibelbuch.de/apokryphe-schriften/3-esra/ — vgl. Wolfgang J. Müller, Artikel "Darius", in: RDK III (1954), Sp. 1076–1083

Quelle > https://www.e-codices.unifr.ch/de/vad/0352-1-2
Bilderliste, in der die typologisch zusammengehörigen Bilder abgetrennt sind > https://stadtarchiv.ch/inhalt/VadSlg-Ms.352.1-2-Bilder.pdf

••• In Frühdrucken des ›Heilsspiegels‹ sind die Bilder typographisch nicht immer genau gegenübergestellt.

Im folgenden Beispiel aus dem Spiegel menschlicher Behaltnis (1476) folgen auf eine Seite mit der Verkündigung an Maria zwei AT Ereignisse:

Überschrift zum Bild links oben (auf der vorhergehenden Seite):
Exodi am .iii. capitel
Gott erscheÿn
[dem Moses] in dem bürnnenden busche der doch grüene bleip

Überschrift zum Bild rechts:
Judicum am .vi.
Gedeons vel wart des hÿmmel douwes fol vnd bleip das erteriche do bÿ trucken

Speculum humanae salvationis Basel: Bernhard Richel 1476. (nach moderner Zählung: Fol. 11v)
> https://mdz-nbn-resolving.de/bsb00031709
> https://doi.org/10.3931/e-rara-8656
> http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/bsz492295905

Überblick bei

H.-W. Stork / B. Wachinger, Artikel "Speculum humanae salvationis" in: Verfasserlexikon, Band 9 (1995) Sp. 52–65.

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Ulrich von Lilienfeld, Concordantiae Caritatis (nach 1351)

Siehe den Aufsatz von Rudolf Suntrup hier.

> https://de.wikipedia.org/wiki/Lilienfelder_Concordantiae_caritatis (mit Hinweis auf das Digitalisat Lilienfeld Hs 151)

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Augustin Hirschvogel, »Concordantz Alt vnd News Testament«

1550 erarbeitet der Nürnberger Augustin Hirschvogel (1503–1553) ein umfangreiches typologisches Bildwerk. In einer Folio-Ausgabe stellt er jeweils zwei AT Szenen (links) zwei NT Pendants (rechts) gegenüber. Hier ein Beispiel:

links: Absaloms Tod (2. Samuel 18)

rechts: Judas bringt die Silberlinge zurück und erhängt sich (Matth. 27,3–10)

Vorredt vnd eingang der Concordantzen alt und news Testaments, durch Pereny Petri eins tails, vnd nachuolgents durch Augustin Hirszfogel, sampt mer Figuren vnd Schrifften erweytert, Wien: Aegidius Adler 1550.

Die Buchausgabe (104 Radierungen) wurde von K. Falkenau rekonstruiert und präzis beschrieben:

Karsten Falkenau, Die "Concordantz Alt vnd News Testament" von 1550. Ein Hauptwerk biblischer Typologie des 16. Jahrhunderts illustriert von Augustin Hirschvogel, Regensburg: Schnell + Steiner 1999 (Studien zur christlichen Kunst 2).

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Buchillustrationen mit typologischen Bezügen

••• Der Peterborough-Psalter enthält typologische Passagen.

Hier stehen indessen nicht auf jeder Seite die typologisch genau zusammengehörige Bilder.

So gehört das Bild links oben auf auf Fol. 24verso (vgl. unten) des im Tempel predigenden zwölfjährigen Jesus im Tempel (Lukas 2,41ff.; unter ihm Maria und Joseph; aussen Pharisäer mit dem Text Sic responsa dei sensumque stupent pharisei.) zu den beiden Bildern unten auf der vorausgehenden Seite Fol. 24recto, wo als Antitypen stehen: Moses erzählt Jethro, wie der Herr die Israeliten gerettet hat (Exodus 18,8) und Daniel, der beiden Ältesten ins Verhör nimmt (Daniel 13,48ff.).

Fol. 24 verso

 

Die weisse Taube verkündigt Noah auf der Arche das Ende der Sinflut. (Genesis 8,11)

Fluxu cuncta uago
submergens prima uorago.

Moses teilt das Wasser des Roten Meers. (Exodus 14,21)

Unda maris rubri
spacio diuisa salubri
.

Johannes tauft Jesus; daneben ein Engel (Matth. 3,13–17 und ||)

Mundum purgauit
baptismaque significauit


Unten wird der typologische Zusammenhang formuliert:
Que mentem mundam facit a vicio : notat undam
.
≈ [Das Wasser der Sintflut / des Roten Meers] bedeutet das Wasser (undam), das den Geist von der Sünde rein macht [d.h. das Wasser der Taufe].

Das Brüsseler Exemplar (erstes Viertel des 14.Jhs.) = Psautier de Peterborough; Koninklijke Bibliotheek van België, ms. 9961-62
> https://opac.kbr.be/LIBRARY/doc/SYRACUSE/16428696

Der Peterborough-Psalter, Faksimile-Edition mit einem Kommentar von Lucy Freeman Sandler und Bernard Bousmanne, Luzern: Quaternio Verlag 2015.

Lucy Freeman Sandler, Peterborough Abbey and the Peterborough Psalter in Brussels, in: Journal of the British Archaeological Association 33, 1 (1970), 36–49.

•••• Thomas Hopffer 1678

Der lutherische Pastor Thomas Hopffer (1618–1678) entwickelt neun Predigten ausgehend von typologischen Paaren. Hier ist das Thema: Der starke Glaube überwindet den HErrn.

oben: Jakobs Kampf mit dem Engel (1.Mos. 32,25–30: Ich lasse dich nicht, du segenst mich denn.)

unten: Die kanaanäische Frau (Matthäus 15,21–29: Es essen doch die Hündlein von den Brosamen, die von des Herrn Tisch fallen.)

Neun schöne Fürbilder deß A.T. Mit Ihren Gegenbildern deß N.T. Vor 24. Jahren ... in Augspurg/ In Neun underschiedlichen Predigten erkläret/ Jetzo aber Auffs Newe übersehen/ und weiter außgeführet Von ... Thoma Hopffern/ Augustano, damals Pfarrern derselbigen Kirchen in Augspurg ... Tübingen: Hein, 1678.
> http://diglib.hab.de/drucke/th-1301/start.htm
> http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:23-drucke/th-13012

Altäre

••• Beispiel: Konrad Witz (1435 Basler Bürger) Heilsspiegelaltar in Basel (ca. )

Es gab eine Innen- und eine Aussenseite. Es sind nicht alle Tafeln erhalten. Die Anordnung muss erschlossen werden. Das hat bereits Hans Wendland, Konrad Witz. Gemäldestudien, Basel: Schwabe, 1924 (S.50) getan. Vgl. Bodo Brinkmann, Konrad Witz, 2011.

linker Innenflügel
feststehender Mittelteil
rechter Innenflügel
Cäsar Antipater

Esther Ahasver

Christus und Maria knieen vor Gott Vater
Abendmahl
Salomo
Königin von Saba
Abraham Melchisedek
?
Augustus und Sibylle
Geburt Jesu und Anbetung durch die
drei Magier*
David und ein Held
zwei Helden

 

* Zur Anbetung durch die Drei Könige (Matthäus 2, bes.11ff.) (Mitteltafel innen unten) gehörte (auf dem rechten aufgeklappten Innenflügel unten) David mit den drei Helden:

                       

Die drei Helden [Jischbaal, Eleasar, Schamma] bringen David Wasser (2 Samuel 23,15ff.)

Dazu: Um ca. 1350 entstand eine deutsche Versübersetzung des »Speculum Humanae Salvationis«, in dem zwei AT Eregnisse demjenigen der Drei Weisen aus dem Mohrenland zugeordnet werden, daraus:

Caspar, Balthasar, Melchior,
Bi den bezaichent waz hie vor
Herr Davitz dri heide usserwelt,
Diz namen, die sint in gezelt:
Abysai, Sobolthai, Bathlias.

Und wie bei Konrad Witz (rechte Innen-Tafel oben links): Salomo und die Königin von Saba (3 Reg. ≈ 1.Könige 10,1ff.)

Dirre wisot vor bezaichent waz [mhd. wîzzôt ≈ Sakrament]
Bi her Salomons tron, da uf saz
Der selbe kúnk tugent rich,
Da kan diú kúngin von Saba sicherlich
Mit grossem gezog, mit edelm gestain und mit golde rot.

Text: Manuela Niesner, Das Speculum Humanae Salvationis der Stiftsbibliothek Kremsmünster. Edition der mhd. Versübersetzung und Studien zum Verhältnis von Bild und Text, (Pictura et Poesis, Bd. 8), Köln / Weimar / Wien: Böhlau 1995 14va. (Die Stelle hier als PDF)

••• Zu vergleichen ist dieses Triptychon (1516–19)
> https://sammlung.staedelmuseum.de/de/.....anbetung-der-heiligen-drei-koenige

Glasmalerei

Canterbury Cathedral, stained glass (> wikimedia commons)

  Abraham Isaak Opferung  
Moses schlägt Wasser aus dem Felsen Kreuzigung die mit dem Blut des Passah-Lamms bestrichenen Türpfosten
  Die Kundschafter mit der Traube (Numeri 13,18)  

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Formales: Typolog. Hinweis in einer zweiten Bild- (oder Text-) Ebene

 

Hier geht es um eine bildnerische / formale Darstellungstechnik. Immer wieder entdeckt man in Bildern Elemente, die nicht in den Kontext zu passen scheinen, weil sie eine zweite – typologische – Bildebene repräsentieren.

••• Erstes Beispiel:

Der Prophet Micha prohezeit (Kapitel 5,2), das aus Betlehem der Herrscher über Israel hervorgehen wird; das wurde auf Christus hin ausgelegt; diese Szene der Geburt Jesu in Betlehem ist ganz realistisch in der Landschaft zu sehen, als ereigne sich das Geschehen gerade dort.

Detail:

Matthaeus Merian (1593–1650) Icones biblicæ præcipuas sacræ scripturæ historias eleganter & graphice repræsentantes. Biblische Figuren/ darinnen die Fürnembsten Historien/ in Heiliger und Göttlicher Schrifft begriffen/ Gründtlich und Geschichtsmessig entworffen/ zu Nutz und Belustigung Gottsförchtiger und Kunstverständiger Personen artig vorgebildet / an Tag gegeben durch Matthaeum Merian von Basel. Mit Versen vnd Reymen in dreyen Sprachen gezieret vnd erkläret, Franckfurt am Mayn 1625–1629.

••• Zweites Beispiel:

Der Prophet Hosea sagt (Hos. 13,14): Tod / Jch wil dir eine Gifft sein. Helle / Jch wil dir eine Pestilentz sein. Die Stelle wird im Bild von Lucas Cranach in der (ersten vollständigen Luther-Bibel) 1534 auf Kreuzigung und Auferstehung bezogen:

Biblia/ das ist die gantze Heilige SChrifft Deutsch, Wittenberg: Hans Lufft 1534.

••• Drittes Beispiel:

 

Biblia germanica. Das ander teyl der Bibel, Augsburg: Johann Schönsperger, 9. November 1490; Beginn des Markus-Evangeliums

Der am Pult schreibende Evangelist Markus hat als Attribut wie üblich den Löwen (in der Väterzeit aus dem Tetramorph Ez. 1,5–10 und Apc 4, 7–6 entwickelt).

Rechts ist die Auferstehungsszene dargestellt, wozu die Evangelium nur Anspielungen machen (Matth 27.62–66 und 28,7 parr.), szenisch aber die Anordnung der Bewachung des Grabs und die Entdeckung des leeren Grabs schildern (Mark 15,42–47 und 16,1–7).

Im Hintergrund erkennt man Samson/Simson, der die ausgehängten Tore der Stadt Gaza trägt (Richter 16,2–3):

Bild aus der Froschauerbibel 1525

Der Bibelkommentar des Cornelius a Lapide S.J. (1567–1637) stellt den typologischen Bezug her: Samson media nocte tollens portas Gazae repraesentat Christum post mediam noctem e sepulcro resurgentem ac lapidem sepulcri removentem insuper portas mortis et gehennae auferentem indeque patri archas et prophetas sanctosque omnes cum triumpho educentem. (zu Jud 16,1ff. mit Beizug von Stellen der Kirchenväter)

••• Drittes Beispiel:

In der Bilderbibel von Johann Fischart und Tobias Stimmer werden Szenen des AT gelegentlich mit einem schriftlichen Verweis auf das typologische Pendant versehen. Hier ist der Kampf Simsons gegen den Löwen (Richter 14,8f.) ein Vorbild Christi Todeskampfs:

Neue Künstliche Figuren Biblischer Historien / grüntlich von Tobia Stimmer gerissen: Und zu Gotsförchtiger ergetzung andachtiger Hertzen mit artigen Reimen begriffen durch J. F. G. M / grüntlich von Tobia Stimmer gerissen, Zu Basel bei Thoma Gwarin, Anno 1576.
> https://www.e-rara.ch/bau_1/doi/10.3931/e-rara-431

••• Viertes Beispiel

Mitunter werden Szenen in einem Buch typologisch korreliert. Hier die Auffahrt Christi (vgl. Lukas 24,50–53 und Apg. 1,11–11 u.a. Stellen) parallelisiert mit der Himmelfahrt des Elia (2.Könige 2,1–18):

Zum Auffahrts-Tag: In die Ascensionis domini; links dargestellt.

Missale von Abt Dietlelm Blarer (1530–1564) aus dem Jahre 1555; St.Gallen, Stiftsbibliothek, Cod Sang 357 (Ausschnitt)
> http://www.e-codices.unifr.ch/en/csg/0357/163

••• Fünftes Beispiel:

Warum stellt der Stuttgarter Psalter die Szene der Verkündigung an Maria durch den Engel (Lukas 1,26–38) dar im Kontext von:

Psalm 71 (Vulgata),6: Descendet sicut pluvia in vellus, et sicut stillicidia stillantia super terram. (Er wird  herabkommen wie Regen auf das Fell, und wie tröpfelnde Regenträufel auf die Erde.)

Stuttgarter Psalter, Württembergische Landesbibliothek. Cod.bibl.fol.23; fol 83 verso
>  http://digital.wlb-stuttgart.de/purl/bsz307047059

Der Psalmvers (wie Regen auf das Fell) wird offenbar zunächst mit dem Wunder Gideons zusammengebracht: Gideon bittet Gott, den Auftrag, die Midianiter zu bekämpfen, mit einem Zeichen zu bestätigen. Er legt ein Vlies (Schaf-Fell, lat. vellus) auf den Boden der Tenne und verlangt, dass es andern Tags vom Tau (lat. ros) benetzt sei; so ist es dann. (Richter 6,36–38)

Der Kommentar des Cornelius a Lapide zur Stelle zeigt sodann die typologische Bezugnahme des Gideonwunders auf die Jungfrauengeburt: Ros in vellere est Christus in virgine. Ros enim significat Verbi in Virginem illapsum et incarnationem instar roris fore secretum, tranquillum, castum, suavem, spiritalem, fæcundum, sine virginitatis corruptione et sine partus dolore. Vellus enim est tam uterus Virginis quam humanitas Christi Virginis utero concepta, in quam divinitas se ut ros cælestis insinuavit.

••• Sechstes Beispiel:

Eine typologische Beziehung wird (eventuell) rein zeichnerisch angedeutet.

Die St.Galler Handschrift der Weltchronik des Rudolf von Ems (entstanden um 1300) zeigt auf Fol. 16 verso diese Szene:

> https://www.e-codices.unifr.ch/de/vad/0302/16v

(oberes Bild: Die Vertreibung Hagars und Ismaels in die Wüste (Genesis 21,8–21) In der Bibel ist es nicht Sara, die die Vertreibung direkt gegenüber Hagar ausspricht, sondern sie fordert Abraham dazu auf: »Da sprach sie zu Abraham: Treibe diese Magd aus mit ihrem Sohn!«)

Das untere Bild zeigt die Szene: Gottes Engel erhört den in der Wüste weinenden Knaben Ismael, ermutigt die Mutter Hagar und verheisst, dass der Sohn zu einem großen Volk gemacht werde. — Die Illustration ähnelt auffällig der unzählig oft vorkommenden Darstellung der Verkündigung an Maria durch den Engel (Lukasevangelium 1,26–38).

Es scheint ohne Textgrundlage einzig durch das Bild ein typologischer Bezug nahegelegt. <> Freilich muss man auch erwägen, dass der Illustrator für die Szene mit dem Engel und Hagar sich von Bildern der Verkündigungsszene hat anregen lassen, ohne dass Typologisches intendiert ist ! — (Es wäre in der exetischen Literatur abzuklären, ob es Belege gibt.)

Zum Vergleich: Liutoldevangliar (um 1170) © ÖNB

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Typologie und Allegorie


Der typologische Bezug zwischen AT und NT wird immer wieder allegorisch abgestützt. Ein klassisches Beispiel ist Paulus, der im Galaterbrief 4, 21–32 das typologische Verhältnis der beiden Testamente mittels einer Allegorese der beiden Frauen Abrahams (die Freie Sara und die Sklavin Hagar; vgl. Genesis 16) allegorisch abstützt: Die beiden Frauen nämlich bedeuten zwei Bundesschlüsse.> https://www.bibleserver.com/ELB/galater%204

(Der paulinische Text enthält darüber hinaus weitere Implikationen für das Leben "unter dem Gesetz" und die Verfolgung der Christen, was wir hier ausblenden können.)

Hartmut Freytag, Quae sunt per allegoriam dicta. Das theologische Verständnis der Allegorie in der frühchristlichen und mittelalterlichen Exegese von Gal 4,21–31, in: Verbum et Signum, Festschrift Friedrich Ohly, hg. von Hans Fromm u.a., München 1975, Bd.1, S. 27–43.

Hans-Josef Klauck, Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten, (Neutestamentliche Abhandlungen NF 13), Münster 1978, S. 116–123.

Ein mittelalterliches Beispiel: Bernhard von Utrecht: Kommentar zur »Ecloga Theoduli«

Edition: Bernard d’Utrecht: Commentum in Theodolum (1076-1099). Édité par R.B.C. Huygens. Centro italiano di studi sull’alto Medioevo, Spoleto 1977. (Biblioteca degli »Studi Medievali« VIII.) — Der Text der Ecloga in GROSSBUCHSTABEN, der Text von Bernardus in normaler Schrift. Textbasis ist 1.Samuel 16,14–23. (https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/1sam16.html)

Historia David et Saulis

DASS NICHT DES KÖNIGS, nämlich Sauls, den Samuel den nach einem König verlangenden Israeliten [als solchen] vorangestellt hatte, KÖRPER EIN BÖSER RÄUBER QUÄLE: Denn nachdem er [Saul] – gegen das Gebot Gottes – Agag, den König von Amalek, verschont und das Bessere der Beute behalten hatte, wurde er von einem bösen Geist befallen.

DAFÜR SORGTE MIT HILFE DER MUSE DER SAITEN [-INSTRUMENTE], das heisst, mit Hilfe des Wohlklangs EIN HARFENSPIELENDER KNABE, das ist David, der Sohn Isais, der vorzüglich die Harfe spielen konnte.

Diejenigen, die über die Musik schreiben, sagen nämlich, dass ihre Wirksamkeit so gross sei, dass sie Dämonen besänftige und gewisse Krankheiten lindere.

DESSEN [DAVIDS] BESCHÄFTIGUNG BESTAND DARIN, DAS FELL DER SCHAFE ZU SCHEREN. Zuerst war er nämlich Schafhirt gewesen, und darauf wurde er aufgrund seiner Kunstfertigkeit an den Königshof berufen.

NACH EINEM KLEINEN ZEITABSCHNITT, das heisst, kurze Zeit später, NAHM SEINE RECHTE DAS SZEPTER AN SICH: Gott salbte ihn nämlich, weil er rechtschaffen war, durch Samuel zum König. Soviel zur Geschichte.

Allegoria

Allegorisch [aufgefasst] jedoch ist David Jesus Christus, der darin vom Vater gesandt wurde, die bösen Geister Sauls zu besänftigen, dass er gesandt wurde, das Menschengeschlecht zu erretten, welches durch das Verschulden des Urvaters sich in Raserei befand, indem es Dämonen verehrte.

Er besänftigte im weiteren mit seiner Harfe den Wahnsinn Sauls darin, dass er die sich gegen ihn wendenden Juden durch eine äusserst kluge Antwort, die das Gesetz selbst bereithält, in die Schranken wies:

Seine BESCHÄFTIGUNG nämlich BESTAND DARIN, DAS FELL DER SCHAFE ZU SCHEREN, das heisst, den Überfluss an Lastern, die die Schöpfung [in Form von Geschwüren] brannten, durch die Schere [das Brenneisen] der Züchtigung zu entfernen.

Nachdem er im weiteren Goliath überwunden hatte, kam er gegen den Willen Sauls NACH EINEM KLEINEN ZEITABSCHNITT zur Königswürde, denn: nachdem er über den Todesfürsten triumphiert hat, regiert er – gegen den Willen der Ungläubigen – über den Stamm Juda, d.h. diejenigen, die sich zu seinem Namen bekennen.

Die Tochter Sauls aber, die er [David] für die Tötung Goliaths zur Frau bekam, kann zu Recht als das der Leib Christi ausgelegt werden, den er aus dem Stamm der Juden angenommen hat, oder auch als die Kirche, die aus beiden Völkern hervorgegangen ist.

Darstellung mit deutscher Übersetzung: Ruth Affolter-Nydegger, In bukolisches Gewand gekelidete Heilsgeschichte, in: Significatio. Studien zur Geschichte von Exegese und Hermeneutik II, hg. von Regula Forster / Paul Michel, Zürich: Pano Verlag 2007, S. 271–315.

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Umkehrung statt Steigerung: Eva — Ave

Justinus (vor Mitte 2. Jh), »Dialogus cum Tryphone Judeo«:

Eva gebar nach dem Empfangen des Wortes von der Schlange Sünde und Tod – Maria, von der Ankündigung Gabriels Freude und Glauben empfangend, gebar Jesus; dieser ist durch die Jungfrau Mensch geworden, damit der Ungehorsam auf dem gleichen Weg zunichte werde, auf dem er, von der Schlange verursacht, seinen Anfang nahm.

Hymnus »Ave maris stella« (8./9.Jh.):

Sumens illud AVE
Gabrielis ore
funda nos in pace
mutans nomen EVAe.
Jenes AVE hast du genommen
aus Gabriels Mund*;
festige uns im Frieden,
indem du Evas Namen umdrehst.


*) vgl. Lukas 1,26ff.

Bernhard von Clairvaux:

Crudelis nimium mediatrix Eva, per quam serpens antiquus pestiferum etiam ipsi viro virus infundit; sed fidelis Maria, quae salutis antidotum et viris et mulieribus propinavit. Illa enim ministra seductionis, haec propitiationis; illa suggessit praevaricationem, haec ingessit redemptionem.

≈ Eine grausame Mittlerin ist Eva, durch die die alte Schlange auch dem Mann das Gift eingeträufelt hat. Doch getreu ist Maria, die das Gegengift des Heils Männern wie Frauen bereitet hat. Jene war Dienerin der Verführung, diese der Sühne. Jene reizte zum Ungehorsam, diese bereitete zur Erlösung.

Dominica infra Octavam Assumptionis sermo 2,2 (Opera V, 263); zitiert von Andreas Wollbold

Aus dem Stundenbuch der Katharina von Kleve (um 1400):

Berthold Furthmeyr (1478–1489):

Salzburger Missale. BSB Clm 51710. f. 60v
> https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00045166?page=127

Maria reicht den Gläubigen den Apfel des Lebens (Hostie): ecce panis angelorum, factus cibus viatorum (Sequenz zum Fronleichnamsfest) Eva bekommt von der Schlange die Frucht des Todes – und reicht sie weiter!

Der Evæ Schaden ersetzet Maria durch Jhr Kind.

Wie ein Weib uns hat verletzet — So hat uns ein Weib ergetzet [ent-schädigt, erfreut]

Johann Michael Dilherr, Hertz- und Seelen-Speise, oder emblematische Haus- und Reise-Postill, Nürnberg 1663.

Literatur speziell hierzu:

Ernst Guldan: Eva und Maria. Eine Antithese als Bildmotiv. Graz/Köln 1966.

Friedrich Kobler, Artikel "Eva – Maria", in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. VI (1970), Sp. 417–438 > https://www.rdklabor.de/w/?oldid=88833

https://www.uni-regensburg.de/bibliothek/...suende-und-verheissung....html

Anhang zur Buchstabensymbolik:

Stephan Fridolin O.F.M. (ca.1430–1498) möchte das Tetragramm JHWH auf den Namen von Jesus beziehen, was mit einigen Komplikationen verbunden ist. Er liest korrekt iod he vaf he, dann muss er aber Buchstaben abwandeln, damit er i.h.u.S hinbekommt. (h wohl für das griechische η):

....

»Schatzbehalter«, Nürnberg: Anton Koberger 1491; Fol. d3 vb – d5 ra

Das ist zufälligerweise gerade die erste Seite im Digitalisat des unvollstdg. Exemplars
> https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/is00306000/0005/

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Auf den Schultern der Propheten

Die Vorstellung, dass Zwerge auf den Schultern von Riesen weiter sehen als diese, hat eine lange Tradition:

Fruitur tamen aetas nostra beneficio praecedentis, et saepe plura novit, non suo quidem praecedens ingenio, sed innitens viribus alienis et opulenta prudentia patrum. — Dicebat Bernardus Carnotensis nos esse quasi nanos gigantium humeris insidentes, ut possimus plura eis et remotiora videre, non utique proprii visus acumine aut eminentia corporis, sed quia in altum subvehimur et tollimur magnitudine gigantea.
Johannes von Salisbury (*ca. 1115, † 1180) »Metalogicon« III, 4 (PL 199,900C = ed. Webb p. 136)

≈ Unser Zeitalter zieht Nutzen aus der Wohltat des vorangegangenen und weiss oft mehr, nicht wegen des eigenen trefflichen Scharfsinns, sondern weil es sich stützt auf fremde Mittel und die reichlich vorhandene Weisheit der Väter. — Bernhard von Chartres († nach 1124) sagte: »Wir sind wie Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen, so dass wir mehr und weiter Entferntes sehen können, nicht wegen der Schärfe unseres eigenen Sehvermögens oder der Größe des Körpers, sondern weil wir durch die Riesengröße in die Höhe gehoben werden.«

Robert K. Merton, Auf den Schultern von Riesen [engl. 1965], (stw 426), Frankfurt / M. 1983.

Auf diesem genialen Gleichnis beruht möglicherweise die ›typologische‹ Darstellung der auf den Schultern der (etwa 12 im NT genannten AT) Propheten stehenden 12 Apostel, wie hier in Bamberg:

oder hier in den Glasfenstern der Kathedrale von Chartres:

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Spezialfälle: ›Typologie‹ innerhalb des AT / innerhalb NT


••• Zwei AT-Szenen ›typologisch‹ parallelisiert:

die verderbenbringende und die heilbringende Schlange

Die Schlange verführt Eva und Adam zum Sündenfall (Gen. 3,6) Wer die die eherne Schlange anschaut, wird gerettet (Num. 21,8f.); Moses mit den Gesetzestafeln


Titelblatt von: Afbeeldingen der voornaamste historien, soo van het Oude als Nieuwe Testament door verscheide van de geestrykste en vermaardste tekenaars en plaatsnyders seer kunstig afgebeeld: […] Tot Amsteldam, uitgegeven door Nicolaus Visscher, met privilegie [um 1700].

••• Innerhalb des NT: Johannes und Jesus

Johannes der Täufer ist Vorläufer (prodromos) von Jesus, und die beiden stehen in einem Steigerungsverhältnis.

Einerseits: Johannes ist (wie Jesus) Opponent gegen die (die buchstäbliche Erfüllung der Gebote verlangenden) Pharisäaer und gegen die (hellenistisch-diesseitig gesinnten) Sadduzäer, die er beide als Natternbrut / Otterngezücht (Matth 37, vgl. Jes. 59,5) bezeichnet. Er legitimiert Jesus (Joh 1,15; 1,29) explizit.

Anderseits: Jesus und seine Jünger brechen das Fasten, das die Pharisäer und die Johannesjünger gemeinsam halten (Mark 2, –-22); Johannes gehört nach dem Wort Jesu noch zur alten Weltzeit, wenn auch an ihre Grenze (Matth 11,7–19). Johannes sagt: (Matth. 3,11f.): Der der nach mir kommt, ist stärker. Johannes tauft mit dem Wasser, der Messias dann mit Feuer.

 

••• Innerhalb des NT: Elisabeth und Maria

Der unfruchtbaren Elisabeth (Gattin von Zacharias), wird durch den Engel Gabriel die Geburt von Johannes verkündigt, und sie gebiert ihn. (Lukas 1,5–25)

Der Jungfrau Maria wird durch den Engel Gabriel die Geburt von Jesus verkündigt, sie empfängt ihn, überschattet vom Heiligen Geist (Luk 1,35) und gebiert ihn. (Lukas 1, 26ff.)

Die Parallelität wird im Bildmotiv der sog. "Heimsuchung / Visitatio" (Lukas 1, 39–56) schön imaginiert:

Wonnentaler Graduale der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe
> http://digital.blb-karlsruhe.de/content/zoom/208648:

Vgl. WWW.stiftneumünster.at

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Verwandte Formen

Paradigmengebet

Dabei handelt es sich um einen Gebetstyp, bei dem sich der Gläubige auf eine analoge historische Situation beruft, in der sich Gott bereits als gnädig erwiesen hatte, wobei die Konstanz von Gottes Barmherzigkeit angenommen wird (vgl. Psalm 25,6). Wie bei der Typologie wird Bezug genommen auf eine ähnliche Figuration, aber es handelt sich nicht um Steigerungsverhältnis. 

••• Während des seleukidischen Feldzugs gegen die Makkabäer unter Gorgias sind die Israeiten schlecht ausgerüstet. Judas Makkabäus sagt zu seinen Männern:

Denkt daran, wie unsere Väter im Roten Meer gerettet wurden, als der Pharao sie mit seinem Heer verfolgte. Lasst uns den Himmel anrufen, dass er uns gewogen ist … (1. Makkabäer 4,9) vgl. Flavius Josephus Antiquitates XII, vii, 3–4

••• Mit diesem Gebet wird – cum in agone sui exitûs anima anxiatur – die Seele des Sterbenden der Barmherzigkeit Gottes anbefohlen (›commendatio animae‹):

Libera, Domine, Servum tuum, sicut liberasti Noe de diluvio. Amen. – Befreie, Herr, deinen Diener, wie Du Noach aus der Flut befreit hast.

Libera, Domine, Servum tuum, sicut liberasti Abraham de Ur Chaldaeorum. Amen.– Befreie, Herr, deinen Diener, wie Du Abraham aus Ur in Chaldäa befreit hast.

Libera, Domine, Servum tuum, sicut liberasti Moysen de manu Pharaonis. Amen. – Befreie, Herr, deinen Diener, wie Du Mose aus der Hand des Pharao befreit hast.

Libera, Domine, Servum tuum, sicut liberasti Danielem de lacu leonum. Amen. – Befreie, Herr, deinen Diener, wie Du Daniel aus der Löwengrube befreit hast.

Libera, Domine, Servum tuum, sicut liberasti Tres pueros de camino ignis ardentis et de manu regnis iniqui. Amen.– Befreie, Herr, deinen Diener, wie Du die drei Jünglinge aus dem Feuerofen und aus der Hand des ungerechten Königs befreit has.

Libera, Domine, Servum tuum, sicut liberasti Petrum et Paulum de carceribus. Amen. – Befreie, Herr, deinen Diener, wie Du Petrus und Paulus aus dem Gefängnis befreit hast.

> http://www.preces-latinae.org/thesaurus/Varia/CommendatioAnimae.html

Liturgie

Osternachtsliturge (Die häufigen Veränderungen der Liturgie können hier nicht berücksichtigt werden; Basis ist der Text von 1941). Am Karsamstag ziehen alle in Prozession durch die noch dunkle Kirche. Der Diakon singt das Osterlob (Exsultet, ein Prosagedicht aus dem 4.Jh.), darin:

Haec nox est,
in qua primum patres nostros, filios Israel,
eductos de Aegypto, gottfried
Mare Rubrum sicco vestigio transire fecisti.

≈ Dies ist die Nacht, die unsere Väter, die Söhne Israels, aus Ägypten befreit und auf trockenem Pfad durch die Fluten des Roten Meeres geführt hat.
> https://www.vivat.de/magazin/jahreskreis/ostern/exsultet-osterlob/

Der Untergang der Ägypter und der Kreuzestod Christi werden unter dem Gesichtspunkt der Überwindung des Bösen miteinander verbunden. Biblischer Bezug: 2.Mos. 14,15 – 15,21.

14,26 Aber der HERR sprach zu Mose: Recke deine Hand aus über das Meer, dass das Wasser wiederkomme und herfalle über die Ägypter, über ihre Wagen und Reiter. 27 Da reckte Mose seine Hand aus über das Meer, und das Meer kam gegen Morgen wieder in sein Bett, und die Ägypter flohen ihm entgegen. So stürzte der HERR sie mitten ins Meer. 28 Und das Wasser kam wieder und bedeckte Wagen und Reiter, das ganze Heer des Pharao, das ihnen nachgefolgt war ins Meer, sodass nicht einer von ihnen übrig blieb.

Literaturhinweis: Karl-August Wirth (1927–2013), Durchzug durch das Rote Meer, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. IV (1955), Sp. 612–634
> https://www.rdklabor.de/w/?oldid=93092

Präfigurationen des Messopfers

Aus einer altdeutschen Pedigt:

Also Ysaac von sins vater swerte da niht erslagen wart, sunder er sluoc unde opfert ainen wider da fur in, also enwirt ouch nu der heilige Christus niemere gecruceget, sunder man ophert da nu tageliches fur in brot und win, also er vil lieber herre selbe sinen jungern da gab, unde ist ouch dar an zware, also er uns gehaizen hat, sin slbes lip.

Altdeutsche Predigten, hg. Anton Schönbach, Ditter Band, Graz 1891; Nummer 97 (S.223ff).

Typologisches in der Predigt

Einer Predigt zum Osterfest fügt der lutherische Pastor Johann Michael Dilherr (1604–1669) pseudo-emblematisch das Bild des vom großen Fisch ausgespienen Jonas bei (vgl. Matthäus 12,40):

Der Wallfisch Jonam wiedergibt;
Die Erd den HERRN: sey unbetrübt!

Jonas JEsu Fürbild.

Gleichwie Jonas kommen must/
aus deß Wallfischs Bauches Wust:
    Also muste wiederkommen/
    aus dem Grab/ das Haubt der Frommen.

Johann Michael Dilherr, Augen- und Hertzens-Lust. Das ist/ Emblematische Fürstellung der Sonn- und Festtäglichen Evangelien : In welcher zu finden Erstlich/ der Inhalt der Evangelien; Zum Andern/ die fürnehmste darinnen enthaltene Lehren; Zum Dritten/ ein darauf gerichtetes Gebethlein; Zum Vierdten ein Lied/ so auf das Evangelium/ und auf das Emblema/ oder Sinnbild/ gerichtet, [Nürnberg]: Endter, 1661.
> http://digital.slub-dresden.de/id379774372/1

Buchtitel

Hier links die Gesetzestafeln, garniert mit Totenkopf usw. — rechts das aufgeschlagene Neue Testament mit dem Kreuz Christi usw.:

Pieter van der Borcht, Emblemata Sacra, e præcipuis utriusque Testamenti Historiis concinnata, ed. Jan Philipszoon Schabaelje 1653.

Conrad Meÿer (Zürich 1618–1689) zeigt auf dem Titel seiner Radierungen zur Bibel links Moses mit der rettenden ehernen ehernen Schlange — rechts den Gekreuzigten:

Uber unsers H. Jesu Christi Leiden, Tod und Aufferstehung etc. Geschichtmässige Figuren, durch Conrad Meÿer von Zürich [o.D.]
> https://doi.org/10.3931/e-rara-11846

Wie gut sie zusammenpassen

Engel mit aufgeschlagener Bibel, darunter der Text: QVAM BENE CONVENIVNT (Wie gut sie zusammenpassen)

Rosa Micus, Das Bildprogramm in Regensburg, St. Oswald. Ein katechetischer Bildzyklus regensburgisch-lutherischer Prägung, in: das münster, Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft, 63. Jahrgang/3/2010, Abb 6.

... und doch sind sie verschieden

Zwei Glasfenster im nördlichen Steinschiff der Lutherkirche »Temple Madeleine« in Genf (vermutlich von Alexandre Mairet, vor 1930):

     

Die Taube bringt Noah den Ölzweig

Der Abendmahlskelch
Die Gesetzes-Tafeln von Moses Die beim NT aufgeschlagene Bibel
Der Siebenarmige Leuchter Ährenlesen am Sabbat (Joh. 12,24)?


(Foto von P.M.; Dank an Rosa Micus für die Hinweise!)

••• Moses – Messias

Jakob Böhme (1575–1624) verfasste 1623 eine Auslegung der Schöpfungsgeschichte; der erste Druck ist dieser:

Mysterium Magnum, Oder Erklärung über das Erste Buch Mosis, Von der Offenbahrung Göttlichen Worts durch die drey Principia Göttliches Wesens, auch vom Ursprung der Welt und der Schöpffung: Darinnen Das Reich der Natur, und Das Reich der Gnaden erkläret wird. Zu mehrerm Verstande des Alten und Neuen Testaments, was Adam und Christus sey ... / Beschrieben durch Jacob Böhme, sonst genant Teutonicus Philosophus, Amsterdam 1682. [805 Seiten]

Titelbild: Einer der apokalyptischen Engel enthüllt mit seiner Posaune das strahlende Antlitz (vgl. Exodus 34,33) von Moses, der eine Himmelssphäre mit den Tierkreiszeichen hält, und verweist ihn mit der rechten Hand auf Jesus (mit Lilie in der Hand, vgl. Matth 6,28ff.), der in einem Zodiac-Kreis (ohne Tierkreiszeichen) steht. Die Typologie wird unterstützt durch die Wörter Moses – Messias.

> https://www.jacob-boehme.org/de/Mysterium-Magnum-1.html

> http://www.boehme.pushpak.de/mysterium-magnum/ (Mit deutscher Übersetzung des Texts und dem Titelbild der Ausgabe Amsterdam 1682)

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Ausserbiblische Parallelen

Es wurden nicht nur biblische Texte als Präfigurationen verwendet, sondern auch heidnisch-antike sowie solche aus der Natur.

(A) Heidnische Antike als Präfiguration

Dass auch die •heidnische Mythologie typologische Bezüge zum NT haben kann, begründet sich damit, dass die Heiden Miterben (Epheser 3,6) der Verheissung sind.

••• Erstes Beispiel aus dem Speculum humanae salvationis

Zur Kreuzigung (auf dem Blatt links, hier nicht gezeigt):

Speculum humanae salvationis, Cod. Karlsruhe 3378
> https://digital.blb-karlsruhe.de/blbhs/content/pageview/29232

Das obere Bild zeigt den sagenhaften griechischen König Codrus, der von Apoll erfuhr, dass Athen vor der Einnahme durch die Feinde gerettet werde, wenn er durch Feindeshand umkomme. Das wurde aber auch bei den Feinden bekannt, die anordneten, dass niemand Codrus verwunden dürfe. Daraufhin legte Codrus die königlichen Insignien ab und zog einfache Kleider an (depositis insigniis imperii famularem cultum induit: Parallele zur Menschengestalt des Gottessohns), begab sich in den Kampf, wurde erschlagen und so die Stadt gerettet. Quelle: Valerius Maximus, »Facta et dicta memorabilia«, V,vi, ext.1

(Das untere Bild zeigt die Szene aus 1. Makkabäer 6,44–46: Eleazar läuft unter einen Kriegselefanten aus dem Heer der Seleukiden, ersticht diesen und kommt dabei selbst ums Leben. Vgl. K.-A.Wirth in RDK IV (1957), Sp.1215–1221 > https://www.rdklabor.de/wiki/Eleasar )

••• Zweites Beispiel: Odysseus am Mastbaum

Homer, »Odyssee«, 12. Gesang: Odysseus lässt sich am Mastbaum festbinden und den rudernden Gefährten die Ohren mit Wachs verstopfen, damit sie die Sirenen nicht hören. Ovid zitiert die Episode in den »Metamorphosen« V, 551–563.

Antikes Mosaik; Tunis, Bado Museum (im WWWeb x mal zu finden)

Sarkophag aus der Krypta der hl. Lucina in Rom:

aus: Franz Xaver Kraus, Roma Sotteranea, Freiburg i.Br. 1873, Abb. 46.

(Evtl. zu bedenken: Die Christen haben ihr Bekenntnis zur Zeit der Verfolgungen kryptisch dargestellt, z.B. mittels Darstellung eines Fisches, wobei das griech. Wort IXΘYΣ ein Akronym ist für Ἰησοῦς Χριστὸς Θεοῦ Υἱὸς Σωτὴρ ≈ Jesus Christus, Gottes Sohn, Erlöser. (Vgl. Augustinus, Civitas Dei XVIII,23)

Ambrosius (339–397), Lukaskommentar IV,2 … Wer Christi Stimme vernimmt, braucht nicht Schiffbruch zu fürchten, nicht wie Ulixes mit physischen Stricken an den Mastbaum gebunden, sondern mit geistigen Banden an das Kreuzesholz geheftet werden, um nicht von den Lockungen der Lüste betört zu werden und das Lebensschifflein in die Gefahr der Lust hineinzusteuern.

Maximus von Turin († um 420):

Si ergo de Ulysse illo refert fabulIa, quod eum arboris religatio de periculo liberavit: quanta magis praedicandum est quod vere factum est, hoc est, quod hodie omne genus hommum de mortis periculo crucis arbor eripuit? Ex quo enim Christus Dominus religatus in cruce est, ex eo nos mundi illecebrosa discrimina velut clausa aure transimus.

Honorius Augustodunesis (1. Hälfte 12.Jh.), »Speculum ecclesiae« PL 172, 857A

Ulixes dicitur sapiens. Hic illaesus praeternavigat, quia christianus populus vere sapiens in navi Ecclesiae mare huius saeculi superenatat. Timore Dei se ad arborem navis, id est ad crucem Christi ligat. Sociis cera, id est incarnatione Christi, auditum obsigillat, ut a vitiis et concupiscentiis cor avertant et sola caelestia appetant. Sirenes submerguntur, quia concupiscentiae ab eis vigore spiritus praemunitur. Ipsi illaesi evadunt periculum, quia per victoriam ad Sanctorum perveniunt gaudia.

Vgl. dazu Hugo Rahner, Symbole der Kirche, Salzburg 1964, S.230–271 (dort die Zitate).

••• Drittes Beispiel, aus einer Handschrift des Ovide moralisé (um 1400):

Paris, Bibliothèque nationale de France, Département des manuscrits, Français 871
> https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b9009482b

Ovid Bibel
Eine Gottheit erschafft alles aus dem Chaos Die Schöpfung (Land und Wasser, Pflanzen, Tiere, ein Haus)
Prometheus reicht dem von ihm aus Lehm geschaffenen Menschen* das Feuer**, um ihn zu beleben. Gott ›baut‹ Eva aus der Seite des von ihm aus Erde erschaffenen Adams, diesem zur Hilfe. (Genesis 2,20f.)


* ) Ovid, Metamorphosen I,80ff. — **) Die Geschichte, dass Prometheus den Lehm mit Feuer belebt, steht freilich bei Apollodor, Biblotheke I,45 und Fulgentius, Mythologiae II,vi

Hinweis bei Friedrich Ohly, Typologie als Denkform der Geschichtsbetrachtung, Schiftenreihe der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Heft 7 (1982/83).

••• Viertes Beispiel: Orpheus – Christus

Petrus Berchorius (Ende 13. Jh. – nach 1361) bezieht im »Ovidius moralizatus« (unter sehr vielen anderen typologischen Auslegungen) die Geschichte vom Hadesbesuch des Orpheus bei Ovid Met. 10,1–75 so:

Dic allegorice, quod Orpheus filius Solis est Christus filus dei patris ...

Deute allegorisch, dass Orpheus, der Sohn der Sonne, Christus, der Sohn Gottvaters, ist, der von Beginn an Eurydice, d. h. die menschliche Seele, durch seine große Liebe zur Frau nahm und sie durch ihren uranfänglichen Wesensvorrang mit sich verband. Die Schlange, d. h. der Teufel, biss mit seiner Versuchung die frisch Vermählte, d. h. die neu Erschaffene, als sie Blumen pflückte, d. h. nach dem verbotenen Apfel griff, und tötete sie durch Sünde und schickte sie schließlich in die Hölle. Als Orpheus, d.h. Christus, dies sah, wollte er in eigener Person in die Hölle °° hinabsteigen und seine Gattin, d.h. die menschliche Seele, zurückerhalten. Und so führte er sie, nachdem er sie dem Reich der Finsternis entrissen hatte, mit sich hinauf mit jenem Wort aus Cant. 2,10: ›Steh auf meine Freundin und komm!‹

Dieter Blume / Christel Meier-Staubach, Petrus Berchorius und der antike Mythos im 14. Jahrhundert: Bd. 1 Die Metamorphosen Ovids in der Deutung des Petrus Berchorius und in den italienischen Bildzyklen des 14. Jahrhunderts. Bd. 2 Der ›Ovidius moralizatus‹: Ausgabe, Übersetzung, Kommentar, de Gruyter 2021. – 10. Buch, fabula prima, S.283.

Johannes Bolland (1596–1665) und andere Verfasser:

Johannes Bolland, Jean de Tollenaer [et alii], Imago primi saeculi Societatis Iesu, a prouincia Flandro-Belgica eiusdem Societatis repraesentata Antwerpen: Plantin 1640. S. 463.
> https://archive.org/details/imagoprimisaecul00boll

Wenn Orpheus die in die Unterwelt versenkte Gattin mit seinem Saitenspiel ° zurückrufen konnte – warum soll dann nicht die Cithara Jesu* das Geschick der Menschen wenden?

*) CITHARA IESU ist ein Anagramm für EUCHARISTIA

Erläuterungen:

°) Vergil, Georgica IV 458 (Eurydike hydra non vidit in herba); 464 Orpheus schlägt zu seinem Trost die Leier (cava testudo), erstaunt über den Gesang von Orpheus schweben die Schatten und selbst Cerberus aus der Unterwelt hervor. — Ovid erzählt die Geschichte in den Metamorphosen X,1–85 etwas anders; hier singt Orpheus nach der Episode dann zur Leier (temptavit pollice chordas 145).

°°) Die Vorstellung der Höllenfahrt Christi basiert im wesentlichen auf dem apokryphen Evangelium Nicodemi, ist indessen über das im katholischen Katechismus (1566) formulierte »Apostolische Glaubensbekenntnis« weit verbreitet: descendit ad inferos; tertia die resurrexit a mortuis ≈ niedergestiegen zur Hölle, am dritten Tage wieder aufgestanden von den Toten

Das Zitat unter dem Bild:

Vergil, Aeneis (VI,119f.)
si potuit Manes arcessere coniugis Orpheus,
Threicia fretus cithara fidibusque canoris

≈ so wie Orpheus die Manen der Gattin herbeiholen konnte im Vertrauen auf das Saitenspiel seiner trakischen Cithara — Das sind Worte der Bitte von Aeneas an die Sibylle, mit ihrer Hilfe in die Unterwelt zu gelangen, wo er seinen Vater wiedersehen möchte

Hingewiesen sei auf das Theaterstück von Calderón »El divino Orfeo« (1634 und 1663) zum Fronleichnamsfest (Festtag für die Eucharistie).

••• Fünftes Beispiel: Das (breit überlieferte und oft kommentierte) Gedicht »Ecloga Theoduli« von Theodulus (10. Jh.) ist ein Dialog zwischen Pseustis (Lügner) und Alithia (Wahrheit), zu dem Phronesis (Verständigkeit) als Richterin beigezogen wird. Pseustis stellt jeweils eine Episode aus der heidnischen Mythologie dar, der Alithia eine aus dem Alten Testament gegenüberstellt. 29 Strophenpaare zu je 4 Versen.

Auf dem Bild hält Pseustis einen Dudelsack (im lat. Text die für Hirten typische fistula), Alithia hält Davids Harfe; ein Bach trennt die beiden; hinten kommt Phronesis herbeigeeilt.

Egloga Theoduli, Liptz [Leipzig]: Conradus Kachelouenn 1489.
> https://digital-stadtbibliothek.luebeck.de/viewer/image/1410941833623/4/

Ein Textbeispiel (Vers 69ff.) :

PSEUSTIS

Venit ab Oceano submergens cuncta vorago;
Tellus cessit aquæ, periit quod vixerat omne;
Deucalion homines, præter quem nemo superstes,
Cum Pirra iactis renovavit coniuge saxis.

Aus dem Ozean kam ein Schwall, der alles ertränkte.
Erde wich dem Wasser, zugrunde ging alles, was lebte.
Deukalion, der allein von allen am Leben geblieben,
rief die Menschheit zurück, mit Pyrrha werfend die Steine.

[Wegen der Verbrechen der Menschen überflutete Jupiter die Erde und ließ nur die gerechten Deukalion und Pyrrha in einem Schifflein fahrend am Leben; sie werfen nach der Landung Steine über die Schultern und schaffen so eine neue Menschheit. Ovid, Metamorphosen I,262ff.]

ALITHIA

Ultio digna Dei fontes disrupit abissi
Octavum Nœ servans in partibus arcæ;
Amodo ne talem patiantur sæcula cladem,
Visibus humanis per nubila panditur Iris.

Gottes berechtigte Rache riss auf die Fluten des Abgrunds,
rettend im achten Geschlecht im Gefüge der Arche den Noah;
aber dass nicht noch einmal solch Unheil die Menschheit erdulde,
wurde den Augen der Menschen der Regenbogen erschlossen.

[Genesis 6,1 – 9,17; acht gerettete Seelen nach 1Petr. 3,20]

Text-Edition: Theoduli Eclogam recensuit et prolegomenis instruxit prof. Dr. Joannes Osternacher...1902.
> https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k8407349

Übersetzung von Harry C. Schnur, Die Hirtenflöte. Bukolische Dichtungen von Vergil bis Geßner. Reclams Universal-Bibliothek No. 690, Leipzig 1978. (S.64–71)

Vgl. George Rigg's englische Übersetzung mit Kommentar
> https://www.medieval.utoronto.ca/research/online-resources/eclogue-theodulus-translation

Man fragt sich, warum Antonio Tempesta in der Illustration zur Ovidstelle im Hintergrund ein der Arche gleichendes Schiff zeigt, wo doch Ovid von einer kleinen Barke spricht (I,319: parva rate):

Metamorphoseon sive transformationum Ovidianarum libri quindecim, aeneis formis ab Antonio Tempesta florentini incisi […] a Petro de Iode Antverpiano in lucem editi Aº 1606.

Vgl. den Holzschnitt von Jost Amman in: Neuwe biblische Figuren deß Alten und Neuwen Testaments 1565

> https://www.digitale-sammlungen.de/en/view/bsb00083442?page=21

Berchorius (siehe oben) allegorisiert Ovids Überschwemmung so:

Dies kann so angewandt (allegari) werden, dass Gott manchmal auf wunderbare Weise aus Sündern Gerechte macht. Es steht nämlich fest, dass die Sintflut der Sünden (diluvium peccatorum) das Menschengeschlecht fast gänzlich vernichtet hatte und, weil daher die ganze Welt schon der gerechten Menschen beraubt war wegen der Sünde und alle aufgrund der Sintflut mit ihren Härten die Unschuld verloren hatten, war es notwendig, dass Deucalion, d. h. Christus, eben aus den Steinen, d. h. aus den verhärteten Sündern, Gerechte macht und diese durch Reue belebt und wiederherstellt.

(B) Phänomene der Natur als Präfiguration

Die Vorstellung von der Schöpfung als ›Buch der Natur‹, einem ›zweiten Buch‹ neben der Bibel, erlaubt auch den typologischen Beizug von Naturphänomenen.

••• Erstes Beispiel Ulrich von Lilienfeld, Concordantiae Caritatis (nach 1351)

Hier werden durchwegs auch Phänomene aus der Natur typologisch beigezogen; vgl. das unterste Bild:

Fol 21v. Vgl. den Text und die dt. Übersetzung in Douteil/Suntrup Band 1, S.44/45 sowie den Quellenapparat Band 2, S.26/27 !

NT: Nach der Taufe Jesu erscheint eine Taube (Lukas 3,21)

Das Bild ist umgeben mit Hnweisen auf vier AT Bibelstellen.

Moses wusch Aaron mit Wasser (Exodus 29,4) Elisäus goss Wasser über die Hände von Elias (4.Reg.[= 2.Könige] 3,11ff.)
Der Hirsch, wenn er sein Geweih erneuern will, verschluckt zunächst eine giftige Schlange und trinkt dann kaltes Wasser und wird wieder jung.*** Der alt gewordene Adler fliegt der Sonne entgegen und stürzt sich dann ins Wasser und wird wieder jung

***) Plinius und Aristoteles sagen über den Hirsch: Wenn er sein Geweih erneuern will, dann verschluckt er zunächst eine giftige Schlange, läuft zu kaltem Wasser und wird dort so jung, als sei er neu geboren. ¶ So tat auch Christus: Denn als er uns von den alten Hörnern der Überheblichkeit unserer Ureltern, die vom Ungehorsam schwer geworden waren, durch sein Erbarmen befreien wollte, da hat er eine giftige Schlange, d.h. den Körper unserer Sterblichkeit und der Sünde, angenommen; an kalten Wassern, d.h. indem er zu unserem Nutzen die Wasser der Taufe heiligte, hat er die alt gewordenen Hörner der Erbsünde und der eigenen aktuellen Schuld von uns weggenommen und uns die Jugend, d.h. die ursprüngliche Unschuld, wiederhergestellt; so sollen wir die gesunden Wasser der Taufe und der Buße besitzen und, in ihnen gereinigt, im Herrn wiedergeboren werden.

Herbert Douteil, Die Concordantiae caritatis des Ulrich von Lilienfeld. Edition des Codex Campililiensis 151 (um 1355) und Übersetzung, hg. von Rudolf Suntrup, Arnold Angenendt und Volker Honemann. Mit Farbfaksimile der Illustrationen. Band 1: Einführungen, Text und Übersetzung. Band 2: Verzeichnisse, Quellenapparat, Register, Farbtafeln der Bildseiten der Handschrift, Münster 2010.

> https://de.wikipedia.org/wiki/Lilienfelder_Concordantiae_caritatis (mit Link zum Digitalisat Lilienfeld Hs 151)

Siehe den Aufsatz von Rudolf Suntrup.

••• Zweites Beispiel: Franz von Retz, »Defensorium«

Franz von Retz, O.P. († 1427) verfasste das »Defensorium inviolatae virginitatis Beatae Mariae«.

Thema ist, dass Maria ohne Verlust der Jungfrauschaft Jesus empfangen und geboren habe. Der Satz steht seit alters in den christlichen Glaubensbekenntissen, wurde indessen immer wieder angezweifelt.

(Es geht nicht um die "unbefleckte Empfängnis von Maria", die bei der Zeugung durch ihre Eltern von der Erbsünde frei (immaculata) blieb. Dieser Glaubenssatz wurde – nachdem er bereits 1439 und öfters erwogen wurde – erst 1854 als Dogma fixiert.)

Wunderbare, aber bezeugte Begebenheiten, bzw. Gesetzlichkeiten aus der
∆ Naturkunde,
∆ Szenen der heidnischen Mythologie und der
∆ Profan-Geschichte und aus dem
∆ Alten Testament
dienen als Beweisgründe für diesen Glaubenssatz nach dem Muster ›si x,cur non M?‹ ≈ »Wenn das möglich ist, warum sollte nicht auch eine Jungfrau empfangen und gebären?‹.— Je nach Handschrift / Druck werden bis 60 solche Beweisgründe vorgebracht.

Die Gedankenfigur der Typologie wird mithin über die biblische Geschichte hinaus ausgeweitet.

Faksimile des undatierten Blockbuchs, Saragossa, hg. Wilhelm L. Schreiber, Weimar 1910. Blatt 6.

AT: Si retro gradiente sole vita regis [Hiskia] apparet cur alio opere naturae virgo non generaret? (4 Reg = 2. Kön. 20, 10f)
Myth.: Si Diana [richtig: Danaë] aureae pluviae igne praegnans claret cur spiritu sancto gravida virgo non generaret. (Augustinus, de civitate Dei, II,vii)
AT: Der grünende Stab Aarons: Germinabit virga eius quam elegero (Num. = 4. Mos. 17 [nicht 11!]) Natur: Si concha rore desuper perlis fecunda claret .  cur rorante pneumate virgo non generaret? in libro animalium. ysidorus libro xvij. capitulo xxxiiij.  *

 
*) Über die Conchae margaritiferae scheibt Isidor [richtig: Etym. XII, vi, 49]: De quibus tradunt hi qui de animantium scripsere naturis [eo] quod nocturno tempore litora appetant, et ex caelesti rore margaritum concipiunt.

Schreiber teilt »kuriose gereimte Übersetzungen« anderer Ausgaben mit:

Mochte Dana in eynem gulden regen
entfahen von eynem apgot in eynem thorne
[Turm]
So mag auch maria geberen
jr liebes kindt ane windes sturme.

Kan des clares luftes tauwe
perlin swanger sachen [verursachen oder verschrieben für machen?]
So mag got mit tugent auwe [hinwieder, ebenso]
berhafft [fruchtbar] sine mutter machen.

Defensorium immaculatae virginitatis. Mit 59 kolorierten Holzschnitten. Faksimileausgabe der Ausgabe des in der Bayerischen Nationalbibliothek München befindlichen Originals um 1470. Mit Beiheft von Kurt Pfister, Leipzig: Insel-Verlag 1925.

Hans Folz († 1513) hat solche Gedanken in ein Meisterlied umgesetzt:

Maria, jungfraw here,
hillff daz ich wird vnd ere
der keuscheit dein bewere
durch schrifft     vnd durch naturlich pillden!
der got jovis jm segen
der dianen det pflegen,
daz durch ein guldin regen
verprifft     ein frucht wart jn der wilden.
So ist natur jm geir so pur,     daz menlich kur
zu fruchten jn nit zwinget,
sunder keuschlich verpringet.
her jn pilich furdringet gestifft gotz jn der keuschen milden.

Maria, erhabene Jungfrau, hilf, dass ich die Würde und Ehre deiner Keuschheit durch schriftlich Überliefertes und durch Beispiele aus der Natur erweise! Der Gott Jupiter näherte sich im Segen [?] der Danae [nicht Diana!], so daß durch einen goldenen Regen ein Kind in der Einöde geboren wurde, wie schriftlich bestätigt ist. Die Natur ist im Geier so rein, daß kein männliches Zutun ihn zur Nachkommenschaft zwingt, sondern er es in Keuschheit vollbringt. Hierbei übertrifft ihn billigerweise Gottes Stiftung in der keuschen Barmherzigen.

Tuscia durch vnhulde
jn eim sib mit gedulde
drug wazer fur jr schulde;
dar mit     die schon jr keusch beweret.
[…]

Tuscia* trug, durch Gehässigkeit gezwungen, geduldig Wasser in einem Sieb [als Beweis] gegen ihre Schuld; damit bewies die Schöne ihre Keuschheit […]

Gedichte 1300–1500 nach Hss. und Frühdrucken, hg. von Eva und Hansjürgen Kiepe (Epochen der deutschen Lyrik, Band 2), dtv 4016, München 1972, S. 357f.

*) Die Vestalin Tuccia, des Inzests angeklagt, trug Wasser in einem Sieb als Beweis ihrer Keuschheit (Valerius Maximus VIII, i, abs.5; Augustinus, de civitate Dei X,16); vgl. das Emblem zur CASTITAS in Cesare Ripa, Nova iconologia. Paduva: Paolo Tozzi 1618
> https://archive.org/details/novaiconologia00ripa/page/76/mode/2up

Spezielle Literaturhinweise:

Klaus Grubmüller, Artikel "Franz v.Retz" in Verfasserlexikon Band 2 (1980), Sp.834–837.

Friedrich Zoepfl, Defensorium, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. III (1954), Sp. 1206–1218  > http://www.rdklabor.de/wiki/Defensorium (mit Aufzählung der Präfigurationen)

F. Vetter, Artikel "Defensorium", in Engelbert Kirschbaum / Wolfgang Braunfels u.a. (Hgg.), Lexikon der christlichen Ikonographie, Band 1 (1968), Sp. 499–503.

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Applikation biblischer Geschichte auf profane Herrscher/Situationen

In der Forschung gab es eine lange Diskussion, ob man von "halbbiblischen" Typologien reden dürfe. (Friedrich Ohly hatte diesen Ausdruck geprägt.)

Die Applikation ehrwürdiger biblischer Gestalten auf weltliche Herrscher dient dem Lob, der Legitimation. Die Inbezugsetzung kennt freilich nicht einen graduellen Unterschied wie bei den AT-NT-Typologien.

Der Übergang von typologischen Funktion (Bezug auf ehrenhafte Vorgängerfigur zwecks Höherschätzung der eigenen Person) zu exemplarischer Bezugnahme ist fließend.

Die Rhetorik kennt den Ausdruck "Vossianische Antonomasie": Der Eigenname einer hinsichtlich einer Eigenschaft besonders hervorragenden Person wird als Appellativ verwendet: Unser Nachbar ist ein zweiter Krösus. Es besteht kein Steigerungsverhältnis zur jüngeren Figur hin. Croeso ditior; Lynceo perspicatior; Oreste insanior; Ulysse dolosior. (Vgl. H. Lausberg, Handbuch der literarischen Rhetorik, München 1960, §§ 580ff.)

Im Hintergrund ist mitzubedenken die (eschatologisch konnotierte) Vorstellung einer Abfolge von Weltreichen / Zeitaltern:

  • Grundlegend ist der Traum Nebukadnezars (Buch Daniel 2,1–35), der von Daniel ausgelegt wird (36–45): die vierförmige Gestalt bedeutet vier Weltreiche.
  • Augustinus kennt sechs Weltalter und ein siebentes: die ewige Sabbatruhe (Civitas Dei, 22. Buch, Kap. 30 gegen Ende)
  • Verbreitet wurde die Vorstellung sicherlich durch die Enzyklopaedie von Isidor, Etymologiae, Lib. V, Cap. 38 [5] Aetas autem proprie duobus modis dicitur: […] mundi, cuius prima aetas est ab Adam usque ad Noe; secunda a Noe usque ad Abraham; tertia ab Abraham usque ad David; quarta a David usque ad transmigrationem Iuda in Babyloniam; quinta deinde [a transmigratione Babylonis] usque ad adventum Salvatoris in carne; sexta, quae nunc agitur, usque quo mundus iste finiatur.

Die Bezugnahme auf David ist häufig, vgl. die Liste bei Eberhard Nellmann (1965), S. 275:

David auf der Reichskrone (vermutl. 2.Hälfte 10.Jh.):

Auf dem Spruchband: HONOR REGIS IVDICIVM DILIGIT (Psalm 98,4 Vg.) ≈ Das machtvolle Ehrenamt des Königs liebt das Recht.

> www.reichskrone.de/glanz.htm
> https://www.khm.at/objektdb/detail/100430/?offset=182&lv=list

> https://de.wikipedia.org/wiki/Reichskrone

Beispiel aus dem »Rolandslied« (um 1170; Verse 9040ff.):

Nune mugen wir in disem zite
dem chůninge Dauite
niemen so wol gelichen
so den herzogen Hainrichen.
got gab ime di craft,
daz er alle sine uinde eruacht.

Otfrid von Weißenburg († 875) widmet seine Evangelienharmonie König Ludwig dem Deutschen (Enkel Karls des Großen; reg. 843–876). Im Widmungsgedicht bezieht er den König auf David.

Vers 36ff.:
In imo erhugg ih thrato    Davides selbes dato:
   er selbo thulta ouh noti   ju manago arabeit …

In der Übersetzung von Gisela Vollman Profe:

Er erinnert mich unmittelbar an David:
Auch dieser hat in Bedrängnis vielfältige Mühe ertragen;
denn er hatte den festen Willen, männlich zu handeln – das zeigte sich dann auch ganz deutlich –,
ein wirklicher Kämpfer zu sein in vielen Gefahren.
Er erduldete viel Leid, solange Gott es so wollte;
das überwand er schließlich, wie es sich für einen Streiter Gottes ziemte.
Voller Gnade half ihm stets Gott, der Erhabene,
das sage ich dir wahrheitsgemäß, du kannst es selbst in der Schrift nachlesen.
Wir finden die gleiche Vollkommenheit, die gleiche Kühnheit
im Streben nach allem Guten wieder im Herzen Ludwigs.
Wahrlich, das verhehle ich dir nicht, in gleicher Weise duldete dieser
vielfältige Mühe und ertrug sie ebenso voller Sanftmut;
niemals gab er deshalb in seinem Inneren dem Hass Raum,
mit Geduld, wie er begonnen hatte, überwand er schließlich die Feinde.
Wenn es jemand unternahm, gegen ihn zu kämpfen,
so beschirmte ihn Gott sogleich voller Huld,
half ihm stets in Not und großer Bedrängnis,
erleichterte ihm alle seine Lebensjahre, die ihm sehr hart erscheinen mussten,
bis er ihn zum Ziel führte und ihm die Grenzen seines Reiches erweiterte.
Deshalb kann abgewogenes Urteil Ludwig mit David gleichstellen.
Auch David kam auf solche Weise an die Macht:
Er war Gott überaus lieb; ebenso erging es verdientermaßen Ludwig.
Jener lenkte das Volk Gottes erhaben und herrlich;
dies tut auch Ludwig fürwahr ununterbrochen in Gott wohlgefälliger Weise,
stets zu unserem Heil, in lauterer Gesinnung
jahraus, jahrein; dies sage ich dir wahrheitsgemäß.
David erfüllte voller Eifer, was Gott ihm gebot,
und festigte seine Herrschaft und das Reich in seinem ganzen Umkreis.

Otfrid von Weissenburg, Evangelienbuch [Auswahl], ahd./nhd., hg., übersetzt und kommentiert von Gisela Vollmann-Profe, (RUB 8384), Stuttgart 1987.

Johannes von Winterthur O.F.M. (ca. 1300 bis 1348) verfasste einen Bericht über die Schlacht am Morgarten (1315) (handschriftlich überliefert).

»Vitodurans ganze Schilderung der Kriegsvorbereitungen auf Seiten der Schweizer entpuppt sich als eine nur wenig veränderte Paraphrase einer biblischen Vorlage; sie ist im wesentlichen nichts anderes als eine Wiedergabe der im 4. Kapitel des Buches Judith enthaltenen Erzählung über die Vorkehrungen der Israeliten beim Herannahen des Holofernes.«

Friedrich Baethgen, Zu Johannes von Winterthurs Bericht über die Schlacht am Morgarten, in: Zeitschrift für schweizerische Geschichte = Revue d'histoire suisse, Band 3 (1923) S.106–110.
> http://doi.org/10.5169/seals-66481

Niccolò Machiavelli, »Il Principe«

Ich will hier noch an eine Figur aus dem alten Testamente erinnern, die sich zu diesem Zwecke schickt. Als David gegen Saul sich erbot, mit dem Philistäischen Raufer Goliath zu schlagen, legte Saul um ihm Muth zu machen ihm seine Rüstung an, die David sowie er sie an sich hatte zurück wies, und sagte, er könne in ihr sich nicht behaben und wolle darum den Feind mit seiner Schleuder und seinem Messer treffen. Mit Einem Wort: die fremden Waffen fallen dir entweder vom Leibe oder sie lasten auf dir oder sie klemmen dich. Karl der Siebente, König Ludwigs des Eilften Vater, nachdem er durch sein Glück und seine Tugend Frankreich von den Englischen befreit, erkannte diese Nothwendigkeit, mit eignen Waffen sich zu bewehren, und führte in seinem Königreiche den Kriegsfuß der Infanterie und Gensd’armen ein. Der König Ludwig, sein Sohn sodann hub das Fußvolk auf und fing an Schweizer in Sold zu nehmen, welcher Irrthum nebst andern, die ihm folgten, wie es sich in der That nun ausweist Schuld an dieses Reiches Gefahren war, denn die Ehre, die er den Schweizern gab, hat alle seine Soldaten entmuthigt.

Niccolò Machiavelli, Der Fürst ... nebst einer authentischen Beilage übersetzt von Gottlob Regis, Stuttgart/Tübingen: J.G. Cotta, 1842; 13. Kapitel (S.57)

Literatur speziell hierzu:

Eberhard Nellmann, Karl der Große und König David im Epilog des deutschen Rolandsliedes, in: Zs für dt Altertum und Literatur 94 (1965), S.268–279.

Hugo Steger, David Rex et Propheta: König David als vorbildliche Verkörperung des Herrschers und Dichters im Mittelalter, nach Bilddarstellungen des achten bis zwölften Jahrhunderts (Erlanger Beiträge zur Sprach- und Kunstwissenschaft 6) Nürnberg 1961.

Ueli Zahnd, Novus David. Zur Frage nach byzantinischen Vorläufern eines abendländischen Topos, in: Frühmittelalterliche Studien 42 (2008), S.71–85.

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Gesetz versus Gnade

••• Auf dem Titelblatt mehrerer Luther-Bibeln sowie auf Kanzeln, Epitaphien u.a.m. findet sich diese Darstellung. Hier ist kein typologisches Verhältnis gemeint, sondern die beiden Epochen (unter dem Gesetz | unter der Gnade) werden einander gegenübergestellt. Hier ein Holzschnitt von Erhard Altdorfer:

De Biblie uth der uthlegginge D. Martini Luthers yn dyth düdesche ulitich uthgesettet ... Lübeck: Dietz 1533/1534
> http://nbn-resolving.de/urn/resolver.pl?urn

Moses empfängt die Gesetzestafeln

Sündenfall

Skelett auf einem Sarg

der Baum auf dieser Seite ist dürr

der Engel Maria; die Geburt Jesu

der Gekreuzigte

die Auferstehung

der Baum auf dieser Seite ist belaubt

Der Mensch in der Mitte soll sich der Gnade zuwenden.


Auf der Seite des AT ist der Aspekt Gottes als eines fordernden und strafenden dargestellt; auf der Seite des NT der Aspekt des schenkenden, gnädigen. Das ist gemäß Luthers Lehre keine Alternative. Gesetz und Evangelium gehen zusammen. Das Gesetz zeigt die grundsätzliche Sündhaftigkeit auf, es rüttelt auf, treibt zu Christus hin, der die Sünden gnadenhaft vergibt und der im gläubigen Menschen das vom Gesetz geforderte Gute tut. Das Evangelium tröstet nur den, der durch das Gesetz seine Sünde kennen gelernt hat. (Vgl. Reinhold Seeberg, Die Lehre Luthers, Leipzig 1917, S.201ff.; Erich Seeberg, Luthers Theologie, Band II, Stuttgart 1937, S.411ff.)

••• Die Gegenüberstellung zweier Lebensformen unter einem Y-förmigen Baum ähnelt der Ikonographie von "Herakles am Scheideweg". Diese Darstellung ist indessen anders zu lesen, insofern als das Gesetz zum Heiland führt: Lex ad Christum ducit.

links: Moses mit den Gesetzestafeln und der rettenden Schlange im Hintergrund;

rechts: Johannes der Täufer mit dem Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird und dabei schweigt (Jes. 53,7; vgl. Apg. 8,32); im Hintergrund der Gekreuzigte.

Theatrum vitae humanæ. / A I.I. Boissardo Vesuntino conscriptum, et à Theodoro Bryio artificiosissimis historiis illustratum. [Metz: Excussum typis Abrahami Fabri, Mediomatricorum Typographi 1596]
> https://hdl.handle.net/2027/uiuo.ark:/13960/t8mc9gs3b

Vgl. die umfassenden Forschungen zu diesem Motiv: Heimo Reinitzer, Gesetz und Evangelium. Über ein reformatorisches Bildthema, seine Tradition, Funktion und Wirkungsgeschichte, Hamburg: Christians 2006 (2 Bände, 535 + 415 Seiten; 285 Abb.)

Ähnlich angelegt sind die (glücklicherweise erhalten gebliebenen) Glasfenster der Pilgerspitalkirche St. Martha in Nürnberg, vgl. die Website von corpusvitrearum.de

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Synagoge und Ecclesia


Bei diesem Bild-Typ geht es nicht um ein typologisches Verhältnis, sondern um eine Antinomie, wobei das Alte Testament eindeutig abgewertet wird. Vgl. Hebräerbrief 8,13: Jn dem er saget : Ein newes / machet er das erste alt / Was aber alt vnd vberjaret ist / das ist nahe bey seinem ende. (Lutherbibel 1545)

Die beiden Personifikationen (Synagoge für die ›Gemeinschaft‹ der Menschen im AT / Ecclesia für die Gemeinschaft der Menschen im NT) werden mit Attributen ausgestattet.

Albertus Magnus (†1280):

Hinc in locis a dextris Crucifixi depingitur puella hilari vultu et pulchra facie et coronata, designans Ecclesiam, quae sanguinem Christi reverenter in calice suscipit;
ei a sinistris Synagoga, oculis panno ligatis, tristi facie, inclinans caput, et corona decidente, quae ipsum sanguinem fudit et adhuc contemnit
...

≈ Zur Rechten des Gekreuzigten ist eine Jungfrau dargestellt, mit fröhlicher Miene, schönem Antlitz und Krone; sie heißt Ecclesia, und sie ist es, die das Blut Christi ehrfurchtsvoll im Kelche auffängt, ...
während zur Linken Synagoge steht, die Augen mit einem Tuche verbunden, trauriger Miene und gesenkten Hauptes, von dem die Krone fällt, sie ist es, die dieses heilge Blut vergossen hat und noch immer geringachtet ... (übers. bei Seiferth S. 147.)

Beispiel: Eine Bildtafel der Kreuzigung aus dem »Hortus deliciarum« der Herrad von Landsberg (1125–1195) mit den üblichen Personen (Maria und Johannes; guter und böser Schächer an den Kreuzen; Longinus mit der Lanze; +++) und Ereignissen (oben: Tempelvorhang; Sonne und Mond verfinstern sich; unten ein Auferstehender):

Herrade de Landsberg, HORTVS DELICIARVM, ed. A. Straub & G. Keller, Strasbourg 1899. — Vgl. »Hortus deliciarum«, ed. Rosalie Green / M. Evans / C. Bischoff, M. Curschmann, (Studies of the Warburg Institute 36), 2 vols., London / Leiden 1979, Band I, Fol. 150r (Pl. 93) Bild Nr. 212; vgl. Band II S.263.

Ecclesia (auf der rechten Seite Christi, auf der Seite des guten Schächers) reitet gekrönt auf einem Tier mit vier Köpfen und Pfoten, die aus den Evangelistensymbolen abgeleitet sind; sie hält eine Fahne mit Kreuz und fängt mit einem Kelch das Blut aus der Seitenwunde Christi auf. Synagoge reitet auf der Seite des bösen Schächers, vom Kreuz abgewandt, das Kopftuch über den Augen, auf einem Esel, hält ihre Fahne nicht mehr, in der rechten Hand ein Beschneidungsmesser (?), auf dem Schoß ein Opfertier (evtl. der fehllose Ziegenbock aus Ezechiel 43,22).

Glasfenster im Münster in Freiburg/Breisgau:

    

Konrad Witz (ca. 1400 – ca. 1446) und andere Maler, sog. Heilsspiegelaltar in Basel:

Spezielle Literaur:

Wolfang Seiferth, Synagoge und Kirche im Mittelalter, München 1964. (mit 65 Abb.)

W.Greisenegger, "Ecclesia und Synagoge" in: LCI Band I (1968), Sp. 569–578.

Adolf Weis, "Ekklesia und Synagoge", in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. IV (1957), Sp. 1189–1215. > https://www.rdklabor.de/w/?oldid=93171

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Kritik am typologischen Verfahren

Voltaire (1694–1778), Wichtige Untersuchung von Mylord Bolingbroke, oder: Das Grabmal des Fanatismus. [verfasst 1736; erschienen 1767]

18. KAPITEL Über die Allegorien

Diejenigen, die man die Kirchenväter nennt, dachten sich eine recht merkwürdige List aus, um ihre Katechumenen in diesem neuen Glauben zu bestärken. Mit der Zeit fanden sich aber doch Anhänger, die etwas über die Dinge nachdachten; da entschloss man sich, ihnen zu sagen, das Alte Testament sei nur als Symbol des Neuen zu verstehen. […]

Examen important de Milord Bolingbroke

CHAPITRE XVIII. DES ALLÉGORIES.

Ceux qu’on appelle Pères de l’Église s’avisèrent d’un tour assez singulier pour confirmer leurs catéchumènes dans leur nouvelle créance. Il se trouva avec le temps des disciples qui raisonnèrent un peu : on prit le parti de leur dire que tout l’Ancien Testament n’est qu’une figure du Nouveau. Le petit morceau de drap rouge que mettait la paillarde Rahab à sa fenêtre pour avertir les espions de Josué signifie le sang de Jésus répandu pour nos péchés. Sara et sa servante Agar, Lia la chassieuse, et la belle Rachel, sont la synagogue et l’Église. Moïse levant les mains quand il donne la bataille aux Amalécites, c’est évidemment la croix, car on a la figure d’une croix quand on étend les bras à droite et à gauche. Joseph vendu par ses frères, c’est Jésus-Christ ; la manne, c’est l’eucharistie ; les quatre vents sont les quatre Évangiles ; les baisers que donne la Sulamite sur la bouche, etc., dans le Cantique des cantiques, sont visiblement le mariage de Jésus-Christ avec son Église. La mariée n’avait pas encore de dot, elle n’était pas encore bien établie.

On ne savait ce qu’on devait croire ; aucun dogme précis n’était encore constaté. Jésus n’avait jamais rien écrit. C’était un étrange législateur qu’un homme de la main duquel on n’avait pas une ligne. Il fallut donc écrire pour lui ; on s’abandonna donc à ces bonnes nouvelles, à ces Évangiles, à ces actes dont nous avons déjà parlé, et on tourna tout l’Ancien Testament en allégories du Nouveau. Il n’est pas étonnant que des catéchumènes fascinés par ceux qui voulaient former un parti se laissassent séduire par ces images qui plaisent toujours au peuple. Cette méthode contribua plus que toute autre chose à la propagation du christianisme, qui s’étendait secrètement d’un bout de l’empire à l’autre, sans qu’alors les magistrats daignassent presque y prendre garde.

Plaisante et folle imagination, de faire de toute l’histoire d’une troupe de gueux la figure et la prophétie de tout ce qui devait arriver au monde entier dans la suite des siècles !

(Text auf wikisource)

Friedrich Nietzsche, »Morgenröthe. Gedanken über die moralischen Vorurtheile«, Chemnitz 1881

I.Buch, Aphorism. 84

Die Philologie des Christentums. […] Was soll man von den Nachwirkungen einer Religion erwarten, welche in den Jahrhunderten ihrer Begründung jenes unerhörte philologische Possenspiel um das Alte Testament aufgeführt hat: ich meine den Versuch, das Alte Testament den Juden unter dem Leibe wegzuziehen, mit der Behauptung, es enthalte nichts als christliche Lehren und gehöre den Christen als dem wahren Volke Israel: während die Juden es sich nur angemaßt hätten. Und nun ergab man sich einer Wut der Ausdeutung und Unterschiebung, welche unmöglich mit dem guten Gewissen verbunden gewesen sein kann: wie sehr auch die jüdischen Gelehrten protestierten, überall sollte im Alten Testament von Christus und nur von Christus die Rede sein, überall namentlich von seinem Kreuze, und wo nur ein Holz, eine Rute, eine Leiter, ein Zweig, ein Baum, eine Weide, ein Stab genannt wird, da bedeute dies eine Prophezeiung auf das Kreuzesholz; selbst die Aufrichtung des Einhorns*, und der ehernen Schlange, selbst Moses, wenn er die Arme zum Gebet ausbreitet, ja selbst die Spieße, an denen das Passahlamm gebraten wird, – alles Anspielungen und gleichsam Vorspiele des Kreuzes! Hat dies jemals jemand geglaubt, der es behauptete? Man erwäge, daß die Kirche nicht davor erschrak, den Text der Septuaginta zu bereichern (z.B. bei Psalm 96, V. 10), um die eingeschmuggelte Stelle nachher im Sinne der christlichen Prophezeiung auszunützen. Man war eben im Kampfe und dachte an die Gegner, und nicht an die Redlichkeit.

*) Psalm 22,22 in der alten Lutherübersetzung

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Literaturhinweise zur Typologie

(Einiges aus dem Text oben ist hier wiederholt.)

Editionen:

Das Niello-Antipendium zu Klosterneuburg in Oesterreich, verfertiget im zwölften Jahrhunderte von Nicolaus aus Verdun: In der Originalgrösse lithographirt und... hgg. von Albert Camesina. Beschrieben und erläutert von Joseph Arneth, Band 2 Wien, 1844

Jules Lutz / Paul Perdrizet, Speculum humanæ salvationis. 2Bde., Mühlhausen 1907/09.

[W.L. Schreiber, Faksimileausgabe von:] Franz von Retz, O.P. († 1427), Defensorium inviolatæ virginitatis beatæ Mariæ, Weimar 1910.

Axel Lindqvist (Hrsg.): Konrad von Helmsdorf: Aus der St. Gallener Handschrift (Deutsche Texte des Mittelalters 31), Berlin 1924. [mit Erklärung der Bilder S. XXII ff., ohne dieselben; Edition des mhd. Texts: 4774 Verse]
> https://archive.org/details/derspiegeldesmenschlindq
Handschrift: St. Gallen, Kantonsbibliothek, VadSlg Ms. 352/1-2
> http://www.e-codices.unifr.ch/de/list/one/vad/0352-1-2

Floridus Röhrig, Der Verduner Altar, 4.Auflage Wien 1955.

Speculum humanæ salvationis. Vollständige Faksimile-Ausgabe des Codex Cremifanensis 243 des Benediktinerstifts Kremsmünster. Kommentar von Willibrord Neumüller, (Codices Selecti phototypice impressi 32/32*), Graz 1972.

Heilsspiegel. Die Bilder des mitterlalterlichen Erbauungsbuches Speculum humanæ salvationis, mit Nachwort und Erläuterungen von Horst Appuhn, (Die bibliophilen Taschenbücher 267), Dortmund 1981.

Karl-August Wirth (Hg.), Die Biblia Pauperum im Codex Palatinus Latinus 871 der Biblioteca Apostolica Vaticana (Faksimile und Kommentarband) Zürich: Belser 1982

Biblia Pauperum. Die Bilderhandschrift des Codex Palatinus latinus 871, Einführung und Kommenar von Christoph Wetzel; Transkription und Übersetung Heike Drechsler, Stuttgart/Zürich: Belser 1995.

Karsten Falkenau, Die "Concordantz Alt vnd News Testament" von 1550. Ein Hauptwerk biblischer Typologie des 16. Jahrhunderts illustriert von Augustin Hirschvogel, Regensburg: Schnell + Steiner 1999 (Studien zur christlichen Kunst 2).

Pictor in carmine. Ein Handbuch der Typologie aus der Zeit um 1200 nach MS 300 des Corpus Christi College in Cambridge; hrsg. von Karl-August Wirth, Berlin: Gebr. Mann 2006.

Herbert Douteil, Die Concordantiae caritatis des Ulrich von Lilienfeld. Edition des Codex Campililiensis 151 (um 1355) und Übersetzung, hg. von Rudolf Suntrup, Arnold Angenendt und Volker Honemann. Mit Farbfaksimile der Illustrationen. Band 1: Einführungen, Text und Übersetzung. Band 2: Verzeichnisse, Quellenapparat, Register, Farbtafeln der Bildseiten der Handschrift, Münster 2010.

 

Neuerdings sind mehrere Handschriften und Frühdrucke digitalisiert; einige Hinweise:

BSB Cgm 155
> https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb00096308?page=1

Heidelberg, Cod. Pal. germ. 59
> https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg59

ULB Darmstadt Hs 2505
> http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/Hs-2505

Biblia pauperum, [Bamberg, ca. 1462/63]
> http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00026399/image_1

Heidelberg, Cod. Pal. germ. 59 > https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg59

Speculum humanae salvationis, deutsch, Reutlingen, 1. Januar 1492.
> https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/is00666500

Speculum humanae salvationis [mit deutscher Übersetzung]: Spiegel menschlicher behaltnis [Raum Elsass, 1436]
> http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/speculum1436

Speculum humanae salvationis Basel: Bernhard Richel 1476
> https://doi.org/10.3931/e-rara-8656

Cod. Karlsruhe 3378
> https://digital.blb-karlsruhe.de/urn/urn:nbn:de:bsz:31-1732

StB Mainz, Hs II 10
> https://www.dilibri.de/stbmz/content/titleinfo/1905688

 

Forschungsliteratur:

Es gibt bereits viele Forschungen zu diesem Thema. Hier ist im Sinne eines forschungsgeschichtlichen Abrisses eine Auswahl in chronologischer Reihenfolge aufgelistet:

 

Hans Engelhardt, Der theologische Gehalt der Biblia Pauperum, Straßburg: Heitz 1927 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte Heft 243) [mit Synopsen der aufeinander bezogenen Bibelstellen].

Hildegard Zimmermann, Artikel "Armenbibel (Biblia pauperum, Biblia picta"), in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1936), Sp. 1072–1084. [mit Liste der Bildgruppen]
> https://www.rdklabor.de/w/?oldid=89657

Erich Auerbach, Figura, in: Archivum Romanicum XXII (1938); wieder abgedruckt in: E.A., Gesammelte Aufsätze zur romanischen Philologie, Bern 1967, S.55–92.

Leonhard Goppelt, Typos. Die typologische Deutung des Alten Testaments im Neuen, 1939; Reprint Gütersloh 1969.

Erich Auerbach, Typologische Motive in der mittelalterlichen Literatur, Krefeld 1953.

Julius Schwietering, Typologisches in mittelalterlicher Dichtung (1925), wieder in: J.Sch., Philologische Schriften, München 1969, S.269–281.

Richard Bultmann, Ursprung und Sinn der Typologie als hermeneutischer Methode, in: Theologische Literaturzeitung LXXV (1950), S.205–212.

Jean Daniélou, Sacramentum futuri. Etudes sur les origines de la typologie biblique, Paris 1950.

Otto Gillen, "Bund, alter und neuer", in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. III (1950), Sp. 90–112 > https://www.rdklabor.de/w/?oldid=92472

Walther [!] Ohly, Die heilsgeschichtliche Struktur der Epen Hartmanns von Aue, Diss. Berlin 1958.

Gerhard Schmidt, Die Armenbibeln des XIV. Jahrhunderts, (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Band XIX), Graz: Böhlau 1959.

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Coda

 

AT — NT auf 2 Zeilen komprimiert

Hugo Primas (erste Hälfte des 12. Jahrhunderts) fasst die beiden Testamente in einem prägnanten Zweizeiler so zusammen:

Quos anguis tristi virus mulcedine pavit
Hos sanguis Christi mirus dulcedine lavit.

≈ Diejenigen, die das Gift der Schlange mit verdrussbringender ›Erquickung‹ fütterte,
die hat das wunderbare Blut Christi mit Süße gewaschen.

Die beiden Hexameter reimen sich Wort-für-Wort — dabei ist ihre Aussage vollkommen gegensätzlich.
Bereits zitiert von Jacob Grimm in: Kleinere Schriften von Jacob Grimm: Abhandlungen zur Litteratur und Grammatik Band 3 (1866), S.99.

Hinweis
> https://christophwurm.de/portfolio-item/hugo-primas-von-orleans/

Nikolaus Reusner, Aureolorum emblematum liber singularis, Straßburg:Jobin 1591:

> https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=uiuc.2222010&seq=180
> https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/....page=180

G. E. Lessing, »Nathan der Weise« (1779); 4. Akt. 7. Auftritt:

Klosterbruder: Und ist den nicht das ganze Christentum aufs Judentum gebaut?

Northrop Frye (in: The Great Code, 1982, im Sammelband S. 64)

Wieso wissen wir, dass die Erzählung der vier Evangelien der Wahrheit entspricht? Weil sie die Prophezeiungn des Alten Testaments bestätigt. Aber wieso wissen wir, dass die Prophezeiungen des Alten Testaments wahr sind? Weil sie von den Evangelien bestätigt werden.

Friedrich Nietzsche, »Jenseits von Gut und Böse«, Nr. 52

Dieses Neue Testament, […] mit dem Alten zu  einem Buch zusammengeleimt zu haben, […] das ist vielleicht die größte Verwegenheit und ›Sünde wider den Geist‹, welche das literarische Europa auf dem Gewissen hat.