Kolloquium 2019

»Die Präsentation sozialer Gruppierungen mittels symbolischer Formen«

21. September 2019 in Zürich

In Kooperation mit der Schweizerischen Gesellschaft für Kulturwissenschaften SGKW (www.culturalstudies.ch)


Das Thema in Kürze:

»Durch den gezielten Einsatz von Symbolen sollen bestimmte Menschengruppen angesprochen werden, die sich mit ihren Erwartungen, Hoffnungen oder Befürchtungen in den Symbolen erkennen. Denn ein Symbol ist nicht nur stellvertretendes Zeichen für bestimmten Sinn, ein Symbol verweist gleichzeitig immer auf eine bestimmte soziale Gruppierung, die es für sich beansprucht. Diese Gruppierung definiert, verortet und qualifiziert sich durch ihre Symbole. Denn nur unter dieser Voraussetzung kann sie überhaupt als gesonderte Gruppierung wahrgenommen werden. Symbolpolitik besteht darin, wie sich eine soziale Gruppierung durch Auswahl und Gebrauch ihrer Symbole gegenüber anderen Gruppierungen konstituiert, darstellt und in ihren Ansprüchen rechtfertigt.« (Andreas Hebestreit in »Drachensaat und Schlangensegen. 30'000 Jahre Symbolpolitik«, 2018, S.6)

Soziale Gruppierungen (Clubs, Clans, Vereine, Parteien, Stände [société d’ordres], Nationen usw.) müssen und wollen in irgendeiner Form wahrnehmbar gemacht werden. Welche Distinktionsmerkmale, welche Inszenierungstechniken dienen dazu?

Insignien, Fahnen, Abzeichen, Corporate Design, Trachten, Uniformen, Denkmale, Rituale, mythologisierende Erzählungen, visualisierte Genealogien, Bekenntnisse von Normen, spezifische Verhaltensformen und vieles anderes mehr sind Möglichkeiten, eine soziale Gruppierung sichtbar zu machen.

Die Thematik schliesst an an die Tagung vom Jahr 1997: Kolloquium »Symbole im Dienst der Darstellung von Identität«, vgl. dazu Band 12 (2000).

 

Das war das Tagungsprogramm am 21. September 2019:

Andreas Hebestreit: ›Das Soziale als Gefäß‹ – Gedanken zur Töpferei des Neolithikums > Exposé — > Vortrag ganz
Marc Winter: Symbolische Darstellungen von Standesunterschieden im feudal-chinesischen Adel > Exposé
Matthias Friedli: I gugge nid, i luege gschider! Abgrenzungswahrnehmungen im Schweizerdeutschen > Exposé
Beate Schappach: Vom Konzentrationslager zur Travestie-Show. Zum Bedeutungswandel des rosa Winkels als gruppenkonstituierendes Symbol > Exposé
Patricia Scheurer: Von Provokation bis Prunk – Repräsentationsformen der Schwarzen Szene > Exposé
Ursula Ganz-Blättler: Was zählt? Überlegungen zum Aggregieren und zu den Modalitäten chiffrierter Güterabwägungen in den (pseudo-)sozialen Netzwerken > Exposé und Aufsatz dazu
Ashraf Noor: Zur Theorie der Unbegrifflichkeit in der Beschreibung des Menschen > Exposé
Matthias Bertschinger: Die Rolle von Licht- und Dunkelgestalten in menschlichen Konflikten aus psychoanalytischer Perspektive > Exposé

 

Anregungen und Ideen in bunter Folge

Kompiliert von Paul Michel

※ Theoretisches

Gruppierungen: Elaborierter könnte man den Begriff ›Aggregat‹ verwenden. Dieses Wort kommt vom Lateinischen ad-gregare: einer Herde (grex) beigesellen; bei Cicero: Ego te semper in nostrum numerum adgregare soleo. ≈ Ich pflege dich immer unserer Klasse [hier: dem Adelsstand] zuzurechnen. (Pro Murena ¶ 16). – Viele Philosophen haben verschiedene Definitionen des Begriffs entwickelt. So viel ist allen gemeinsam:

Aggregat hält als Organisationsform die Mitte zwischen dem System / dem Organismus einerseits und dem ungeordneten Haufen / der Mischung andererseits. Für unser Vorhaben können wir sagen: Ein aus unterschiedlichen Individuen bestehendes, ideales, gedankliches Ganzes, dessen Zusammenhang auf einem Konstrukt beruht.

Es gibt eine Skala solcher Einbindungs-Techniken in ein Aggregat:

• eher trivial ist ein Bekenntnis wie ›Ich bin Fan des Fußballclubs Grasshoppers.‹

• komplizierter ist ein Commitment, das z.B. die Sympathie für eine politische Partei oder religiöse Gemeinschaft bekundet; die Partei ist immerhin insofern festgelegt, dass sie ein Programm (ein Credo), traditionelle Observanzen usw. hat.

• komplex sind Identifikationen mit Aggregaten, die einen hohen Grad an Komponiertheit* aufweisen (z.B. ›Bürgertum‹).

*) komponieren: »Ein solcher historischer Begriff [wie ›Geist des Kapitalismus‹] aber kann, da er inhaltlich sich auf eine in ihrer individuellen Eigenart bedeutungsvolle Erscheinung bezieht, nicht nach dem Schema: ›genus proximum, differentia specifica‹ definiert, sondern er muß aus seinen einzelnen der geschichtlichen Wirklichkeit zu entnehmenden Bestandteilen allmählich komponiert werden.«

Max Weber, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1904)
> http://www.zeno.org/nid/20011440503

Und weil es so schwierig ist, ein solches Aggregat zu beschreiben, gibt es ja eben die Symbolik dafür. Diese Symboliken sind anschaulich oder hörbar; sie wiederzugeben ist relativ einfach.

 

Zu unterscheiden ist:

• die Person ist ›von Haus aus‹ individueller Träger eines erkennbaren Identifikationssymbols einer Gruppe (Thomas spricht den Dialekt des Sernftals);

• die Person wird per Dekret zu einer bestimmten Auftrittsweise gezwungen (in den Ratssitzungen spricht man Schriftsprache, nicht alemannischen Dialekt);

• die Person bekennt sich mittels des symbolischen Zeichens zu einer Gruppe (Annamaria spricht mit Kameradinnen den Slang der Jugendsprache, obwohl sie auch anders könnte);

• die Person wird von Außenstehenden einer bestimmten Guppe zugeordnet, sei es herosierend, missfallend, oder sogar verunglimpfend;

• der Person wird mittels automatisierter Entscheide von Robotern ein (pseudo-)soziales Aggregat verpasst.

 

In einer zunehmend atomisierten Massengesellschaft spielen solche angestrebten oder fiktiven oder oktroyierten Zugehörigkeiten eine wichtige Rolle.


In der folgenden Ideensammlung überwiegen die Beispiele aus alter Zeit und von fremden Völkern. Hier sind soziale Aggregate eben weitaus besser fassbar als in der (Post-)Moderne.

 


 

Lebensformen von Ständen, sozialen Klassen

Verkörperungen typischer Formen von Lebensführung: Ritter (miles; vita activa) und Geistlicher (clericus: contemplativa vita) sind gekennzeichnet durch die Falkenjagd bzw. die Lektüre eines Buchs; im oberen Register sitzen ein Falke und eine Taube auf derselben Stange: ecce in eadem pertica sedent accipiter & columba.

Aus: Hugo de Folieto (ca. 1100 – 1172/74), »de avibus«. Abtei Heiligenkreuz, Ms 18 (226) fol. 129v.

Was / wie jemand isst, wie jemand seinen Wohnraum gestaltet, was sie/er in Musik und bildender Kunst und Literatur schön oder hässlich findet, wie sich jemand kleidet, welchen Sport man treibt, usw. – das weist die Person als Angehörige*n einer bestimmten sozialen Klasse aus. Das ist die zentrale These von Pierre Bourdieu (1979).

Korrekte Haltung des Bestecks: Weder steif noch verkrampft! Man zeige keine Gier beim Essen. Nicht dem Löffel oder der Gabel entgegenfahren und nach der Speise schnappen wie ein Fisch nach dem Futter! Der Löffel wird zum Munde geführt, nicht den Kopf nach dem Löffel neigen! (S. 115f.)

Ernst Meister, Richtiges Benehmen – Gute Umgangsformen, Chur: P.Strub, o.J.

Der Große Duden, Bildwörterbuch der deutschen Sprache, hg. Otto Basler, Leipzig: Bibliographisches Institut 1935, Tafel 28B : Die Leseecke

Architektursymbolik

••• Der Turmbau zu Babel (Genesis 11,4): Dann sagten sie: Auf, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm mit einer Spitze bis in den Himmel! So wollen wir uns einen Namen machen, damit wir uns nicht über die ganze Erde zerstreuen. Also: Kolossal-Architektur zwecks Schaffung einer ethnischen Identität. Warum der HErr dieses Werk zerstört, darüber diskutieren die Bibel-Wissenschaftler seit längerem, vgl. hier.

Flavius Josephus (ca. 37 bis ca. 100) hatte folgende Hypothese zum Vorhaben Gottes:

Obgleich nun Gott ihnen befahl, um der Vermehrung der Menschen willen sich in anderen Gegenden anzusiedeln, damit sie nicht unter einander in Streit gerieten und durch Bebauung grösserer Flächen reichere Ernten erzielten, gehorchten sie ihm in ihrem Unverstand nicht und gerieten ins Elend. Und als sich ihre Jugend sehr vermehrte, gab ihnen Gott wiederum den Rat, sie in Kolonien zu verpflanzen. Sie aber, im Glauben, den Genuss des Lebensglückes nicht Gottes Güte, sondern eigener Kraft zu verdanken, gehorchten Gott wiederum nicht. Ja, sie wähnten sogar, er wolle sie nur darum in andere Wohnsitze locken, um sie zerstreuen und leichter unterdrücken zu können.

Die Diaspora der Juden kannte Flavius Josephus – in Jerusalem geboren, den jüdischen Krieg 66–70 erlebend, in Alexandria und Rom lebend, griechisch schreibend – aus eigener Anschauung. (Das Motiv für die Erbauung des hohen Turms ist bei ihm aber ein anderes als in der Bibel.)

Des Flavius Josephus Jüdische Altertümer, übersetzt von Heinrich Clementz, Halle 1900. Erstes Buch, 4. Kapitel. > https://archive.org/stream/josephus/altertümer band1#

Holzschnitt von Christoph van Sichem d.Ä. aus: Flauij Josephi / des Hochberühmten Jüdischen Geschichtschreibers / Historien vnd Bücher Von alten Jüdischen Geschichten, ... mit höchstem fleiß von newem verteutscht […], Straßburg: Theodosius Rihel 1611.

••• Mitherrscher und hohe Beamte des Römischen Reichs in der Spätantike zeigen durch stilistische Anlehnung an Bauten in Rom, dass ihre Niederlassung zur ›romanitas‹ gehört:

Banister Fletcher, A History of architecture on the comparative method, London 1950, p. 181.

Das Marcellus-Theater in Rom, unter Augustus um 13 v.u.Z. vollendet, aus Anton Springer, Handbuch der Kunstgeschichte, 9. Auflage, Leipzig 1911, Abb. 828. — Vgl. das Kolosseum (um 80 u.Z. vollendet)

••• Erzbischof Anno II. von Köln mit Modellen der von ihm gegründeten fünf Kirchen und Klöster

Handschrift der Vita Annonis minor, Siegburg, um 1183.Universitäts- und Landesbibliothek Darmstadt Hs 945 fol. 1v)
Quelle > https://de.wikipedia.org/wiki/Vita_Annonis_Minor

••• Familien der Oberschicht zeigen mittels Architektur, dass sie dazu gehören – aber noch elitärer sind, was die Höhe des Turms zeigen soll. > ›Geschlechtertürme‹ in Bologna (Rekonstruktion von Angelo Finelli, 1917):

 

Denkmäler

••• ›Arnold Struthahn von Winkelried aus Stans‹ ist eine mythische Figur, die der Sage nach in der Schlacht von Sempach am 9. Juli 1386 Lanzen der gegnerischen habsburgischen Truppe von Herzog Leopold ergriff, in seinen Körper gerammt und dadurch seinen Mitkämpfern eine Gasse in die feindlichen Reihen geöffnet haben soll. – 1853 und 1855 wurden Wettbewerbe für ein Denkmal ausgeschrieben; 1865 wurde dann das von Lukas Ferdinand Schlöth geschaffene Denkmal eingeweiht.
Literatur zu Winkelried > http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D24437.php

Weber’s Volks=Kalender für 1862, Leipzig 1861, S. 64.

Ein Denkmal möchte einerseits an ein denk-würdiges Ereignis oder eine Person aus der Verangenheit erinneren und damit eine Kontinuität der Geschichte evozieren, anderseits ruft es zu einer Identifikation damit auf ("monumentum" von moneo = nicht nur "erinnern", sondern auch "auffordern, ermahnen").

Hier wird nicht nur ein militärischer Sieg gefeiert, sonder auch die Opferbereitschaft des Einen für die ganze Gemeinschaft gezeigt, die dadurch überlebt hat – und so überleben soll.

Neu aufkommende Herrscher zerstören in der Regel die Denkmäler – und damit symbolisch die sozialen Aggregate der eroberten Region (damnatio memoriae).

Gedenktage in Erinnerung an die in Schlachten Gefallenen (Schlachtjahrzeiten) festigen die Idee eines Gemeinwesens. Ein klassisches Beispiel ist die »Näfelser Fahrt« in Erinnerung an die Schlacht vom 9. April 1388.

••• Zum Fête de la Fédération – Fest auf dem Marsfeld in Paris, das am 14. Juli 1790 zum ersten Jahrestag der Erstürmung der Bastille abgehalten wurde – prägte man eine Münze:

VIVRE LIBRE[S] OU MOURIR – [auf der ersten Prägung (An III = MDCCXC) ohne -S]

In der ovalen Kartusche die Szene des Solidaritäts-Schwurs; Umschrift: PACTE FÉDÉRATIF (und die Signatur DUPRÉ F[ecit]).

Den Schwur nimmt entgegen die Personifikation der ›France‹ (noch nicht mit phrygischer Mütze, sondern mit dem Helm der Minerva); sie steht für die drei Losungen der Revolution (die evtl. auf den Panneau stehen, das sie hält, die Schrift ist aber unlesbar.).

Ob auf dem Sockel Danton oder Robespierre abgebildet ist?

Unten in der Prägung von 1792 (hier abgebildet): 14 Juillet 1790 (noch in der alten Jahres-Zählung!)

Text auf dem Revers (Prägung von 1792): MEDAILLE DE CONFIANCE DE CINQ-SOLS REMBOURSABLE EN ASSIGNATS DE 50#. — L'AN IV. DE LA LIBERTÉ

Es handelt sich also nicht nur um eine Medaille mit rein symbolischem Charakter, sondern auch um eine Münze, mit der man bezahlen konnte; vgl. Assignaten. Kupfer, 30 Gramm, geprägt in England in über drei Millionen Stück. — Foto PM — Informationen bei www.cgb.fr

 

※ Museum als Ausdruck einer Nation

Die nach etwa 1800 sich herausbildenden ›Nationalstaaten‹ – ein weites Feld! – wollten diese ihre Konstrukte – abgesehen durch die Verrechtlichung in Verfassungen und dergl. – auch ideell präsentieren. Eine Technik der Identitätsstiftung bestand in der Heroisierung einer gemeinsamen Geschichte, die im Museum anhand von Zeitzeugen anschaulich gemacht werden kann.

Spätestens um 1880 wurden in der Eigenossenschaft intensiv Pläne für ein Natinalmuseum erwogen. Im Land gab es immer noch Spannungen zwischen den Konfessionen, zwischen Liberalen und Konservativen, zwischen Stadt und Land; die Industrialisierung sorgte für Unmut.

Ein Museum wollte zeigen: ›Wir alle‹ waren immer schon: heroisch (vgl. die Heldenzeit von Morgarten, Sempach, der Burgunderkirege und Italienfeldzüge), freiheitsliebend, moralisch, arbeitsam, bildungsbeflissen, handwerklich und technisch innovativ, künstlerisch hochstehend; und wir stammen alle von éiner Urbevölkerung ab (von den Pfahlbauern). – Einstige Konflikte können ausgeblendet werden.

Schweizerisches Landesmuseum, Zürich. Waffenhalle. Blick in den Mittelraum mit dem grossen Zelt der Schmiedenzunft von Zürich (1642) und der Harnischsammlung (Postkarte)
Quelle > https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Waffenhalle1.jpg

Ein phantastisches Bild zur Einweihung des Landesmuseums am 25. Juni 1898 hat Fritz Boscovits (1871–1965) gezeichnet: links die Pfahlbauer, dann in Leserichtung ein schreibender Mönch und ein Maler an der Staffelei vor einem Kachelofen und einer ›mittelalterlichen‹ Rüstung, vorne liegen Zwinglis Waffen nach Kappel auf einer Bibel, rechts ein Landsknecht mit Hellebarde. (Nebelspalter 14 1898, Heft 26 > digital hier)

»Was ist ein Nationalmuseum? Es ist die Verkörperung des nationalen Gedankens.[…] Es ist der Tempel, den wir zu Ehren der Arbeit unserer Väter auf dem Schlachtfelde wie in der Werkstatt errichten.« (Aus der Werbeschrift des Initiativkomitees für die Errichtung eines Nationalmuseums in Zürich)

Architekt Gustav Gull (1858–1942) errichtete einen Bau, der ein chronologisches Ensemble von Stilen darbot, keinen ›Sammlungskasten‹, sondern ein Museum, »gerade als ob man die einzelnen Bauteile aus den traulichsten Winkeln unsere Schweizerlandes fortgetragen und hierher gesetzt hätte … Wir befinden uns gewissermaßen in einer Art von konzentierter Idealheimat … Jeder fühlt hier: hier finde ich von der Kraft meines Volkes das Eigenste, Urwüchsigste und Beste in ehrwürdigen Zeugnissen aufbewahrt« (NZZ am 25. Juni1898).

Hinweise:

https://blog.nationalmuseum.ch/2018/06/ein-rundgang-durch-das-landesmuseum-um-1900/

François de Capitani (1950–2012), Das Schweizerische Landesmuseum. Gründungsidee und wechselvolle Geschichte, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 57 (2000), S. 1–16. > http://doi.org/10.5169/seals-169577

 

Liktorenbündel

In der römischen Antike waren die ›Fasces‹ Rutenbündel aus Ulmen- oder Birkenholz, die von roten Riemen zusammengehalten wurden. Sie wurden den röm. Obermagistraten (consul, praetor) als ein Zeichen ihrer Amtsgewalt (imperium, dignitatis insignia) von Amtsdienern (lictores) vorangetragen. Bild. Loretana de Libero, Artikel »Fasces«, in: der Neue Pauly, s.v.

Wie wurden sie zum Symbol politischer Einigkeit und Geschlossenheit?

Ein Fabel von Aesop lautet:

Die Söhne eines Bauern hatten ständig Streit miteinander. Obwohl der Bauer sie häufig ermahnte, schaffte er es durch Zureden nicht, dass sie ihr Verhalten änderten. Er erkannte, dass er dies nur durch eine Tat erreichen konnte, und forderte sie auf, ein Bündel von Stäben herbeizubringen. Die Söhne taten dieses. Zuerst gab er ihnen alle Stäbe gebündelt in die Hand und befahl ihnen, diese zu zerbrechen. Aber trotz größter Anstrengung waren sie dazu nicht imstande. Daraufhin löste er das Bündel auf und gab ihnen die Stäbe einzeln. Als sie diese dann ohne weiteres zerbrachen, sagte er zu seinen Söhnen: »Genauso wird es aber auch euch ergehen, meine Söhne: Wenn ihr euch vertragt, werden euch eure Feinde nicht bezwingen können. Wenn ihr euch aber weiter streitet, werdet ihr leicht zu bezwingen sein.« Die Geschichte veranschaulicht: Je sorgfältiger man den Streit vermeidet, desto stärker ist die Eintracht.
(Nummer 53 in der Zählung bei Perry)
> https://www.webergarn.de/fabeln/fabel.html#Die_Soehne_des_Bauern_im_Streit

Plutarch (um 45 bis um 125), Moralia, Apophtegmata, 2.8.17 erzählt die Geschichte von Scilurus, hier in einer frühneuhochdeutschen Übersetzung:

Scyulurus Scytha. Eynigkeit beuestiget alle ding/ zwytracht aber krenckt/ vnd schwechert.
Scylurus hatt atzchig kinder/ die knaben waren/ vnd wie er yetzt sterben solt/ reychet er eim yeden in sonderheit ein bündtlin mit flytsch pfeilen/ vnd hyessz yn zerbrechen. Keiner vnder ynen wolt es thuon/ darumb/ das sye es alle für vnmüglich ansah[en]. Da zoge der vatter einen nach dem anderen här auß/ vnd zerbrach sye lyederlich
[= ohne Mühe] alle/ ermanet seine sün mit disen worten. So ir werdt eyns sein/ so bleibt ir starck vnnd unüberwunden. widerumb/ wo ir eüch durch zweytracht vnnd vneiynigkeit von einander thuon/ so werdet ir schwach sein/ vnd lyderlich [hier eher: leichtsinnig] zuo gewynnen. Der Scytha hett ynen sein ermanung nit bassz mögen vff Scytisch für augen legen.

Plutarchi von Cheronea vnnd anderer kurtzweise vnd höfliche Sprüch. Darausß ein yeder Leßer zugleich lust vn nutz schöpffen mag in hohen auch sittlichen tugenden sich zu regieren vß vorbildung der Alten. Neulich durch Heinrich von Eppendorff vß dem Latin in Teutsch verdollmetscht. Zu Strasszburg bey Hans Schotten, Anno M.D.XXXIIII; Vignette vom Buchtitel; Text: pag. cclxxx.

Die Geschichte wird erzählt von Peter Lauremberg, Acerra Philologica (zuerst Rostock  1633, dann viele Neuauflagen) I,83 > http://www.zeno.org/nid/20005234603

Das Liktorenbündel steht hier nicht für ein bestimmtes soziales Aggregat, beispielsweise für ein politisches Land, sondern es ist eine theoretische Demonstration des Satzes ›Einheit macht stark‹.

Der Gedanke wird in der Emblematik aufgegriffen:

VIRTUS UNITA FORTIOR

Fortior unita est virtus. Concordia firmat
Omnia, quæ discors dissipat Invidia.

≈ Standhaftigkeit ist, vereint, stärker. Die Eintracht stärkt alles, was zweiträchtige Missgunst zersprengt. (Wortspiel con-cordia / dis-cors)

Der Bär vermag das Bündel der Pfeile nicht zerbrechen. – Im Hintergrund ein Reigen tanzender Frauen, die von einem Löwen und einem Basilsik vergeblich angegriffen werden. Darüber eine vom Himmel herabschwebende Taube (?).

Gabriel Rollenhagen / Crispin de Passe, Nucleus Emblematum, Arnheim/Utrecht 1611/1613; unter dem Titel: Sinn-Bilder, hg. Carsten-Peter Warncke (Bibliophile Taschenbücher 378), Dortmund 1983; Centuria secunda (1613), Nr. 43. >
> https://archive.org/stream/gabrielisrollenh00roll#page/n112/mode/1up

Das Liktorenbündel wird von Ikonographen als Allegorie für die Concordia angeboten:

Iconologie tirée de divers auteurs. Ouvrage utile aux gens de lettres, aux poëtes, aux artistes, & généralement à tous les amateurs des beaux-arts. Par J.B. [Jean-Baptiste] Boudard, Vienne: Jean-Thomas de Trattner 1766.

Bereits vor der Französischen Revolution wird diese Geschichte für die Demonstration der Einigkeit des Staatswesens verwendet:

Der Tugend und Kunstliebenden Jugend in Zürich ab der Burgerlichen Bibliotec verehrt, am Neüwen Jahrs tag 1682; Kupfer von Conrad Meyer (1618–1689). Außen die Wappen der 13-örtigen Eidgenossenschaft zu einer Kette zusammengeschmiedet. Das Kräntzlein der Freÿheit zuoberst wird von der Hand Gottes gehalten.

So erscheint das Motiv z. Bsp. auf den Deckenstukkaturen im ›Dritten Steinpalast‹ der Familie Zellweger (erbaut 1760–1763) am Landsgemeindeplatz in Trogen AR (Fotos P.M.):

oder an der Türe des ehemaligen Rathauses Herisau (heute Histor. Museum für den Kanton Appenzell Ausserrhoden):

(Foto von R.G. in Z.)

Der 1803 geschaffene Kanton St.Gallen hat – in Übernahme französischer Revolutionssymbole – als gemeine Figur ein Liktorenbündel. — Die Axt ist sekundär.

In der gesamtschweizerischen Abstimmung vom 19.April 1874 wurde die Vorlage für eine neue Bundsverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft angenommen. Die neue BV brachte eine Konsolidierung des Bundesstaats. Es erschien ein Gedenkblatt, das die ein Liktorenbündel in der Hand haltende ›Helvetia‹, umgeben von einer Girlande mit den Kantonswappen zeigt; das Motto lautet: Einer für alle, alle für einen.

Quelle > Zentralbibliothek Zürich (hier das Bild in feinerer Auflösung)

Muss noch explizit gesagt werden, dass unsere Gesellschaft nicht sympathisiert mit dem italienischen Faschismus, der – wie der Name sagt – dieses Zeichen auch als Logo hatte?

 

Kalenderreform

Neue Regimes können sich auch durch eine eigene kalendarische Zeitrechnung manifestieren, so in der Französischen Revolution 1792, in der Sowjetunion 1929, bei den italienischen Faschisten 1922.

(Jetzt gerade schreiben wir das Jahr 227 der ère republicaine = ère vulgaire 2019.)

Hinweise: >
https://de.wikipedia.org/wiki/Französischer_Revolutionskalender
https://fr.wikipedia.org/wiki/Calendrier_républicain

Calendrier republicain, Décrété par la Convention nationale, pour la IIe année de la République françoise; avec les mois et jours correspondans de l'ancien calendrier.
> https://archive.org/details/calendrierrepubl00fran

Repräsentationsformen in der ›Schwarzen Szene‹

(Darüber sprach an der Tagung vom 21.9. Patricia Scheurer, von der dieses Exposé stammt.)

Zu Beginn als Gothicszene oder als Gruftiszene bezeichnet, ist die Schwarze Szene in den 1980er-Jahren als Jugendbewegung aus der Punk-Szene entstanden. Seither ist die Szene nicht nur mit ihren Mitgliedern gealtert, auch die stilistische Breite ist inzwischen zu einer solch grossen Vielfalt an musikalischen und ästhetischen Stilrichtungen angewachsen, dass die Szene nun unter dem Oberbegriff «Schwarze Szene» zusammengefasst wird.

Dass trotz dieser Vielfalt an Substilen und gleichzeitiger Überschneidungen mit anderen Szenen – als Beispiele wären etwa die Metal-, Mittelalter- oder Fetish-«Szene» zu nennen – von einer «Schwarzen Szene» gesprochen werden kann, erklärt sich zum einen durch die starke Verflechtung der verschiedenen Substile, zum andern durch eine gemeinsame Mentalität.

Diese starke Verflechtung bzw. die fliessenden Übergänge zwischen den Substilen ergeben sich aus den vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten der stilistischen Anleihen ebenso wie aus der stilistischen Varianz von Bands unter diachroner Perspektive und wird auch von den Szenemitgliedern immer wieder aufs Neue hergestellt, indem sie sich abwechselnd in verschiedenen Substilen «bewegen». Die hier postulierte Mentalität ist als «Gesamtheit von Gewohnheiten bzw. Dispositionen des Denkens und des Fühlens und des Wollens oder Sollens in sozialen Gruppen» (Hermanns 2012) zu verstehen, wie sie aus der ethnologischen Studie von Schmidt/Neumann-Braun (2008) zur «Welt der Gothics» hervorgeht.

Grundlegend erachten Schmidt/Neumann-Braun die Schwarze Szene als «Gemeinschaft von Individualisten», die sich in Kontrast zur Gesellschaft verstehe, jedoch ohne einen gesellschaftlichen Umbruch anzustreben. Vielmehr fungiere die Szene als Ausgleichsinstanz zum Alltag und nehme eine gesellschaftsstabilisierende Funktion wahr, indem die Mitglieder in der Szene das ausleben könnten, wofür im Alltag kein Platz sei. Das Szenenleben sei folglich nicht auf Konfrontation mit der Gesellschaft angelegt, sondern als subtiler, subversiver Protest zu verstehen, der – etwa im Unterschied zu Punk – die Integrationsfähigkeit der Mitglieder in der Gesellschaft nicht beeinträchtige. Konkret richte sich der Protest gegen den Spass- und Leistungsanspruch der Gesellschaft, der als defizitär erachtet werde, da Oberflächlichkeit, Unaufrichtigkeit und Feigheit damit einhergehen. Auf diesem Hintergrund stilisiere sich die «Schwarze Szene» zur Instanz in der Gesellschaft, die einen offenen, ehrlichen und substanziellen Umgang lebe, nicht zuletzt durch die freiwillige und ungeschützte Konfrontation mit Angst erzeugenden Themen und Ereignissen und der Anerkennung des Gefühls als werthaltige Kategorie. Dabei sei das Bekenntnis zu Gewaltlosigkeit, Nichtausgrenzung und Toleranz zentral. Insgesamt lasse sich dennoch keine typisch «schwarze» Sicht- oder Lebensweise feststellen, vielmehr sei es die reflektive Suche nach eigenständigen Sicht- oder Lebensweise selbst, die als typisch zu erachten sei.

Dass die Ästhetik der Schwarzen Szene nicht primär auf Konfrontation mit der Gesellschaft angelegt ist, sondern der Erzeugung einer besonderen Atmosphäre, der Repräsentation der eigenen Befindlichkeit dienen soll, wird von aussen oft nicht verstanden. Auch wird die verwendete Symbolik zuweilen fehlinterpretiert, etwa als Ausdruck von Satanismus, Todessehnsucht, Aufmerksamkeitsdefizit oder sexueller Aufreizung. Diese Fehlinterpretationen lassen sich auf das grundlegende Problem zurückführen, dass sich die Ästhetik der Schwarzen Szene an kulturhistorisch aufgeladener Symbolik orientiert – diese aber bricht bzw. in einen anderen Kontext stellt. Es wird jedoch nicht nur der Gehalt verwendeter Symbolik – allen voran der Farbe Schwarz – oft missverstanden, durch ihre «allgemeine Zugänglichkeit» erfüllt sie im Alltagsleben auch nur bedingt die von Hebestreit (2018) postulierte Funktion der Gruppenkonstiuierung. Dafür fällt diese anlässlich von Veranstaltungen umso augenfälliger aus, wo-durch die Szene zuweilen auf Äusserlichkeiten reduziert zu werden droht (so etwa bei Tauscheck 2017).

In meinem Referat «Von Provokation bis Prunk – Repräsentationsformen der Schwarzen Szene» versuche ich deshalb nicht nur den Gehalt «schwarzer» Symbolik, sondern auch die Problematik der Interpretation von Repräsentation aufzuzeigen. Was von wem warum als Provokation empfunden wird, hängt ebenso vom interpretativen Bezugsrahmen ab wie Prunk nicht einfach nur für Kostümierungsfreude steht.

Hier das Exposé mit Bildmaterial und Literaturangaben und Links als PDF

Hier eine Kurzfassugn des Referats als PDF

 

zum Tagungsprogramm

Corporate Design

••• Firmen, die sehr ähnliche Produkte herstellen (Waschmittel, Zahnpasta, Sportschuhe), stehen unter einem enormen Druck, sich zu vermarkten. Hier dient die Darstellung des Aggregats also weniger der Identitäts-Bildung als der Abgrenzung.

Zur leicht wiedererkennbaren Präsentation (Corporate Design, Erscheinungsbild) wurden im Laufe des 20.Jhs. diverse optische Mittel entwickelt.

• Das Logo

Dieses kann ein stilisiertes veristisches Bild sein (das Krokodil der LACOSTE, die Muschel von SHELL, der Pinguin von PENGUIN BOOKS)

oder ein Pictogramm wie von BRITISH RAIL https://en.wikipedia.org/wiki/British_Rail

• Eine bestimmte Form der Verpackung; berühmt sind die Flaschen COCA-COLA oder WC-ENTE oder von ODOL (ist so im Regal auffällig):

• Eine einprägsame Typographie des Markennamens: COCA-COLA; oder hier der Schriftzug, den der Elektroingenieur und Designer Hans Hilfiker 1958 der Elektro-Firma THERMA gab:

••• Es fragt sich sodann, woher die Idee zu diesen Logos jeweils kommt.

• Dass ein Tierschutzverein als Logo ein sympathsich aussehendes Tier wie eine Eule verwendet, leuchtet ein. Das auf der Liste der gefährdeten Arten stehende Neunauge ist weniger attraktiv.

• Dass engl. ›shell‹ eine Muschel bedeutet, ist klar, aber woher hat das Mineralöl-Unternehmen Royal Dutch SHELL diesen Namen und dann dieses Logo?

• Woher kommt der Swoosh der Sportartikelfirma NIKE?

(Besitzerin: Sabine; Foto von P.M.)

• Evident ist die Herkunft der Armbrust, die 1931 von der »Zentralstelle für das Schweizerische Ursprungszeichen« kreiert wurde. Freilich muss man die Sage des Nationalhelden kennen:

Hinweise dazu:
> http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D48949.php
> https://www.emuseum.ch/objects/85506/schweizerware
> Anne Pastori Zumbach, «Sous le signe de l’arbalète – la Marque suisse d’origine», in Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 58 (2001 / Heft 3), S.217–228. (online)

• Und warum werden solche Logos von Zeit zu Zeit abgeändert? Dasjenige der Firma Starbucks hat eine gute Vorfahrin (Mitte 15.Jh.):


> Cod. Pal. germ. 311: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg311/0330/image


> Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Starbucks


Was zählt? Überlegungen zum Aggregieren und zu den Modalitäten chiffrierter Güterabwägungen in den (pseudo-)sozialen Netzwerken

(Darüber sprach an der Tagung vom 21.9. Ursula Ganz-Blättler, von der dieses Exposé stammt.)

Mit dem Begriff der „selbstlernenden Algorithmen“ werden in der Informatik Softwareprogramme bezeichnet, deren Rechenvorgänge Datenstrukturen erkennen und entsprechende Informationen aufgrund vorangehender Programmieranweisungen selbständig speichern und verarbeiten können. Solche „programmierten Programme“ werden etwa von Internetplattformen (sogenannten Social Media wie facebook oder YouTube) eingesetzt, um grosse Mengen an Text-, Audio- und Bild-Daten nach bestimmten vorgegebenen Bedeutungsmerkmalen zu durchforsten. Entspricht ein aufgefundenes semantisches Feld den gesuchten Kriterien, wird der betreffende „Inhalt“ einem Set vordefinierter Befehle unterworfen.

Die Bandbreite der automatisierten Such- und (Be-)Handlungsoptionen im Netz ist bereits heute beeindruckend. Ein „Sammeln und nach der Formel xy auswerten“ bedeutet für die Marketingabteilung werbetreibender Social-Media-Partner, dass sich per Maschinen-Entscheid individuelle Nutzerprofile anlegen und entsprechende Kaufangebote ad personam formulieren lassen. Der Befehl „Suchen nach Gleichwertigem und in die Angebotsschlaufe einfügen“ schlägt mir weitere ähnliche Gegenstände wie den eben genutzten vor und nimmt mir so die Entscheidung ab, was ich als nächstes in Betracht ziehen will. Ein dritter in der datenverwaltenden Praxis solcher Plattformen besonders häufiger Befehl lautet: „Löschen, und das identifizierte Angebot bzw. dessen Anbieter auf den Index setzen“. Dass im letzteren Fall der Schutz vor ungewollten (zum Beispiel gewalthaltigen oder pornografischen) Inhalten im Vordergrund steht, ist leicht verständlich und auch durchaus nachvollziehbar.

Wie immer im Umgang mit präventiven Schutzmassnahmen stellt sich aber die Frage, wer hier das uneingeschränkte Recht auf Schutz wovor genau geniesst, und wem es letztlich obliegt, die entsprechenden Programme zu programmieren – mit welchen Eigeninteressen (a), welcher tatsächlich zu erwartenden „Treffsicherheit“ (b) und welchen Transparenzgeboten hinsichtlich der Kennzeichnung der Schutzabsicht für direkt oder indirekt Betroffene (c). Was ist nämlich, wenn der search-and-destroy-Befehl seiner (… primären Lösch-)Aufgabe nicht „am hellichten Tag“, sondern grundsätzlich diskret und auf leisen Sohlen nachgeht?

Letztlich stellen solche „intelligenten“, aufgrund sprachlicher Kriterien und mit mathematischer Präzision ausschliessenden Überwachungstechniken wieder einmal die Frage nach der Verantwortung von (programmierenden, aber auch schreibenden, lesenden und handelnden) Menschen in einer freiheitlichen Gesellschaft: Wer aggregiert und sortiert, nach welchen Spielregeln und Programmgrundsätzen?

Das Exposé hier als Word-Dokument (mit Literaturangaben)

Der ganze Aufsatz hier online

Weitere Hinweise:

• Thema Zensur im Netz:

Tusch, Robert: Sperrung der Jüdischen Allgemeine aufgehoben. Doch die Zensurvorwürfe bleiben. In: Meedia vom 13.05.2019; vgl. https://meedia.de/2019/05/13/twittersperrt-sperrung-der-juedischen-allgemeine-aufgehoben-doch-die-zensurvorwuerfe-bleiben/ (04.06.2019)

• Thema Algorithmen und Scoring (ernsthafte Diskussionsbeiträge):

Sind Bewertungen durch Algorithmen diskriminierend? Bildungsforscher Gert Wagner im Gespräch mit Deutschlandfunk-Redakteur Axel Rahmlow (27.11.2018); vgl. https://www.deutschlandfunkkultur.de/debatte-um-scores-und-einordnungsysteme-sind-bewertungen.1008.de.html?dram:article_id=434365 (04.06.2019)

• Thema Algorithmen (Sachen zum Lachen):

Fit für die Zukunft. Angestellte lässt sich zum Computer umschulen. In: Der Postillon vom 29.03.2019; vgl. https://www.der-postillon.com/2019/03/umschulung-computer.html (04.06.2019)
Sweaty Machines: Blue Jeans und Bloody Tears. A Eurovision song created by Artificial Intelligence; vgl. https://www.youtube.com/watch?v=4MKAf6YX_7M (04.06.2019)

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※ Embleme veranschaulichen die Eintracht in der Vielfalt anhand der Bienen-Allegorie

Die Allegorie ist zunächst ein allgemeines Konzept und betrifft noch nicht ein konkretes soziales Aggregat.

••• Vergil beschreibt in der »Georgica« IV, 176ff. den Bienenstaat mit deutlichen Bezug zum menschlichen Idealstaat. – Das aufeinander abgestimmte Zusammenwirken der Drohnen, Arbeiterinnen und der Königin wurde immer wieder allegorisch ausgelegt. (Bei Dietmar Peil, Untersuchungen zur Staats- und Herrschaftsmetaphorik …, München: Fink 1983 gibt es ein einschlägiges Kapitel dazu.)

••• Das Bild im Emblem von Johannes Sambucus 1531–1584 zeigt einen Herrscher neben fliegenden Bienen.

Joannes Sambucus, Emblemata, Antwerpen: Christophe Plantin 1564.
> http://www.emblems.arts.gla.ac.uk/french/emblem.php?id=FSAb076

Mixtus status οὐκ ἄνευ ἄρχοντος πρώτου.

Hier die Übersetzung bei French Emblems at Glasgow: Mixed constitution not without a first magistrate — Let us follow the habits of flower-gathering bees who wander in summertime: a mix of powers after their custom. They worship Kings and Commanders (to these go the seeds of eternal Mind) and obey laws and the call to arms. They watch their leaders, and those with the best opinions they wish unanimously to rule by right over all. The Prince is nothing without counsel, and the rest of the Senate undertakes [to work], and thus they observe the work laid upon them. They practise war, they provide images of peace; they drive out the idle, and give rewards to the good. Place them as examples before you, unless a man who wishes to have just the name without the reality can be respected as a monarch. No less than the others, he obeys his own orders, in which there is justice, and avoids causing losses to the people. If someone hopes for such a ruler, you, Ferdinand, greatest of Emperors, certainly are, and your Maximilian will be such a man.

••• Bei Joachim Camerarius (1534–1598) zeigt Emblem III, Nr. 90 Bienenstöcke, und als Motto steht: Labor omnibus unus, in der zeitgenössischen Übersetzung: Gleiche Mühe/ gleiche Ruh | Findet man hier immerzu. Im Kommentar steht u.a.: Mit diesem Sinn-Bild wird die Sorg und der Fleiß wohl zu regieren angedeutet/ sampt dem Gehorsam der Unterthanen.

Joachim Camerarius, Symbolorum et Emblematum ex Volatibilibus et Insectis desumptorum Centuria tertia, Nürnberg 1596.
> http://diglib.hab.de/drucke/18-6-eth/start.htm

••• Die »Emblemata Politica« von Peter Isselburg (ca. 1580 – 1630/1631) und Georg Rem (1561–1625) gehen auf die 1613 entstandene Innendekoration des Nürnberger Ratshaussaals zurück; dementsprechend ist das Programm zu verstehen.

Emblemata Politica In aula magna Curiæ Noribergensis depicta; Quæ sacra Virtvtvm suggerunt Monita Prvdenter administrandi Fortiterqve defendendi Rempublicam / [depicta ... Petr. Iselburg glyptes. CIC ICC XVII.]. [Nürnberg]: Iselburg, 1617.
Nr. 24: Dulcis concordiæ fructus (Süß ist die Frucht der Eintracht)
> http://diglib.hab.de/drucke/uk-40/start.htm?image=00068

In der Ausgabe mit deutschen Versen 1640 lauten die Verse:

In einem Stock viel Bienlein klein
Machen den süssen Honigsein/
In Einigkeit bleiben beysamm/
Vnd wird keines dem andern gram.
Viel Burger/ so si friedsam seyn/
Mit Nutz sind in eim Städtlein klein.

Wolf Helmhardt von Hohberg (1612–1688) verwendet das Emblem ebenfalls:

Florens respublica (Im Wohlstand stehendes Gemeinwesen)

Wer wil mich führen in eine veste statt! [Psalm 108,10 Luther]
Gleich wie die Bienlein sich um ihren weisel* machen
sie weichen, wo er weicht, und bleiben wo er bleibt:
So geht gemainer nuz auch fort; wann Fürsten wachen
und underthanen stets gehorsams Lieb antreibt
.

*) Weisel: Führer des Bienenstaats, modern: Bienenkönigin.

Lust- und Artzeney-Garten des Königlichen Propheten Davids. […] Da zugleich jedem Psalm […] auch ein in Kupffer gestochenes Emblema beygefügt worden. […] Regensburg: Georg Sigmund Freysinger / Conrad Emmerich 1675.
Reprint, hg. Grete Lesky, Graz: ADVA 1969
> http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00095142/image_591

Der Physikotheologe Adam Gottlob Schirach (1724–1773) bezieht den Bienenstaat dann auf eine konkrete Situation (Textausschnitte S. 158ff.)

Nun folget die dritte Art ihrer Liebe die gesellige Liebe oder die recht Einigkeit. Eine Biene ohne Gesellschaft ist ein hülfloses Geschöpf. Aber welche sind sie nicht im Ganzen zu thun vermögend? Sie sind alle eins in vergeschwisterter Liebe und Treue. Alles was zu ihrem Wohlstande ist, verrichten sie einig und gesellschaftlich.

O wie beschämt uns hier die wohleingerichtete Bienen-Republik und ihre gesellige hülfreiche Liebe und Freundschaft, die uns ihr Schöpfer zum Fürbilde vorgestellt!

Ihr vereinigten Staaten Hollands habt dahero Recht: Concordia res parvae crescunt, Discordia vero maximae dilabuntur! Durchdrungen von dieser unvergleichlichen Tugend der Bienen wünsche ich herzlich daß alle Provinzen und Gemeinen unsers lieben Vaterlandes sich dies reizende Bild zur Nachahmung vorstellten: so würden wir auch dem Nutzen nach reiche Bienenstöcke werden die immer genung hätten.

Würde doch mein Wunsch und Bitten erhört zu einer Zeit da alles ersinnliche von unsrem Theuersten Landes-Vater und Mutter angewandt wird, Sachsen blühend zu machen!

(Wer ist gemeint? Luise Dorothea von Sachsen-Gotha-Altenburg † 1767 ?)

Melitto-Theologia. Die Verherrlichung des glorwürdigen Schöpfers aus der wundervollen Biene. Nach Anleitung der Naturlehre und Heiligen Gottesgelahrtheit, in erbaulichen Betrachtungen, und zu besserer Erläuterung ihrer Natur und Eigenschaft, mit eingestreuten öconomischen Anmerkungen abgefaßt von Adam Gottlob Schirach. Dresden: Walther 1767.
> https://hdl.handle.net/2027/wu.89098888795?urlappend=%3Bseq=206

 

Der Sprachstil zeigt die Zugehörigkeit zu einer wissenschaftlichen Gruppe

Abgesehen vom Wandel der methodischen Zugänge und Interessen ist in den Geisteswissenschaften seit langer Zeit der Stil der Publikationen Ausdruck der Zugehörigkeit zum (im Moment gerade einzig relevanten, und alles Frühere außer Kraft setzenden) Trend.

Max Weber sagte in seinem 1919 gehaltenen Vortrag »Wissenschaft als Beruf«:

Auf dem Gebiet der Wissenschaft aber ist derjenige ganz gewiss keine »Persönlichkeit«, der als Impresario der Sache, der er sich hingeben sollte, mit auf die Bühne tritt, sich durch »Erleben« legitimieren möchte und fragt: Wie beweise ich, dass ich etwas anderes bin als nur ein »Fachmann«, wie mache ich es, dass ich, in der Form oder in der Sache, etwas sage, das so noch keiner gesagt hat wie ich? – eine heute massenhaft auftretende Erscheinung, die überall kleinlich wirkt, […] > https://www.textlog.de/weber_wissen_beruf.html

Der Germanist Klaus Laermann polemisierte in der »Zeit« (30. Mai 1986) brillant gegen den damals aufkommenden modischen Stil, unter dem Titel Lacancan und Derridada. Frankolatrie: gegen die neuste Mode, den neuesten Nonsens in den Kulturwissenschaften. Digital hier. – Ein weiterer Aufsatz von ihm zu diesem Thema erschien in der »NZZ« am 11./12. September 1993 unter dem Titel »Der Zwang zum Wechsel. Moden in den Geistes- und Sozialwissenschaften«.

Der Physiker Alan Sokal konnte 1986 einen Hoax-Artikel publizieren, in dem er den Jargon der Sozialwissenschaften karikierte, der den Redaktoren der Zeitschrift nicht suspekt war. > https://de.wikipedia.org/wiki/Sokal-Affäre

Der Zoologe Richard Dawkins verfasste 1998 einen Aufsatz “Postmodernism Disrobed”, in: Nature 394 (6689), pp. 141–143. Digital hier.

Dawkins zitiert den Nobelpreisträger Peter Medawar: “Style has become an object of first importance, and what a style it is! For me it has a prancing, high-stepping quality, full of self-importance; elevated indeed, but in the balletic manner, and stopping from time to time in studied attitudes, as if awaiting an outburst of applause. It has had a deplorable influence on the quality of modern thought ...”

Mit dem Computerprogramm “Postmodernism Generator” (written by Andrew C. Bulhak using the Dada Engine, a system for generating random text from recursive grammars) lassen sich solche Texte in beliebiger Fülle generieren: http://www.elsewhere.org/pomo/

Heinz Weber zitiert in seiner sprachsoziologischen Dissertation (Studentensprache, Weinheim/Basel 1980) im Kapitel 4.5.1. »Die ›Bluff‹-Sprache« (S. 243ff.) aus einem Interview :

ah (stöhnt)/ das genau charakterisieren kann ich das nich/ sind bestimmte Begriffe/ bestimmtes Ausmaß an an an Fremdwörtern/ bestimmtes /ähm/ für mich als drum rum schwätzen an an der eigentlichen Sache/ daß daß die Leut halt manchmal reden und reden und reden und ich denk manchmal da kommt überhaupt nix/ und und wenn man sacht [sagt] ja jetzt hör mal auf/ und so dann sacht "reichts" ich bin ja immer noch nich dabei was ich eigentlich sagen will also daß so unheimlich rausgezogen is nä / auch/ wahnsinnig drumrumgeredet wird wo man/ vielleicht um um den Inhalt zu kennzeichnen vielleicht/ vier oder fünf Sätze nur bräucht hmh also son so rumgeschwätz wirklich rumgelabere /uh/ wo wo man irgendwie Sand in die Augen geschüttet kriegt

 

※ Die ›Kappeler Milchsuppe‹

Am Ende des Ersten Kappelerkriegs (vgl. den Artikel im HLS) sei es nach zeitgenössischen Berichten zu einer Fraternisierung der beiden Parteien gekommen: Die Vertreter der katholischen Fünf Orte – Gebiete mit Viehzucht und Milchwirtschaft – stifteten die Milch, und diejenigen der reformierten Kantone – Gebiete mit Getreideanbau – Brot zum Eintunken in eine Suppe. – Der Krieg endete ohne Blutvergießen.

Uff ein tag brachtend etlich gsellen von den fünf orten ein mutten milch uff die wacht. Diewyl sy aber brots mangleten, stalten sy die mutten an mitten uff die march, batent die Zürcher, so uff der anderen syten stundent, brot darin zu brochen. Das geschach. Also aßent beid partheyen uß eyner mutten oder prenten, und doch ein jeder uff sym erterich – und welcher theyl mit dem löffel zu wytt in die prenten hangen wolt, so schlug ihm der ander theyl den löffel uff die knoden, sprechende: Friß uff dynem ertrich. Ich meyn, das hieß suber und früntlich kriegen.

Mutt: Hohlmaß für Getreide
Prente, Bränte: hölzernes Gefäß
March: Grenzmarke
Knoden: Knöchel

Johann Stumpf [1500–1577/78], Chronica vom Leben und Wirken des Ulrich Zwingli, [hg. Leo Weisz], 2., stark erw. Aufl., Zürich: Reformierte Bücherstube, 1932 (Quellen und Studien zur Geschichte der helvetischen Kirche, Erster Band), S. 144.

Bild von Heinrich Thomann (1544–1619) aus der Reformationschronik von Heinrich Bullinger, Zentralbibliothek Zürich, Ms B 316 (ca. 1605/06)
> https://www.e-manuscripta.ch/zuz/chroniken/content/pageview/937460

Bronzerelief an der limmat-seitigen Türe des Großmünster in Zürich (Otto Münch [1885–1965], 1939) mit einem Bildprogramm zur Reformation in Zürich. (Foto von PM)

Und hier das Bild von Albert Anker (1869)
> https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Anker_Kappeler_Milchsuppe_1869.jpg

※ Der ›Geschmack‹ als Ausdruck des Mitte des 18.Jhs. aufkommenden Bürgertums

Dazu ein Kapitel aus einer umfangreicheren Untersuchung zur Aesthetik von Andreas Hebestreit hier als PDF zum Download — Daraus kurze Textauszüge:

Eine Gesellschaft, die einen Wandel und einen Umbruch anstrebt, findet das Schöne primär dort, wo sie es selber aktiv beeinflussen und formulieren kann – mithin in ihrer Kunst.

Das sich im Verlauf des achtzehnten Jahrhunderts neu formierende Bürgertum liefert eine der bis anhin ausführlichsten Illustrationen dafür, wie die Ästhetik wesentlich bei der Selbstfindung sozialer Körper mitwirkt und in diesem Prozess zugleich selber an Profil gewinnt.

Geschmack zeigen, Geschmack äußern, das heißt, sich zu einer Gesellschaftsform bekennen, respektive zu den Ausdrucksformen einer Gesellschaft, die diesem Geschmack besser entsprechen soll als die im Moment noch vorherrschende abgeschmackte.

Johann Gottfried Herder hat den föderalen Charakter der Geschmacksbildung mit sicherem Gespür erfasst, wenn er betont, der unter mehreren Ständen verbreitete, bessere Geschmack habe dafür gesorgt, dass kein einzelner Stand mehr das Vorrecht habe, allein, falsch und schlecht kultiviert zu sein (in: »Ursachen des gesunkenen Geschmacks bei den verschiedenen Völkern, da er geblühet«, 1775).

 

※ Typographie als Bekenntnis einer Gruppierung

Das der Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie dienende Netzwerk »Blood and Honour« (in Deutschland seit 2000 verboten) präsentiert sein Logo in einer Frakturschrift:

Auch andre Gruppierungen, Lokale, Bands dieser Richtung verwenden die Fraktur. Damit soll natürlich typographisch die Nähe zur entsprechenden Partei konnotiert werden. Bei genauer historischer Betrachtung erweist sich diese Assoziation freilich als Eigentor:

Nach der Wahl von A.H. zum Reichskanzler 1933 wurde die Verwendung der Frakturschrift in sämtlichen amtlichen Drucksachen gefordert. Die gebrochene Schrift wurde als arteigene deutsche Schrift bezeichnet; die Antiqua galt als fremdländisch.

Nach den anfänglichen militärischen Erfolgen im 2.WK behinderte die Fraktur aber die Verständigung der deutschen Behörden mit der Bevölkerung der besetzten Gebiete; auch wollte man Propagandatexte nicht durch die typographische Sonderstellung als typisch deutsch markieren.

Am 3. Januar 1941 entschied sich der Führer für die Einführung der Antiqua; sein Stellvertreter Martin Bormann erklärte in dessen Auftrag u.a.: In Wirklichkeit besteht die sogenannte gotische Schrift aus Schwabacher Judenlettern. (Abdruck bei Kapr S.81; digital hier> http://ligaturix.de/bormann.htm)

(Es gab nie einen Drucker namens Schwabacher; die Schrift wurde erstmals 1472 verwendet; Luthers Septembertestament (1522) ist in dieser Type gesetzt – und er war wahrlich nicht jüdisch.)

Literatur:

Albert Kapr, Fraktur. Form und Geschichte der gebrochenen Schiften, Mainz: Hermann Schmidt 1993.

Siehe auch > https://de.wikipedia.org/wiki/Antiqua-Fraktur-Streit#Normalschrifterlass

> https://vau-ef-be.beepworld.de/frakturverbot.htm


※ Vom Konzentrationslager zur Travestie-Show. Zum Bedeutungswandel des rosa Winkels als gruppenkonstituierendes Symbol

(Darüber sprach an der Tagung vom 21. September Beate Schappach, von der dieses Exposé stammt.)

Berlin 1936: Die Nationalsozialisten führen ein Kennzeichnungssystem für Gefangene in Konzentrationslagern ein. Verschiedenfarbige Dreiecke auf der Häftlingskleidung bezeichnen den Grund der Inhaftierung. Ein rosa Winkel markiert Männer, denen gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen vorgeworfen werden.

Berlin 2019: Die US-amerikanische Drag Queen Pansy präsentiert in der Volksbühne ihre schrille Travestie-Show „High Drag“. Sie tritt vor das jubelnde Publikum – gekleidet in einen riesigen, paillettenübersäten rosa Winkel.

Der Vortrag zeichnet die Reise des rosa Winkels vom Nationalsozialismus über die Schwulenbewegung der 1970er und AIDS-Gruppierungen der 1980er Jahre bis zur Verwendung in der Gegenwart nach. In seiner bewegten Geschichte wandelt das Symbol mehrfach seine Bedeutung: von der Fremdzuschreibung zur Selbstbeschreibung, von der Ausgrenzung zur Emanzipation. Stets dient es jedoch der Konstituierung und Repräsentation sozialer Gruppen.

Diese gruppenkonstituierende Wirkung entsteht durch das Zusammenspiel von Ikonographie, Rhetorik und szenischem Vorgang. Daher werden für jede Phase der Nutzung des rosa Winkels die Beziehungen zwischen dessen graphischer Gestaltung, der begrifflichen Bezeichnung (›Homosexuelle‹, ›Schwule‹, ›AIDS-Kranke‹ etc.) und der Verwendung dieser Symbole in Schauhandlungen analysiert. Die Untersuchung des Bedeutungswandels des rosa Winkels zeigt darüber hinaus, wie jede Neuverwendung des Symbols sowohl die jeweils vorangegangene Bedeutung reaktualisiert als auch eine neue Bedeutung anlagert.

Ausschnitt aus der Tafel auf Wikipedia

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※ Erzählgemeinschaften auf der Basis von Mythen

Der Theologe Johann Baptist Metz hat (Kleine Apologie des Erzählens, in: Concilium, 9/5, 1973, S.334–341) das Christentum eine »Erzählgemeinschaft« genannt. Das lässt sich erweitern: Ganze Kulturen teilen einen Schatz von Narrativen und sie definieren sich mitunter über diese. Dabei sind es nicht nur die Inhalte, sondern auch Erzählmuster (z.B. eschatologischer Geschichtsverlauf auf ein Endziel hin).

Zugehörigkeit zu einer Gruppe kann man markieren, indem man die gemeinsamen Geschichten heraufbeschwört und (immer wieder) aufsagt.

Gündungsmythen (Der Trojaner Aeneas gründete Rom), genealogische Herkunftsgeschichten (origo gentis); Saddam Hussein sah sich als Nachfolger von Nebukadnezar II. – Vgl. auch das hier zum Rütlischwur Gesagte.

Autoritative Erzählsammlungen wie z.B. der Koran, die Bibel (in der katholischen Liturgie nach der Perikopenordnung vorgetragen; bei den Zwinglianern entlang der Reihenfolge der biblischen Bücher).

Im Christentum wird die Erzählung konzentriert auf den Einsetzungsbericht Hoc est Corpus meum, quod pro vobis tradetur. […] hic est enim calix Sanguinis mei […] – und das Credo: Credo in unum Deum, Patrem omnipotentem, omnium visibilium et invisibílium factorem. […] (Wobei es hier verschiedene Varianten je nach Kirche gibt...)

Zum Gründungsmythos von Rom: Aeneas trägt seinen Vater Anchises aus dem brennenden Troja (im Bild nicht gezeigt der Sohn Ascanius); Holzschnitt von Virgil Solis (1514–1562) zu Ovid, Metamorphosen XIII, 623–627; vgl. Vergil, Aeneis II, 721ff.

 

Mahlgemeinschaft

Wer zum gemeinsamen Essen eingeladen wird, gehört zur Gemeinschaft. Aber bitte abgestuft, gemäß einer genauen Sitzordnung:

Johann Christian Lünig (1662–1740): Theatrum Ceremoniale Historico-Politicum, Oder Historisch- und Politischer Schau-Platz Aller Ceremonien. Welche So wohl an Europäischen Höfen, als auch sonsten bey vielen Illustren Fällen beobachtet worden; Nebst Unterschiedlichen Hof-Ordnungen, Rang-Reglementen […], Leipzig: Weidmann 1719/1720. Anderer Theil (1720), S.1557
> http://diglib.hab.de/drucke/ge-2f-5-2b-1s/start.htm

In der Fruchtbringenden Gesellschaft (1617–1680) – die eine Wiederherstellung eines die Stände übergreifenden, tugendhaften gesellschaftlichen Lebens anstrebte – sind die konventionellen Förmlichkeiten gesprengt; man nennt sich mit dem Gesellschaftsnamen ohne Titulatur. Hier eine Tafelrunde im Emblem des Herzogs Wilhelm von Sachsen-Weimar (Kupferstich von Peter Isselburg):


※ Zeremoniell, Etikette

«Eine Zeremonie besteht aus einer Abfolge menschlicher Handlungen, die eine Ordnung symbolisch repräsentieren und sie gegenüber den Adressaten ästhetisieren. […] Es handelt sich bei Zn. um ein universelles Phänomen, da kein komplexeres politisches oder religiöses Ordnungssystem ohne Selbstdarstellung vorstellbar ist. Jede Normativität bedarf der sinnlichen Anschauung. Die Stilisierung von Herrschaft durch eine Z. beabsichtigt regelmäßig deren Stabilisierung.« Miloš Vec, Artikel »Zeremonie, Zeremonialwissenschaft« in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 12 (2004), Sp.1301–1305.

(Blütezeit der profanen Zeremonialwissenschaft: um 1700ff. Das Problem ist, dass in den Quellen die sinnlichen Inszenierungen peinlich genau beschrieben werden, über deren Integrationsfunktion indessen kaum etwas gesagt wird.)

Julius Bernhard von Rohr (1688–1742) beschreibt die Regeln des förmlichen Verhaltens (Etikette) in der feinen Gesellschaft. Über das Generelle schreibt er:

§ 1 Die Ceremoniel-Wissenschafft lehret, wie man bey einem und dem andern, so in die äusserlichen Sinnen fällt, sich einer besondern Pflicht erinnern, und überhaupt seine Handlungen nach den Umständen der Örter, Personen und Zeiten so einrichten soll, wie sie sich zur Sache schicken, und nach dem Urtheil der meisten oder vornehmsten vor wohlanständig gehalten werden.

§ 9 Eine Zeremonie ist eine gewisse Handlung, dadurch, als ein Zeichen, etwas gewisses angedeutet wird, und entweder denjenigen selbst, der die Zeremonie vornimmt, oder mit denen sie vorgenommen wird, oder auch wohl nach Gelegenheit die Zuschauer und Zuhörer einer gewissen Pflicht erinnern soll.

§ 29. Ob man gleich die Anfangs-Gründe der Ceremoniel-Wissenschafft aus einer und der anderen wohlabgefaßten Schrift erlernen kann, so muß man doch dieselbe durch den Umgang mit der großen Welt am meisten excoliren.

§ 34. Durch eine gemeine Beobachtung der eingeführten Zeremonien und angenommenen Gebräuche, befördert man manches Stück seiner zeitlichen Glückseligkeit; Man erlangt hierdurch die Liebe und Hochachtung derer, bei denen man sich aufhält, und macht sich einen guten Namen, man wird vor einen klugen, manierlichen, gefälligen Menschen angesehen.

Im Kapitel Von der Mode schreibt er (S.41):

§ 10. Öfters sind Privat-Personen[*], auch wohl gar schlechte und geringe Leute, die ersten Erfinder einer Mode, die nachgehend allgemein wird, nicht allein aus Gewinnsucht, […] sondern auch aus einer Begierde denen Höheren zu gefallen, und sich bei ihnen einzuschmeicheln, indem sie die Hohen der Welt mehr fürchten und lieben, als den großen Gott im Himmel, und sich in allen Stücken nach ihren Passionen richten; […]. Große Herren lassen sich denn dergleichen Vorschläge nicht selten gefallen, und nehmen zu ihren Schaden und zu ihrer disrenommee von denjenigen Gesetze an, denen sie Gesetze vorschreiben sollen. Mancher Kaufmann, Künstler, Schneider und andere dergleichen Leute, bilden sich bisweilen nicht wenig darauf ein, daß sie hierinnen vermögend sind, den Willen eines großen Herrn nach ihrem Gefallen zu lenken.

*) Privat-Person: jemand, der ohne öffentliches Amt ist, nicht-regierend.

Einleitung zur CEREMONIEL-Wissenschaft der Privat-Personen/ Welche Die allgemeinen Regeln/ die bey der Mode, den Titulaturen/ dem Range/ den Complimens, den Geberden, und bey Höfen überhaupt, als auch bey den geistl. Handlungen, in der Conversation, bey der Correspondenz, bey Visiten, Assembleen, Spielen, Umgang mit Dames, Gastereyen, Divertissemens, Ausmeublirung der Zimmer, Kleidung, Equipage u.s.w. Insonderheit dem Wohlstand nach von einem jungen teutschen Cavalier in Obacht zu nehmen/ vorträͤgt, … Berlin: J.A. Rüdiger 1728.
> http://www.deutschestextarchiv.de/book/show/rohr_einleitung_1728

Eine auffällige leibliche Geste ist das Compliment (die Verbeugung). Dazu von Rohr, I. Theil. VI. Capitul. § 25:

Es ist viel daran gelegen, daß ein junger Mensch einen zierlichen Reverence cavalierement machen kann, der mit einer wohlanständigen Mine vergesellschaftet werde, sintemal unterschiedene Fehler von Leuten, die doch sonst im übrigen wohl zu leben wissen, dabei vorgehen, einige machen sie dazu, manche machen ihre Reverences gar zu nachlässig, sie streichen den Fuß hinten weit aus, u.s.w

Die übertriebene Komplimentiererei wurde schon früh karikiert. Hier der Complimentier-Narr:

Centi-Folium stultorum in Quarto, Oder Hundert Ausbündige Narren in Folio. Neu aufgewärmet und in einer Alapatrit-Pasteten zum Schau-Essen, mit hundert schönen Kupffer-Stichen, zur ehrlichen Ergötzung, und nutzlichen Zeit-Vertreibung, sowohl frölich- als melancholischen Gemüthern aufgesezt; auch mit einer delicaten Brühe vieler artigen Historien, lustiger Fablen, kurtzweiliger Discursen, und erbaulicher Sitten-Lehren angerichtet, Wien: Megerle und Nürnberg: Weigel 1709.

Literatur hierzu: Manfred Beetz, Frühmoderne Höflichkeit. Komplimentierkunst und Gesellschaftsrituale im altdeutschen Sprachraum, Stuttgart: Metzler 1990.

 

Zur Theorie der Unbegrifflichkeit in der Beschreibung des Menschen: Vico und Blumenberg

(Darüber sprach an der Tagung vom 21.9. Ashraf Noor, von dem auch dieses Exposé stammt.)

Kant schreibt am Anfang der Abteilung der "transzendentalen Logik" in der Kritik der reinen Vernunft, dem grundlegenden Werk der neuzeitlichen Philosophie, über die Begriffe, die den Grundbestand der menschlichen Erkenntnis a priori ausmachen, dass sie "vollständig" sein müssten, und er führt aus: "Nur kann diese Vollständigkeit einer Wissenschaft nicht auf den Überschlag, eines bloss durch Versuche zustande gebrachten Aggregats, mit Zuverlässigkeit angenommen werden; daher ist sie zur vermittelst einer Idee des Ganzen der Verstandeserkenntnis a priori und durch die daraus bestimmte Abteilung der Begriffe, welche sie ausmachen, mithin nur durch ihren Zusammenhang in einem System möglich" .

Die Frage, wie die Einbildungskraft auf geregelte Weise die Grundstruktur der erkannten Welt durch den Sinnlichkeit und Verstand aufeinander beziehenden Schematismus der reinen Verstandesbegriffe hervorbringt, bildet das Zentrum von Kants Analyse. Nicht von Ungefähr werden die Untersuchungen Kants zur Einbildungskraft und zur "facultas signatrix" in Zusammenhängen, die nicht zum eng umgrenzten Bereich der reinen Struktur der in den mathematisierten Naturwissenschaften thematisierten Gegenstandswelt gehören, sondern in seiner Anthropologie in pragmatischer Hinsicht vorgenommen.

Auf die systematische Weiterführung der von Kant aufgerissenen Frage des Schematismus drängt Cassirer in seiner Philosophie der symbolischen Formen, seinem Versuch einer philosophischen Anthropologie sowie seinen Analysen zum Mythos in der Politik. Weniger in seinen veröffentlichten Schriften als in den Texten aus seinem Nachlass zu den "Basisphänomenen" bewegt er sich jedoch in Richtung eines Verstehens der Funktion der Unbegrifflichkeit, das fähig wäre, die Bedeutungen des Bildes zu analysieren, die etwa Buber in seinen Untersuchungen zur sozialen Utopie ("… ich glaube an die Begegnung von Bild und Geschick in der plastischen Stunde.": Pfade in Utopia), Bataille, Caillois und andere in den Sitzungen des Collège de Sociologie, Benjamin im Passagen-Werk oder Wittgenstein in seinen Philosophischen Untersuchungen und seinen Analysen zu Frazers Golden Bough thematisieren.

Der Beitrag widmet sich den vielfältigen Untersuchungen von Hans Blumenberg zur Unbegrifflichkeit im Phänomenbereich der Anthropologie und der Lebenswelt auf dem Hintergrund von Giambattista Vicos Erörterung der "sapienza poetica" in seiner Scienza Nuova. Es wird gefragt, wie sie eine Möglichkeit bieten, die Bedeutung des Symbols in der Beschreibung des Menschen im Hinblick auf soziale Aggregate zu erfassen.

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Kommers

Lange bevor Burschenschaften feierliche Kommersen begangen haben, muss es so etwas Ähnliches im hohen Norden gegeben haben:

Olaus Magnus (1555): De ritu bibendi Septentrionalium populorum (Über die hergebrachte Weise zu trinken bei den Völkern in den mitternächtigen Gegenden)

Historia De Gentibvs Septentrionalibvs, Earvmque Diversis Statibvs, Conditionibvs Moribvs, Ritibvs, Svperstitionibvs, disciplinis, exercitiis, regimine, victu, belis, structuris, instrumentis, ac mineris metallicis, & rebus mirabilibus, necnon vniuersis pene animalibus in Septentrione degentibus, eorumque natura. Opvs Vt Varivm, Plvrimarvmqve Rervm Cognitione Refertvm, ... maxima lectoris animum voluptate facile perfundens. Autore Olao Magn, Romae: G. M. de Viottis M.D.LV.
> http://runeberg.org/olmagnus/0545.html

Rituelle Handlungen

Die Selbst-Identifikation und der Fortbestand einer religiösen Gemeinschaft wird garantiert durch das Einhalten gewisser verbindlicher (Solidaritäts-)Riten.

• Inzensieren (Inzension) ist die Beräucherung von Altar, Kreuz, Ambo und Heiligenbildern mit verbrennenden Weihrauchkörnern. Dazu gibt es eine genaue Vorschrift. – Auszüge aus § 392 des »Repertorium Rituum« (Verweise auf die Zahlen des Bildes):

6. Nach der Incensation der Reliquien wird (ohne neue Inclination des Hauptes gegen das Kreuz …) der Altartisch incensirt, und zwar wird erst die hintere Hälfte der Mensa auf der Epistelseite, d.h. von der Mitte des Altartisches bis zum Untersatz der Leuchter in drei gestreckten einfachen Zügen, d.h. im 8. (dem Corporale am nächsten), im 9. und 10. Zuge (letzterer nahe an der Kante der Epistelseite), incensirt. … 7. Nach dem 10. Zuge lasse Clbr. [Celebrant], zur Ecke des Altares gewandt, die rechte Hand an der Epistelseite so weit hinab, daß das Rauchfaß beinahe den Boden erreicht; dann ziehe er von da bis zur halben Altarhöhe den 11. Zug, von da bis zur oberen Kante den 12. Zug, wodurch von selbst die Hand mit dem Rauchfasse wieder über die Altartafel kommt.

Ph. Hartmann, Repertorium Rituum, Paderborn: Schönigh, 5.Aufl. 1886, S. 680

• In der ethnographischen Literatur zur Zeit der Entdeckungen werden öfters Riten der indigenen Völker beschrieben. Hier:

Wann ein Königscher in der Insel Hispaniola/ seinem fürnembsten Abgott zu Ehren/ einen Festtag wil anstellen vnd Opffer thun/ setzet er all seinen Vnderthanen vnd Schutzverwandten/ den Männern so wol als den Weibern/ zu solcher Zusammenkunfft/ einen gewissen Tag an/ wann sie nun auff bestimbten Tag vnd gewöhnlichen Ort zusammen kommen/ stellen sie sich in ein gantz zierliche ordnung/ der Königsche zeucht mit einer gantz Hültzern außgehölten Trummen vor der Procession her/ in die Kirchen/ in welcher die Priester dem Abgott opffern/ und jhn mit Betten vnd grosser Andacht verehren.
   Sobald der Königsche darinnen sich in seinem gewöhnlichen Stul nider gesetzet/ fengt er an auff der Heerbaucken zu schlagen: Hierzwischen folget die gantze Procession/ vnnd alles Volck hernach/ die Männer gehen voranhin/ welche ihre Leiber vnd Angesichter mit schwartzer/ roter und gelber Farb angestrichen/ etliche aber sich mit Pappageyen vnd andern VogelFeddern vmbhenget vnd geschmückt.

   Deßgleichen hatten sie jhre Hälß/ Arm vnd Kniescheibem mit schönen Kräntzen/ güldenen Halßbanden von köstlichen Perlein gestickt/ vnd mit grossen PerlenMuscheln gezieret/ vnd allentlaben vmbhancket.
   Die Weiber gehen mit reinem Leib daher/ mit keiner Farb oder Salben angestrichen. Die Ehemänner aber verdecken jhre Scham mit Schleyern/ vnd reinen Seidnen Tüchern vnter dem Angesicht. Aber die Jungfrauen pflegen gantz nackend vnd bloß/ wie sie Gott in die Welt geschaffen/ zugehen.

Newe Welt Vnd Americanische Historien. Inhaltende Warhafftige vnd volkommene Beschreibungen Aller West-Indianischen Landschafften/ Insulen/ Königreichen vnd Provintzien, Seecusten/ fliessenden und stehenden Wassern[…] in diesem halben Theil deß Erdkreyses. Deßgleichen/ Gründlicher Bericht von der Innwohner beschaffenheit/ Sitten /Qualiteten/ Policei vnd Götendienst […] zusammen getragen […] Durch Johan Ludwig Gottfriedt. […] verlegt durch Mattheum Merian, Franckfurt am Meyn 1631. – Reprint: Hubert & Co. Göttingen 1980. S. 247f.

›Das Soziale als Gefäß‹ – Gedanken zur Töpferei des Neolithikums.

(Dazu sprach am 21. September Andreas Hebestreit.)

Nicht immer erweist sich das als unmittelbar plausibel Erscheinende auch als das Zutreffende. So schien es etwa lange Zeit plausibel, dass die so genannte Neolithische Revolution, also die Erfindung des Getreideanbaus parallel mit der Erfindung keramischer Gefäße verlief. Schließlich muss man Getreidekörner einweichen oder kochen, um sie genießbar zu machen. Inzwischen wissen wir es aber besser: Es hat durchaus Ackerbau gegeben ohne keramische Gefäße. Und es gab keramische Gefäße ohne Ackerbau. Wenn es aber keramische Gefäße ohne Ackerbau gab, welche Funktion hatten dann diese Gefäße?— Hier ist sich die Archäologie weitgehend einig: Es war eine symbolische Funktion. Fragt sich nur, was mit dieser Symbolik kommuniziert werden sollte. — Wenn man grundsätzlich davon ausgeht, dass jedes Symbol immer auch etwas über seine Verwender besagt, dann können die verschiedenen repräsentativen Gefäßformen des Neolithikums und der beginnenden Bronzezeit keine Zufallsresultate sein. Hier muss eine umsichtige Formanalyse ansetzen.

Der Vortrag ganz hier.

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Die soziale Einhheit als organischer Körper imaginiert

Im Jahr 494 v.u.Z. führte der Ständekampf zwischen den Patriziern und den (›unterprivilegierten‹) Plebejern zur sogenannten ersten secessio plebis: Aufständische Plebejer verschanzen sich auf einem Berg (dem mons sacer) ausserhalb der Stadt, verhalten sich aber mehrere Tage lang ruhig. In der Stadt ist die Lage gespannt, weil sich die von den Ihrigen zurückgelassenen Plebejer vor den Patriziern fürchten und diese sich vor jenen. Wie lange werden die Sezessionisten ruhig bleiben? Was, wenn ein aussenpolitischer Krieg ausbricht? Man erkennt, dass nur Einigkeit der Bürger die Stärke Roms ausmacht. Menenius Agrippa wird als Sprecher gesandt. Er wird ins Lager eingelassen und erzählt das Gleichnis vom Magen und den Gliedern (Quelle: Livius, ab urbe condita II, 32):

tempore quo in homine non ut nunc omnia in unum consentiant, sed singulis membris suum cuique consilium, suus sermo fuerit, indignatas reliquas partes sua cura, suo labore ac ministerio uentri omnia quaeri, uentrem in medio quietum nihil aliud quam datis uoluptatibus frui; conspirasse inde ne manus ad os cibum ferrent, nec os acciperet datum, nec dentes quae acciperent conficerent. Hac ira, dum uentrem fame domare uellent, ipsa una membra totumque corpus ad extremam tabem uenisse. Inde apparuisse uentris quoque haud segne ministerium esse, nec magis ali quam alere eum, reddentem in omnes corporis partes hunc quo uiuimus uigemusque, diuisum pariter in uenas maturum confecto cibo sanguinem.

Zu der Zeit, da im Menschen noch nicht wie jetzt alles in eins zusammenstimmte, sondern jedes einzelne Glied seinen eigenen Willen, seine eigene Sprache hatte, zürnten die übrigen Glieder darüber, dass ihre Sorge, ihre Arbeit und Dienstleistung dem Magen alles herbeischafte, indes der Magen, ruhig in der Mitte, nichts weiter tue, als dass er die dargebotenen Genüsse sich behagen lasse. Sie hatten sich hierauf verschworen, die Hände sollten keine Speise zum Munde führen, der Mund keine dargebotene annehmen, die Zähne keine zerkauen. Indem sie in solchem Zorne den Magen durch Hungere bändigen wollten, wurden zugleich die Glieder selbst und der ganze Körper völlig abgezehrt. Da zeigte sich, dass auch der Magen, nicht müßig, seine Dienste leistet, und sowohl nährt, als auch genährt wird, indem er das durch die Verdauung der Speisen zubereitete, Leben und Kraft gebende Blut in den Adern gleichmäßig verteilt und in alle Teile des Leibes zurückgibt.

Menenius kann die Gemüter der Menge umstimmen:

Comparando hinc, quam intestina corporis seditio similis esset irae plebis in patres, flexisse mentes hominum

Da überzeugte er die Leute, indem er verglich, wie der Aufstand der Eingeweide im Körper dem Zorn des Volks gegen die Väter ähnlich sei.

Die Plebejer kehren zurück, nachdem die Patrizier ihnen das Zugeständnis gemacht haben, ihnen künftig über die Volkstribunen Gehör zu verleihen.

Vgl. auch 1. Korintherbrief 12,12ff.

Literatur dazu: Dietmar Peil, Der Streit der Glieder mit dem Magen, (Mikrokosmos 16), Frankfurt/M. 1985.

 

Genealogie bewirkt Zugehörigkeit zu einer Gruppe

Geburt liny der hertzogen von Sophoy aus: Cosmographey oder beschreibung aller Länder/ Herrschafften/ fürnemmsten Stetten/ geschichten/ gebreuchen/ handtierungen etc. / Erstmals beschriben durch Sebastianum Munsterum/ auch durch jhn selbst gebessert […], Basel: Henricpetri 1567; pag. CXIX
> http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/muenster1567

Ein weitere eindrückliche Darstellung eines Stammbaums: Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 74.3 Aug, p. 226 > hier

Symbolische Darstellungen von Standesunterschieden im feudal-chinesischen Adel.

(Dazu sprach am 21. September Marc Winter.)

Bis zur sogenannten «Rebellion des An Lushan» im 8. Jahrhundert war China ein Reich, das auf die Existenz einer Adelsschicht aufbaute. Parallel, bzw. entsprechend dem Europäischen Feudalsystem existierten in China fünf Adelsränge, die von Übersetzern mit den europäischen Pendants gleichgesetzt wurden:

Original

James Legge

Rüdenberg

gong 公

Duke

Herzog

hou 侯

Marquise

Fürst

bo 伯

Earl

Graf

zi子

Viscount

Baron

nan 男

Baron

Freiherr


Die Adelsschicht musste innerhalb ihrer selbst weitere Differenzierungen zwischen den einzelnen Adelsstufen vornehmen, und dies geschah weitgehend über symbolische Formen, deren getreuliche Ausführung und Betonung die Konstruktion des Sozialen Aggregates erst ermöglichte. Erst diese Handlungen und die zur Durchführung angelegten Ritualorte erlaubten eine Abgrenzung der Adelsschicht gegenüber dem Rest der Bevölkerung, aber gleichzeitig wurde dort auch die Stratifizierung innerhalb der Adeligen markiert. Die adelsinternen Rangdifferenzen drückten sich in einer Vielzahl von Details aus, sei es die sprachliche Anredeform, Details an der Kleidung wie der Fellbesatz am Kragen oder die Konstruktion des Ahnentempels. In den Ritenhandbüchern der frühen Kaiserzeit werden diese Statusunterschiede klar benannt. Der sinologische Beitrag nimmt Betrachtungen dieser unterschiedlichen Statusmerkmale vor, wobei insbesondere das entsprechend der Feudalstruktur abgestufte System der Ahnenverehrung eingehender analysiert werden soll. Der Ahnentempel als zentraler Ort für die Ausführung ritueller Obliegenheiten war für das Selbstverständnis der Adelsschicht grundlegend und die dort vorgenommenen rituellen Handlungen sollten den Beistand der Ahnen sichern, aber auch Zeugnis sein der korrekten Generationenfolge der Herrscher.

Moderner Ahnenaltar auf Taiwan

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※ Eine historische Begebenheit evoziert Gemeinschaft

Die drei auf dem Rütli schwörenden Eidgenossen kommen öfters auf Titeln von Geschichtsbüchern vor:

   

Helvetiorum respublica, Diversorum auctorum …, Lugd. Bat.: Ex officina Elzeviriana 1627.

Hier (vor der Stadtvedute Zürichs). Buchtitel von Johann Meyer (1655–1712)
Eidtgnössische Geschicht-Beschreibung, das ist, Kurtzer Begriff aller in den loblichen XIII. und zugewandten Orthen der Eidtgnossschafft, wie auch dero nächst angrentzenden Landen, sintdem Anfang des helvetischen Namens biss auf das lauffende 1690. Jahr, vorgangener Sachen, mit möglichstem Fleiss und Unpartheylichkeit aus einer grossen Anzahl getruckter und geschribener Authorum, wie auch den Actis Publicis selbs zusammen getragen / durch Johann Heinrich Rahn, Zürich/ getruckt und verlegt in der Simmlerischen Truckerey 1690.
Das ganze Titelblatt hier > http://doi.org/10.3931/e-rara-14075

Die Drei Tellen sind immer wieder Identifikationsfiguren. In der Kuppelhalle des Bundeshauses in Bern steht eine monumentale Plastik von James Vibert (1914), wo die drei Männer vom Rütli den Bundsbrief vor sich entrollt haben. > https://de.wikipedia.org/wiki/Die_drei_Eidgenossen

In der Epoche der ›Regeneration‹ kommt es in der Eidgenossenschaft zu Zwistigkeiten auf verschiedenen Ebenen (herrschaftspolitisch [Zentralgewalt vs. Föderalismus], gesellschaftlich, konfessionell, bezügl. Pressefreiheit, Einfluss ausländischer Mächte usw.). Die Pariser Julirevolution hatte 1830 wichtige Signale gesetzt, und es kam zu Unruhen. Es stehen sich Konservative und Liberale gegenüber. Das Scheitern der Entwürfe für eine Bundesrevision 1833 war für viele Intellektuelle deprimierend. Erst 1848 ensteht Ruhe.

Es entstehen Gesellschaften zur Geschichtsforschung. Der Mythos der alten Gleichsinnigkeit und Freiheit wird Programm der neuen Zeit.

Martin Disteli (1802–1844), seit 1839 Herausgeber und Illustrator des »Schweizerischen Bilderkalenders«, stellte sich in den Dienst der liberalen Sache. Er zeichnet antiklerikale Karikaturen und Historienbilder.

1839 und 1840 behandelt Peter Jakob Felber (1805–1872) den Schweizerischen Bauernkrieg von 1653. Seine Quelle ist vermutlich: Johann Joseph Alois Vock, Der grosse Volksaufstand in der Schweiz oder der sogenannte Bauernkrieg im Jahr 1653, o.O., 1830.

Zum Bild (unten): Es werden die 7 Artikel des Sumiswalder Bundesbriefs vom 23.April 1653 referiert ebenso wie Schreiben von Patriziern gegen die rebellischen und aller Vernunft beraubten Bauern. Dann wird die Zusammenkunft der Bauern am 14. Mai in Huttwyl geschildert, wobei auf die auf der Federlithographie von M.Disteli gezeichneten Personen genau Bezug genommen wird: In der Mitte der Anführer Niklaus Leuenberger mit dem Sumiswalder Brief, schwörend mit nach dem Himmel erhobenen Arm; viele Anwesende wiederholen den Schwur; einige Spione nehmen Fersengeld; weitere Personen werden (wohl nach Vock) namentlich genannt; die bernischen Regierungsgesandten links im Hintergrund werden nicht beachtet.

Angesprochen – und das ist die auf die Gegenwart bezogene Pointe – sind die Enkel der Bauern von 1653, die zu würdevoller Verwaltung der Volksfreiheit verantwortlich gemacht werden sollen. (S.16) – Das Gebäude schweizerischer Eidgenossenschaft, mit Bauernblut gekittet, hat bis auf die heutigen Tage keinen festen Halt mehr bekommen. (S.26). Der Anführer im Bauernkrieg von 1653 wird im übertragenen Sinn zum Kämpfer gegen die ›Konservativen‹ des 19. Jahrhunderts.

Schweizerischer Bilderkalender für das Jahr 1840 von M. Disteli, Zweiter Jahrgang, Solothurn: Gaßmann, Sohn. [Der lithographische Druck wurde besorgt von Kaspar Belliger in Aarau.]

Orientierung zum geschichtlichen Umfeld
> zum Bauernkrieg 1653 der Artikel von Andreas Suter im HLS
> André Holenstein, Artikel zum Bauernkrieg in der Berner Zs f Geschichte > PDF
> https://de.wikipedia.org/wiki/Regeneration_(Schweizergeschichte)
> im Detail: Jean-Charles Biaudet, Der modernen Schweiz entgegen, in: Handbuch der Schweizer Geschichte Band 2, Berichthaus 1977, S. 871–986.

Zu M. Disteli die Website > http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen34.htm

Der Goldene Bund war ein 1586 geschlossenes Bündnis der sieben katholischen Orte in der Eidgenossenschaft (fünf innere Orte zusätzlich Freiburg und Solothurn) untereinander zur Erhaltung der kathol. Konfession in der Eidgenossenschaft. Die Kontrahenten verpflichteten sich, beim alten Glauben zu bleiben, und versprachen sich gegenseitige Hilfe bei der Abwehr äusserer oder innerer Gefahren.

Der Alten, Löblichen Mannlichen Eydgenossen oder Heluetier bestendige Vereinigung vnd Pündnussen, welche sich mit leib, guet vnd bluet zusamen verschrieben vnnd verbunden, mit vnd bey einander im alten Catholischen Römischen Glauben zu leben vnd sterben &c. geschehen zu Lucern den 4. Octob. 1586, München: Adam Berg 1588.
> http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10985742-5

※ Gruppenporträt

Govert Flinck (1615–1660): Het korporaalschap van kapitein Albert Bas en luitenant Lucas Conijn (1645)
> Quelle: Wikipedia

Vereinsfotografie zur Selbstdarstellung und Standesrepräsentation:
Fritz Franz Vogel: Soooooooooooo viele!!! (Gruppenfotografien seit 1840) Edition Lammerhuber Wien 2012.
> http://www.fritzfranzvogel.ch/public/flyer-buch.pdf

※ Ein zukunftsgerichtetes Narrativ festigt Gemeinschaft

›Narrativ‹ wird hier verstanden als eine sinnstiftende (in einem Kulturkreis oder einer gesellschaftlichen Gruppe Orientierung vermittelnde) Erzählung.

Nach dem Sputnikschock 1957 und dem ersten bemannten Raumflug von Juri Gagarin 1961 nehmen sich die Amerikaner vor, bis zum Ende des Jahrzehnts eine bemannte Mondlandung zu erreichen. Das Narrativ eines (sportlich aufgefassten!) Wettlaufs ins All sollte die eigene technische Überlegenheit beweisen, um die Überlegenheit des eigenen Gesellschaftssystems aufzuzeigen.

Aus der Rede von Präsident John F. Kennedy vor dem Congress, May 25, 1961:

Finally, if we are to win the battle that is now going on around the world between freedom and tyranny, the dramatic achievements in space which occurred in recent weeks should have made clear to us all, as did the Sputnik in 1957, the impact of this adventure on the minds of men everywhere, who are attempting to make a determination of which road they should take. […]
    Now it is time to take longer strides-time for a great new American enterprise-time for this nation to take a clearly leading role in space achievement, which in many ways may hold the key to our future on earth. I believe that this nation should commit itself to achieving the goal, before this decade is out, of landing a man on the moon and returning him safely to the earth. No single space project in this period will be more impressive to mankind, […]

Quelle: https://www.nasa.gov/vision/space/features/jfk_speech_text.html

Ausschnitt aus dem Titelbild von LIFE, August 18, 1969.

Vgl. den guten Artikel https://de.wikipedia.org/wiki/Wettlauf_ins_All

 

Druckermarken, Verlagssignete der frühen Neuzeit

Druckermarke von Erhard Ratdolt (1490)
> http://www.symbolforschung.ch/buchdruckerzeichen.html#Ratdolt

Die Buchdruckermarken / Verlegersignete funktionieren zum Teil als ›Brand‹ wie die Markenzeichen heutiger Sportartikelhersteller.

Mit Buchdruckermarken, die lateinische, griechische und hebräische Inschriften tragen und/oder Kenntnisse der antiken Mythologie voraussetzen, insinuieren die Drucker/Verleger, dass sie zur kulturellen Elite gehören; damit werden auch die Käufer (und allenfalls Leser) der Bücher vereinnahmt.

Die Logos heutiger Sportschuhfabrikanten, mit denen sich die Firmen abgrenzen wollen, sind dagegen etwas einfacher geartet. \\\

Feste

Festen wird – neben vielen anderen Funktionen wie z.B. der Aufhebung der Normen des Alltaglebens – eine identitätsstiftende Funktion zugesprochen. An Festen wurden (werden?) etablierte Ordnungen symbolisch gestützt, das Zusammengehörigkeitsgefühl und der Gemeinschaftssinn bewusst gefördert. Spiele, Tanz und Wettkämpfe gehören dazu.

Die vasnacht der dreyen Lendern Ure, Switz und Underwalden (8.–11. Februar 1508)

Schweizer Bilderchronik des Luzerners Diebold Schilling 1513, Fol. 259recto
> http://e-codices.ch/en/kol/S0023-2/523/0/Sequence-1291

Hans Sebald Beham (1500–1550): Bauernfest (um 1532) > http://www.zeno.org/nid/20003885410

Franz Josef Stalder (1757–1833), Beyträge zur Geschichte der Gymnastick der Schweizer. Eine Vorlesung, gehalten in der helvetischen Gesellschaft in Aarau am 11. May 1796; in: ders., Fragmente über Entlebuch, nebst einigen Beylagen allgemein schweizerischen Inhalts. Zürich: bey Orell, Gessner, Füssli und Comp. Zweyter Theil, 1798, S. 183–354.
> https://www.e-rara.ch/zut/content/pageview/3026428

Albrecht von Haller (1708–1777) beschreibt in seinem Gedicht »Die Alpen« (1729) ein Älplerfest. In den Anmerkungen schreibt er:

Diese ganze Beschreibung ist nach dem Leben gemalt. Sie handelt von den sogenannten Bergfesten, die unter den Einwohnern der bernischen Alpen ganz gemein und mit mehr Lust und Pracht begleitet sind, als man einem Ausländer zumuthen kann zu glauben. Alle die hier beschriebenen Spiele werden dabei getrieben: das ringen und das Steinstoßen, das dem werfen des alten Disci ganz gleich kömmt, ist eine Uebung der dauerhaften Kräfte dieses Volkes.

Man sieht leicht, daß dieses Gemälde auf die vollkommene Gleichheit der Alpenleute geht, wo kein Adel und sogar kein Landvogt ist, wo keine möglichen Beförderungen eine Bewegung in den Gemüthern erwecken und die Ehrsucht keinen Namen in der Landsprache hat

Auszug:

Wann durch die schwüle Luft gedämpfte Winde streichen
Und ein begeistert Blut in jungen Adern glüht,
So sammlet sich ein Dorf im Schatten breiter Eichen,
Wo Kunst und Anmuth sich um Lieb und Lob bemüht.
Hier ringt ein kühnes Paar, vermählt den Ernst dem Spiele,
Umwindet Leib um Leib und schlinget Huft um Huft.
Dort fliegt ein schwerer Stein nach dem gesteckten Ziele,
Von starker Hand beseelt, durch die zertrennte Luft.
Den aber führt die Lust, was edlers zu beginnen,
Zu einer muntern Schaar von jungen Schäferinnen.
Dort eilt ein schnelles Blei in das entfernte weiße,
Das blitzt und Luft und Ziel im gleichen Jetzt durchbohrt;
Hier rollt ein runder Ball in dem bestimmten Gleiße
Nach dem erwählten Zweck mit langen Sätzen fort.
Dort tanzt ein bunter Ring mit umgeschlungnen Händen
In dem zertretnen Gras bei einer Dorf-Schallmei,
Und lehrt sie nicht die Kunst, sich nach dem Tacte wenden,
So legt die Fröhlichkeit doch ihnen Flügel bei.
Das graue Alter dort sitzt hin in langen Reihen,
Sich an der Kinder Lust noch einmal zu erfreuen.

> http://www.zeno.org/nid/20004991044

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Stiftung Bibliothek Werner Oechslin (Einsiedeln)

Ausstellung »Fest und Öffentlichkeit« (6.7.2019 – 3.5.2020, jeweils Mo. – Do. 14–17 Uhr)

Ausführliche Dokumentation online hier > https://www.bibliothek-oechslin.ch/ausstellungen/fest-und-oeffentlichkeit

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Literaturhinweise:

• Artikel »Schützenfeste« in: E. Götzinger, Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885, S. 911–913. > http://www.zeno.org/nid/20002777134

• Walter Leimgruber, Artikel »Feste« im Historischen Lexikon der Schweiz > http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D17447.php

Paul Hugger (Hg.) in Zusammenarbeit mit Walter Burkert und Ernst Lichtenhahn: Stadt und Fest. Zu Geschichte und Gegenwart europäischer Festkultur. Stuttgart: Metzler 1987.

 

Umzüge und Versammlungen

••• Umzüge wollen Gemeinschaft stiften. Hier der Aschermittwochumzug der Widder-Zunft (Metzger) in Zürich 1690 (Quelle: Neujahrsblatt der Hülfsgesellschaft 2010)

••• 1830 fanden in verschiedenen Städten der Schweiz sog. Volkstage statt, in denen liberale Verfassungen gefordert wurden, was von den Regierungen dann auch bewilligt wurde. Das Vorbild waren die Landsgemeinden, in denen man das vorbildliche Zusammenwirken von Regierung und Regierten, von Minderheiten und Mehrheiten, das Zurücktreten sozialer Unterschiede sah. Ein berühmte solche Versammlung war der »Ustertag« am 22. Wintermonat [November] 1830.

Quelle: Zentralbibliothek Zürich auf Wikipedia

••• Zum 1. Mai: Ottilie Baader (1847–1925):

Es war am Donnerstag, den 1. Mai 1890. Man sah bereits in den frühen Vormittagsstunden sonntäglich gekleidete Gruppen von Arbeiterfamilien hinausziehen ins Freie. Wie war das nur möglich? An einem Arbeitstage wagten die Proletarierscharen nicht zu arbeiten, dem Unternehmer damit den Profit zu kürzen? Sie wagten zu feiern an einem Tage, der nicht von Staat oder Kirche als Feiertag festgelegt worden war?

Jawohl, die Arbeiter hatten es gewagt, sich selbst nach eigenem Willen einen Feiertag zu schaffen, und nicht nur die Arbeiter Berlins waren so vermessen, sondern die der ganzen Welt. Auf dem Internationalen Sozialistenkongreß zu Paris im Juli 1889, dem Hundertjahrstage der großen Französischen Revolution, war der 1. Mai als Weltfeiertag der Arbeit eingesetzt worden.

Dieser Feiertag war dazu angetan, in gleichem Empfinden und Denken das Proletariat der ganzen Welt zu einigen. Auf dem Pariser Kongresse war man zu dem Ergebnis gelangt, daß auf dem ganzen Erdenrund das Proletariat zwar graduell verschieden, doch überall gleich unterdrückt und schutzlos ausgebeutet wurde. […]

Welch herrlicher Gedanke, zu wissen, daß die Ausgebeuteten, die Unterdrückten der ganzen Welt an diesem Tage seelisch miteinander verbunden sind, daß sie mit allen zu Gebote stehenden Mitteln ihre Forderungen an die Regierenden stellen.

Ottilie Baader, Ein steiniger Weg. Lebenserinnerungen einer Sozialistin. (Stuttgart 1921); 3.Auflage, Berlin/Bonn 1979.
> http://www.zeno.org/nid/20003596400

Nationalhymnen und dergleichen aus Melodie und Text zusammengesetzte Einheiten sind ein prägnanter, gut erkennbarer Ausdruck eines sozialen Körpers. Von anderen Gruppen werden sie wegen der Sozietät, die sie symbolisieren sollen, in Verruf gebracht, schlecht beleumundet, als politisch verachtenswürdig dargestellt. Zwei Beispiele hierfür:

https://de.wikipedia.org/wiki/Badonviller-Marsch

https://de.wikipedia.org/wiki/Horst-Wessel-Lied

Unanstößig dagegen ist der Ohrwurm des Zürcher Frühlingsfestes: https://www.sechselaeuten.ch/zuenfte/#zunftmusik

※ Dialekte: «I gugge nid, i luege gschider!». Abgrenzungswahrnehmungen im Schweizerdeutschen

(Darüber sprach am 21.September Matthias Friedli, von dem auch dieser Text stammt.)

Der eigene Dialekt und die Auseinandersetzung mit jenem ist Teil des Selbstverständnisses aller, die mit Schweizerdeutsch aufgewachsen sind. Dazu gehört auch, sich mittels dialektaler Unterschiede von anderen abzugrenzen oder andere von der eigenen Sprechergruppe auszuschliessen: «Wer niid säit, isch gschiid, wer nööd säit, isch blööd.» Mit der Abgrenzung geht automatisch ein Prozess der Gruppenbildung und Gruppenzugehörigkeit einher, wie die Winterthurer als niid-Sprecher anschaulich verdeutlichen.

Abgrenzungswahrnehmungen lassen sich über eine relativ grosse Distanz («In Basel sagen wir Wäie, in Bern sagt man Chueche.») oder im eher kleinräumigen Bereich («In Zug sagen wir morn, in Unterägeri sagen sie morä.») beobachten. Zur Abgrenzung werden Unterschiede aus praktisch allen Sprachebenen beigezogen, am häufigsten zu beobachten sind aber lautliche Phänomene. Nicht selten findet dabei dasselbe sprachliche Phänomen in verschiedenen Regionen Beachtung, so beispielsweise die Realisierung von mittelhochdeutsch ei: «Mir hei Leitere u Geisse, die z Raufli (=Ranflüh) hii Liitere u Giisse», im mittleren Emmental, während die Klettgauer gemäss den Stadt-Schaffhausern «e Zaane voll Saapfe d'Laatere abschlaapfe».

Beobachtungen zu dialektalen Unterschieden können als neutrales Abgrenzungsphänomen aufgefasst werden, sie können aber auch (positiven oder) negativen Einschätzungen unterliegen und Gegenstand von Sprachspott werden: «Möösch de d Schöö gööt zöö töö.», so machen sich die Brienzer über die Haslitaler lustig, die das ue monophthongisch als ȫ aussprechen. Solche Merk- resp. Spottverse mit kumulierten Beispielwörtern bilden nicht immer die Realität ab: «Hoopsoch dr Hond isch gsond.», sagt man laut einem Zürcher in Appenzell, doch ist und bleibt auch in Appenzell eine Sache e Sach.

Die Beispiele stammen aus einer online-Umfrage des Deutschen Seminars der Universität Zürich. Diese hat zum Ziel, schweizweit allgemein bekannte, spezielle Lautformen/Wörter sowie Merk-, Spottverse oder andere redensartliche Äusserungen zu erheben, mittels deren man sich von Nachbarn/anderen Regionen abgrenzt. Für das Referat wird diese Umfrage das erste Mal ausgewertet. Ein Tour d’Horizont zeigt die interessantesten Ergebnisse und reflektiert diese im Spiegel bekannter dialektologischer Kenntnisse.

zum Tagungsprogramm

Beispiel einer Dialektkarte: Reisigbündel – aus Helen Christen / Elvira Glaser / Matthias Friedli, Kleiner Sprachatlas der deutschen Schweiz, Frauenfeld: Huber 2010 und Neuaflagen; Karte 77 (Ausschnitt); Kommentar dort auf der gegenüberliegenden Seite 211.

Stefan Sonderegger / Thomas Gadmer, Appenzeller Sprachbuch. Der Appenzeller Dialekt in seiner Vielfalt. Appenzell-Herisau 1999.

> https://www.idiotikon.ch/literatur/dialektwoerterbuecher

Die Zeitschrift »L’Ami du Patois« ist digitalisiert von > e-periodica:

Idiome zur Identitätspräsentation einer sozialen Gruppe

••• »Rotwelsch ist eine [künstliche gemachte] Geheimsprache der deutschen Fahrenden. Es hat keine eigene Grammatik entwickelt. Die Chiffrierung wird erreicht, indem v.a. Substantive, Verben, Adjektive, […] ausgewechselt werden. Es diente den Fahrenden als Code, als sprachliche Markierung der feindlichen, sesshaften Umwelt gegenüber, und zur schnellen, sicheren gegenseitigen Identifizierung als Eingeweihte.« (Puchner S.11)

• Siegmund A. Wolf, Wörterbuch des Rotwelschen, Mannheim: BI 1965. [WB aus den Quellen erarbeitet]
•Günther Puchner, Kundenschall das Gekasper der Kirschenpflücker im Winter, München: Heimeran 1974. Das Buch enthält Übersetzungen ins Rotwelsche (das kaum original aufgezeichnet wurde) und S.225–281 ein Etymologisches Wörterbuch des Rotwelschen.


••• Studentensprache: Pechvogel, Kater, Backfisch, gut bemoost, Pfiffikus, aufmutzen, pauken,aufgedonnert, mogeln, jdn. anpumpen, jdm. etw. abknöpfen, klammheimlich, …
Friedrich Kluge, Deutsche Studentensprache, Strassburg, Trübner 1895. [Aufsatz und Wörterbuch > Digitalisat]
Vgl. den guten Artikel mit weiterführenden Hinweisen > https://de.wikipedia.org/wiki/Burschensprache

••• Das Bürgertum im Deutschen Reich versuchte im 19. Jahrhundert, sich gegen die Adelskaste abzugrenzen. Politisch (Wahl- und Stimmrecht u.a.) gelang dies nur allmählich; aber durch Bildung, insbesondere dann auch Bildung des Geschmacks, einer Gefühlskultur konnte ein demokratisch verstandener sozialer Körper entwickelt werden. Sichtbar ist das mitunter in Artikeln des Damen-Conversations-Lexikons: Damen-Conversations-Lexikon, Herausgegeben im Verein mit Gelehrten und Schriftstellerinnen von Carl Herloßsohn (1804–1849), Altdorf: Verlags-Bureau, 1834–38. 10 Bände; 2. unveränderte Auflage 1846.
Ganz digitalisert auf > http://www.zeno.org/damenconvlex-1834

  • Das folgende Beispiel zeigt, wie die Artikel des Lexikons die Leserinnen sich ausdrücken lehren: Abendröthe, die schönste Erscheinung am Himmel. Wenn leichte oder schwerere Wolken sich in der Gegend des Sonnenunterganges befinden, doch so, daß sie die Sonne nicht verdecken, bemerkt man, daß dieselben auf das Prächtigste mit goldenen, feuerglänzenden, mit silbernen, mit röthlichen Rändern eingefaßt sind, und daß der ganze Abendhimmel mehr oder minder in den schönsten Purpur gekleidet ist. Dieser wunderschöne Anblick wiederholt sich beinahe in noch größerer Pracht am Morgen als Morgenröthe […]
  • Hier ein Beispiel, bei dem Nationalstereotype skizziert werden: England (Frauen). Die Engländerin ist eben so wenig mit der Deutschen, wie mit der Französin gleich zu stellen. – Engländerinnen waren es, die ihren Gatten auf beschwerlichen Kriegszügen, Seefahrten und Entdeckungsreisen folgten, die Schwächen ihres Geschlechts verläugneten und so den Männern aller Nationen Bewunderung abtrotzten. In Deutschland herrscht das Gemüth und die Grazie, in Frankreich die Grazie und die Leidenschaftlichkeit, in England die Grazie und der Muth mit dem Ernste bei dem schönen Geschlechte vor. – Der Lebensernst verbannt die Schwärmerei und Empfindsamkeit, aber auch die hingebende Innigkeit der Leidenschaft; die Liebe ist Pflicht, Gehorsam moralische Schuldigkeit, eine Unterordnung voll Zärtlichkeit und dennoch voll weiblicher Selbstständigkeit. Die englische Frau imponirt; man achtet sie erst, ehe man sie liebt, und wenn man sie liebt, lernt man sie verehren. […] Der Französin erscheint die Engländerin zu kalt und ernst, der Deutschen zu männlich; der Engländerin erscheint die Deutsche zu weibisch und schwärmerisch, die Französin zu frivol.
  • Literatur zum Thema: Angelika Linke, Sprachkultur und Bürgertum, Stuttgart/Weimar: Metzler 1996.

••• 1947 erschien das Buch LTI (Lingua Tertii Imperii) von Viktor Klemperer (1881–1960), das die Beeinflussung der Bürger durch das Idiom der NS-Herrscher beschrieb.
> https://de.wikipedia.org/wiki/LTI_-_Notizbuch_eines_Philologen

••• Forschungen zum totalitären Sprachduktus hat Daniel Weiss (Universität Zürich) erarbeitet.
> https://www.linguistik.uzh.ch/de/about/assoziiertemitglieder/weiss.html


Fahnen und dergleichen

••• Die antiken römischen Truppen waren gekennzeichnet mittels eines je besonders ausgeprägten Vexillum = Signalzeichen, Standarte, dann auch: die zu einer Fahne gehörige Mannschaft, ›das Fähnlein‹, das Detachement.

Systematische Bilder-Gallerie zur allgemeinen deutschen Real-Encyclopädie. Conversations-Lexicon in lithographirten Blättern, Carlsruhe und Freiburg in der Herder'schen Kunst und Buchhandlung, Dritte Auflage 1828; Zweite Abtheilung / Alte Völkerkunde, Tafel 11.

••• Vergil, Beginn des 9. Buchs der »Aeneis«: Die Aeneas nicht wohlgesonnene Göttin Juno schickt Iris als Botin, um Turnus (den Herrscher von Latium, wo Aeneas gelandet ist) gegen Aeneas zum Kampf anzustacheln. Iris sagt unter anderem, Aeneas habe eine Schar von Bauern zum Kampf beigezogen. Der von Sebastian Brant inspirierte Graphiker zeigt diese Bauern mit der Bundschuh-Fahne:

Publij Virgilij maronis opera […] expolitissimisque figuris atque imaginibus nuper per Sebastianum Brant superadditis, Straßburg Grieninger 1502, Fol. CCCXXIX verso (Ausschnitt; Einfärbung nicht im Original; die Nixen und das brennende Schiff gehören zu einer anderen Szene. Warum hat Turnus drei junge Enten oder Gänse oder Schwäne im Wappen?)

Von dem haß vnd neid des gemeinen mans. – Der prunkvoll gekleidete Ritter wird von mit Äxten und Gabeln bewaffneten Bauern bedrängt, die eine Fahne mit dem Bundschuh mit sich führen. Aus: Trostspiegel in Glück vnd Vnglück. Francisci Petrarche, des Hochberümpten, Fürtrefflichen, vn[d] hochweisen Poeten vnd Oratorn, zwey Trostbücher, Von Artznei vnd Rath, beydes in gutem vnd widerwertigem Glück …, Franckfort am Meyn: Egenolff 1572; 2.Buch, Kapitel 34 (Erster Druck Augsburg 1532).

Der Bundschuh, Fußbekleidung des armen Mannes, steht in Kontrast zu den mit Sporen ausgerüsteten Stiefeln der Ritter. Das Zeichen für eine soziale Erhebung erscheint in der Mitte des 15. Jahrhunderts in der Gegend des Oberrheins. Eine frühe Verschwörung von Schlettstadt im Elsaß wurde 1493 niedergeschlagen, doch das Symbol überlebte.

Das Wort wird für den sozialen Körper verwendet:

An dem allem haben sie sich … zu dem ungehorsamen purenhufen und ir uncristenliche bundschuische artigkel gewsorn (1526; Franz, Aktenband # 81)

… und wölen keins hern eigen sin und ales, das der buntschuo inhaltent, das wen sie üch tuon (1525; Franz, Aktenband # 104)

Doctor thomas Murners Narren beschweerung, Straßburg: Knoblouch 1518 [EA 1512].
> http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0008/bsb00089930/images/

Die puren sindt yecz schamper [schandbar = sittenlos] worden
Vnd vierent
[führen] ein schentlichen orden

Hinweis: Günther Franz, Der deutsche Bauernkrieg, 4. Aufl. Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft 1956, S. 53–91. — Günther Franz, Der deutsche Bauernkrieg, Aktenband, Berlin 1935.

 

Gesellschaftlicher Status von Kleidung > Kleidersymbolik

••• Während der Herrschaft von Ludwig XIV. hatten nur adlige Männer das Recht auf Schuhe mit roten Absätzen (Quelle?)

Links: Louis XIV und seine Familie, 1708, Nicolas de Largillière zugeschrieben (Ausschnitt)
Rechts: Auschnitt aus dem Portrait von Hyacinthe Rigaud (1701.)

••• Im Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit wurde der Status eines jeden in der Öffentichkeit demonstriert und so bestätigt. Somit vermögen Kleiderordnungen gut über die Unterschiede zwischen den Ständen zu ununterrichten. In einer oberbayerischen Verordnung von 1599 heißt es (zitiert bei Richard van Dülmen, Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit 2, München: Beck 1992, S. 186):

Solchem Ubel, Verderben und unnötiger verschwendung unsers theils zubegegnen, und in deme unsere Unterthanen schaden nach mögligkeit zu verhüten. So ist unser ernstlicher Befehl, daß in gemein alle und jeder unserer Unterthanen, Diener, Angehörige und Verwanten, ein jede Person sich ihrem Stand gemäß, ziemlich und nicht überflüssig noch unordentlich, sondern Ehrbarlich, wie solchs unsers Chur: und Fürstenthumb Landsart von Alters herkommen und gebräuchlich, und also bekleiden sollen, darmit der Edle vor dem Unedlen, der Geistliche vor dem Layen, der burger vor dem Bawern, der Herr vor dem Knecht, Also auch Frawen und Jungfrawen vor den Mägden etc. underschieden und erkant mögen werden.

••• Die Kleidung »sans culottes«: ohne Kniebundhosen der Adligen, sondern mit Hosen, die zu körperlicher Arbeit taugen, wurde zur Bezeichnung für eine Gruppe von Revolutionären am Ende des 18.Jhs. in Frankreich. > https://fr.wikipedia.org/wiki/Sans-culottes

 

※ ›Montur‹, Uniform

••• Kriegstechnisch ist die gute Erkennbarkeit von Freund/Feind der Anlass zur Auszeichnung der Kämpfer mit verschiedenen Wappen auf den Schilden und durch besondere Kleidungen. Über diese Notwendigkeit hinaus dienen Uniformen auch einer imponierenden Selbstdokumentierung des eigenen Verbandes, der Charakterisierung des Ranges / Dienstgrads.

Der Große Herder. Nachschlagewerk für Wissen und Leben. 4. Auflage von Herders Konversationslexikon. 12 Bände, Freiburg/Br.: Herder 1931–1935. Band 11: Tafel Uniformen III: Bild VII Großbritannien (um 1900); Bild VIII Rußland u. Amerika (um 1900).

Literaturhinweis:
• Otto Koenig (1914–1992), Grundzüge eines Ethogramms der Uniform, in: ders., Kultur und Verhaltensforschung. Einführung in die Kulturethologie, München 1970 (dtv 614), S. 33–182.

 

••• Gemeinschaft kann auch durch eine allegorische Uniform ausgedrückt werden:

Der Laupenkrieg 1339 war eine Auseinandersetzung zwischen der Stadt Bern – der einige verbündete Städte beistanden – und einer breiten Koalition ihrer Gegner: Grafen von Nidow, von Kiburg, von Gryerß, von Valendiß, von Arberg, von Losann, Bischof von Sitten, von Friburg. – Die Berner waren siegreich.

In der Spiezer Chronik von Diebold Schilling dem Älteren (1484/85) sind die Berner ›konform‹ allegorisch als Bären unter ihrem Banner vereinigt, während das Bild der Gegner aus aller Herren Länder eine bunte Versammlung imaginiert.

   

Bilder der Handschrift Bern, Burgerbibliothek, Mss.h.h.I.16:
https://www.e-codices.unifr.ch/de/bbb/Mss-hh-I0016/227/0/Sequence-50
https://www.e-codices.unifr.ch/de/bbb/Mss-hh-I0016/230/0/Sequence-50

Transkription der Texte in: Hans Haeberli / Christoph von Steiger, Die Schweiz im Mittelalter in Diebold Schillings Spiezer Bilderchronik, Luzern: Faksimile-Verlag 1991 (zu pp. 228 / 230 der Hs.)

 

••• Die Gewänder der Söldner/Landsknechte/Reisläufer im 15. bis 17. Jahrhundert kann man nicht als Uniform bezeichnen, denn sie waren individuell; ihre Träger waren ›Freelancer‹. Ihre geschlitzte (›zerhauene‹) und mit Stoff anderer Farbe hinterlegte Kleidung – ursprünglich wohl auf mangelnde Versorgung mit Stoffen zurückgehend, was dazu zwang, die Kleider mit irgendwelchen vorgefundenen Stoffen zusammenzuflicken – war indessen ein identitätsstiftendes ›Markenzeichen‹ dieser sozialen Klasse – und eine gesellschaftliche Provokation (Bruch mit der damaligen Kleiderordnung; ein Affront in Bezug auf den Umgang mit der wertvollen Ware); ein Symbol für ein Leben in Freiheit jenseits der gesellschaftlichen Norm. Einerseits wurden die Landsknechte zu Helden stilisiert, andererseits verarmten die meisten, wurden kriminell und zu einem gesellschaftlichen Problem. (Freundliche Hinweise von Petra B.S.)

  

Vgl. auch das Bild von Daniel Hopfer d.Ä. (* um 1470 bis 1536)
> https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/72/Landsknechte.jpg

Das Umkippen vom prosperierenden Krieger zum Bettler zeigt die Zeichnung von Niklaus Manuel Deutsch.

Ein neu Klaglied eines alten deutschen Kriegsknechts wieder die greuliche und unerhörte Kleidung der Pluderhosen in des Penzenauers Ton (1555) aus »Des Knaben Wunderhorn« 1806/08:

Sie lassen Hosen machen,
In einem Ueberzug,
Der hängt bis auf die Knochen,
Ist doch noch nicht genug.
Ein Latz muß seyn darneben,
Wohl eines Kalbskopfs groß;
Karteken
[ein teurer Stoff] drunter schweben,
Seiden ohn alle Maaß.
Kein Geld wird da gesparet, …

Der ganze Text hier > http://www.zeno.org/nid/20004469666

Literaturhinweise:
• Reinhard Baumann: Landsknechte. Ihre Geschichte und Kultur vom späten Mittelalter bis zum Dreißigjährigen Krieg. C.H. Beck, München 1994.
• Jan Willem Huntebrinker, Fromme Knechte und Garteteufel*. Söldner als soziale Gruppe im 16. und 17. Jh. (Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven, Bd. 22.) Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2010.

*) Frühneuhochdeutsch gart : Kriegshaufen, dann allgemein das Herumtreiben der herrenlosen, bettelnden Landsknechte (Grimm DWB)

 

Karikaturen vermögen ein Bild eines unliebsamen sozialen Körpers zu entwerfen.

Die disputierenden Gelehrten (mit Barett, im 15.Jh. Zeichen gebildeter Stände) schauen nur in die Bücher; die Außenwelt ist abgeschirmt.

Merck diser Doctor zanck und streit/
Die gloß im rechten vrsach geit
*.
Es wil jr yeder haben war/
Vnd rauffen sich vmb fremdes har.**

*) Die Glosse (Anmerkung zum Text im Buch) gibt (im evtl. statt in = ihnen) Anlass zum Streit.

**) Sein (!) Haar raufen als Zeichen der Verzweiflung.

Holzschnitt, signiert HB [= Hans Burgkmair (1473 – 1531)], aus: Officia M. T. C. Ein Buch So Marcus Tullius Cicero der Römer zu seynem Sune Marco. Von den tugentsamen ämptern vnd zugehörungen eynes wol vnd rechtlebenden Menschen in Latein geschriben, Welchs auff begere Herren Johansen von Schwartzenbergs etc. verteütschet Vnd volgens Durch jne in zyerlicher Hochteütsch gebracht. Mit vil Figuren vnnd Teütschen Reymen gemeynem nutz zu gut in Druck gegeben worden, Augspurg: Steyner 1531, fol. LXXVIII recto.

Grandville (1803–1847) karikiert den Typus des Bourgeois so:

Scènes De La Vie Privée Et Publique Des Animaux. Études De Mœurs Contemporaines, […] Vignettes Par Grandville, Paris: J. Hetzel Et Paulin, Éditeurs 1867 [EA 1842], p. 285.

Mit dem genialen Thesaurus von http://www.simplicissimus.info/index.php?id=8 findet man unter "Chiffren für Nationen und Gruppen" oder "Mentalitätskritik / Gesellschaftsklischee" und dort weitere solche Karikaturen wie hier eine der neureichen Clique:

Eduard Thöny (1866–1950) in SIMPLICISSIMUS, 1. Jahrgang (1897), Heft 40, Seite 8.

Ebenso beachtenswert ist die Datenbank von Dieter and Lilian Noack zum umfangreichen Werk von Honoré Daumier (1808–1879) > http://www.daumier-register.org/themasrch.php Daraus das Beispiel unter dem Schlagwort "Juristen":

Nous sommes tous d'honnètes gens, embrassons-nous, et que ça finisse. In: LA CARICATURE No. 210, 13.11.1834.

Hier sind vor allem auch die Karikaturen der ›herrschenden Klasse‹ von George Grosz (1893–1959) zu nennen.

> https://museen.heilbronn.de/museum/sonderausstellungen/rueckblick/kunst/grosz/

 

※ Koscher

Zu einer Gemeinschaft bekennt* sich, wer dieselben Speisen isst bzw. meidet.

3.Moses (Leviticus) 11,9f: Von allen Tieren, die im Wasser leben, dürft ihr diese essen: Alle Tiere mit Flossen und Schuppen, die im Wasser, in Meeren und Flüssen leben, dürft ihr essen. Aber alles, was in Meeren oder Flüssen lebt, alles Kleingetier des Wassers und alle Lebewesen, die im Wasser leben und keine Flossen oder Schuppen haben, seien euch abscheulich.
(Daher ist Kaviar, der vom schuppenlosen Stör stammt, ›treife‹.)

*) Weil die Zugehörigkeit zum Judentum genealogisch definiert ist, kann man hier nicht im engeren Sinn von einem Bekenntnis sprechen. Der Fromme hält schlicht das Gebot. Der ›Proselyt der Pforte‹ zeigt durch das Einhalten der Gebote, dass er dazu gehört.

 

Ausgrenzung. Architektur sowie Kultgeräte, die für symbolisch gehalten werden, können auch zur Ausgrenzung unbeliebter sozialer Aggeregate dienen.

• Zur Erinnerung an den Sieg von Kaiser Titus (39–81) über die Aufständischen in Judäa und die Eroberung Jerusalems im Jahre 70 wurde nach dessen Tod in Rom ein Triumphbogen errichtet. Darauf ist als Relief dargestellt, wie die siegreichen Römer die Tempelgeräte der Juden im Triumphzug wegführen, am deutlichsten eine Menora:

Philo-Lexikon. Handbuch des jüdischen Wissens, 3. Auflage, Berlin 1936*, Tafel 29.

*) Aufgrund von Sondergenehmigungen durften jüdische Verlage bis November 1938 weiterarbeiten, wenn sie sich auf den Verkauf ausschließlich jüdischer Schriften an ausschließlich jüdische Käufer beschränkten. – Die Darstellung der Szene vom Triumphbogen hat einen leicht erkennbaren gegenwartsbezogenen Hintersinn.

• In der Volksabstimmung vom 29. November 2009 haben die Schweizer Stimmbürger [schändlicherweise, PM] angenommen, in die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft aufzunehmen: »Der Bau von Minaretten ist verboten« (BV Artikel 72, Ziffer 3). Hier (zum Anklicken) das Plakat der den Artikel befürwortenden politischen Partei.

 

※ Die Rolle von Licht- und Dunkelgestalten in menschlichen Konflikten aus psychoanalytischer Perspektive

(Dazu sprach an der Tagung vom 21.9.2019 Matthias Bertschinger, von dem dieses Exposé stammt.)

Die Rolle der psychischen Abwehr in menschlichen Konflikten wird in den Wissenschaften, den soziologischen Konfliktanalysen, den Kulturwissenschaften und selbst in der Psychoanalyse mehr oder weniger verdrängt – zum Schaden sowohl der Analyse als auch der gesellschaftlichen Emanzipation. Eine existenzial-psychoanalytische Herangehensweise an (gruppenbezogene) Menschenfeindlichkeit zeigt die Logik hinter sogenannt „irrationalen“ Konfliktanteilen.

Durch Stigmatisierung werden auf eine psychotisch-wahnhafte Weise "Dunkelgestalten" konstruiert, auf die sich der traumatische Aspekt des Daseins (die Transzendenz, Unverfügbarkeit des Daseins) projizieren und damit abwehren lässt (Angst- und Schamabwehr mittels Schwachen- und Fremdenfeindlichkeit: Dingfest-Machen von Angst und Scham).

Dabei bedingen positive und negative Stigmatisierung einander – die namenlose Freiheit (Transzendenz) lässt sich nur als Ganze abwehren: Ohne den „jüdischen Teufel“, so Victor Klemperer, „hätte es nie die Lichtgestalt des nordischen Germanen gegeben“. Die Projektion des hellen und des abgründigen Aspekts der namenlosen Freiheit auf Licht- und Dunkelgestalten wird im Beitrag als grundlegende Ursache für Diskriminierung, Rassismus, Menschenfeindlichkeit, Autoritarismus und Faschismus aufgewiesen.

In den soziologischen Konfliktanalysen, den Kulturwissenschaften und in der späten Kritischen Theorie vorherrschend ist die soziologistisch-marxistische, ökonomistische, funktionalistische Vorstellung eines Kampfs um Macht und Interessen. Das Menschenbild dahinter – die Vorstellung eines „Vernunft-Ich“ – ist aus psychoanalytischer Perspektive allerdings hoffnungslos illusionär. Die Wissenschaft verdrängt den „Todestrieb“ und die Frage, aus welchem Grund Menschen auch dann töten wollen, wenn weit und breit keine Interessen mehr auszumachen sind.

Doch selbst die Psychoanalyse verdrängt – etwa mithilfe von Freuds Hermeneutik des Triebwunschs oder mittels Fixierung auf zurückliegende Traumata. Analyse und gesellschaftliche Emanzipation erfordern einen existenzial-psychoanalytischen Blick auf solche Ideologien der Fremdbestimmung (auf die Verdrängung mittels Theoriebildung, Schuldabwehr). Solche Ideologien und ihre Verdrängungsfunktion sind – so wie die psychischen Konfliktursachen – noch nie richtig in den Blick der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Konfliktanalysen geraten. Das vorherrschende Menschenbild hält einer hermeneutisch-anthropologischen Prüfung nicht stand – und ohne adäquate Analyse keine gesellschaftliche Emanzipation.

  • Eine Zusammenfassung seines Buches »Freiheit und Krisis – Psychoanalyse des Autoritarismus und psychoanalytische Rechtsanthropologie« (Schwabe-Verlag 2019) kann man >>> hier nachlesen.
  • Ein (gekürztes) Video seines Vortrags am 21. Sept. 2019 kann man hier anschauen:
    > https://www.youtube.com/watch?v=0QMxzTqvtm0
  • Und das für das Verständnis wichtige Strukturmodell steht hier als PDF zum Download.

zum Tagungsprogramm

 

Drei Stände in éinem Stiefel

Auf dieses Bild mit einer gesellschaftspolitischen Dimension hat Hans Uwe Trauthan (Ellerau) aufmerksam gemacht.

Der gläserne Pokal kann aufgrund einer genauen Analyse des Materials, der Technik, der Form und des Dekors der Dresdener Glashütte um 1720ff. zugewiesen werden.

Die Inschrift lautet Wehr Lehr und Nehrstand – Die Dreiständelehre (kriegerischer Adel, Klerus, Bauern) ist bekanntlich mittelalterlich; diese Bezeichnungen erscheinen in der Mitte des 16.Jhs.

Abgebildet sind die drei Repräsentanten ihres Standes mit typischen Attributen: Ein Soldat mit Steinschlossbüchse – ein Gelehrter mit einem Buch unter dem Arm – ein Bauer mit einem Spaten in der Hand.

Seltsamerweise ist von jedem der drei nur ein Bein mit Fuß sichtbar; das andere steckt in einem weiten Stulpenstiefel. Es fragt sich, was damit ausgedrückt sein mag.

Zeigen sich die drei Personifikationen (A) hinsichtlich ihrer Überzeugungen und Zielsetzungen einig? Oder umgekehrt: (B) Werden die drei Ständevertreter hier zusammengezwängt, so dass sie unfähig werden zu gehen?

Historische Quellen zeigen einerseits eine Beseitigung einer Vielzahl ständischer Rechte. – Anderseits musste der Regent die antiabsolutistische Opposition berücksichtigen.

Wer war der Auftraggeber, wer der Empfänger des Pokals? Je nachdem könnte man die Aussage als Bekenntnis (Wir lassen uns nicht auseinander dividieren!) oder Karikatur (Und so meint ihr, dass ihr eine Macht im Lande darstellt?) auffassen.

Dies ist ein Abstract des Aufsatzes von Hans Uwe Trauthan, der – reichhaltig dokumentiert – erschienen ist in: "der glasfreund". Zeitschrift für altes und neues Glas. 27. Jahrgang / Nummer 84 (August 2022), Prometheus Verlag Wuppertal, S.28–34.

Daraus dieser Passus: »Als Vertreter der Stände befinden sich die Personen zwar eingeengt in einem Stiefel, stützen sich gegenseitig und benutzen den Spaten sowie die Muskete zur weiteren Stabilisierung ihrer Standfestigkeit. Sie sind aber durch die Enge im Stiefel auf eine Art miteinander verbunden, die es zwingend erfordert, nur miteinander gemeinsam und richtungsgleich etwas zu erreichen. Außenstehenden sollte es deshalb nicht gelingen, diesen Dreierbund zu sprengen, um mit einem einzelnen Vertreter eines Standes irgendetwas zu vereinbaren […]«

※ Skurriler Ausklang

Ob die vornehmen Herren (verschiedenen Standes, wie man an den Hüten erkennt) abgesehen vom Staunen über das Monstrum auch allegorisch auslegend bedenken, dass die verschiedenen sozialen ›Leiber‹ zwar unterschieden sind, aber unter éin ›Haupt‹ gehören?

Ware Contrafactur eines Lampels mit Dreijen Leibern und einem Kopff So im Monat Julij dieszes 1620 Jahrs zue Claußenburg in Hungarn von einem Schaff allso gestaltet geworffen vnd von Furnehmen herrn gesehen worden.

Eugen Holländer, Wunder, Wundergeburt und Wundergestalt in Einblattdrucken des fünfzehnten bis achtzehnten Jahrhunderts. Kulturhistorische Studie, Beiträge aus dem Grenzgebiet zwischen Medizingeschichte und Kunst, Kultur, Literatur, Stuttgart: F.Enke 1921; Fig. 33.

 

 


Weitere Hinweise

Liste wird laufend ergänzt

Hermann Fillitz, Die Insignien und Kleinodien des Heiligen Römischen Reiches, Wien: Schroll 1954.

Percy Ernst Schramm, Herrschaftszeichen und Staatssymbolik. Beiträge zu ihrer Geschichte vom dritten bis zum sechzehnten Jahrhundert (= Schriften der Monumenta Germaniae Historica. Bd. 13, 1–3). Mit Beiträgen anderer Verfasser. 3 Bände. Stuttgart: Hiersemann 1954–1956.

René König, Macht und Reiz der Mode: Verständnisvolle Betrachtungen eines Soziologen, Düsseldorf: Econ Verlag 1971.

Karl-Bernhard Knappe, Repräsentation und Herrschaftszeichen. Zur Herrscherdarstellung in der vorhöfischen Epik, (Münchener Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-Forschung 17), München 1974.

Martin Warnke, Bau und Überbau. Soziologie der mittelalterlichen Architektur nach den Schriftquellen, Frankfurt am Main: Syndikat 1976.

Pierre Bourdieu, La distinction. Critique sociale du jugement, Paris: Editions de Minuit 1979; dt. Übersetzung: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1982.

Dietmar Peil, Untersuchungen zur Staats- und Herrschaftsmetaphorik in literarischen Zeugnissen von der Antike bis zur Gegenwart (Münstersche Mittelalter-Schriften 50), München: Fink 1983.

David Cannadine and Simon Price (Eds.), Rituals of royalty. Power and ceremonial in traditional societies, Cambridge: Cambridge University Press 1987.

Manfred Beetz, Frühmoderne Höflichkeit. Komplimentierkunst und Gesellschaftsrituale im altdeutschen Sprachraum. (Germanistische Abhandlungen 67), Stuttgart: Metzler 1990.

Rudolf Braun / David Gugerli, Macht des Tanzes — Tanz der Mächtigen. Hoffeste und Herrschaftszeremoniell 1550–1914, München: Beck 1993.

Jörg Jochen Berns / Thomas Rahn (Hgg.) Zeremoniell als höfische Ästhetik in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Tübingen 1995 (Frühe Neuzeit 25). Inhaltsverzeichnis > https://www.degruyter.com/viewbooktoc/product/24937

Angelika Linke, Sprachkultur und Bürgertum, Stuttgart/Weimar: Metzler 1996.

Verschiedene Autoren, Artikel »Zeremoniell« in: Lexikon des Mittelalters, Band 9 (1998), Sp. 546–580.

Hagen Keller, Ritual, Symbolik und Visualisierung in der Kultur des ottonischen Reiches, in: Frühmittelalterliche Studien 35 (2001), 23–59.

Verschiedene Artikel in: Handbuch der politischen Ikonographie, hg. Uwe Fleckner / Martin Warnke / Hendrik Ziegler, München: Beck 2001. z.B. "Bildnis, theomorphes" – "Denkmal" – "Stände" – "Opposition" – u.a.m.

Gerd Althoff, Die Macht der Rituale – Symbolik und Herrschaft im Mittelalter, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2003.

Lioba Keller-Drescher, Die Ordnung der Kleider. Ländliche Mode in Württemberg 1750–1850. (Untersuchungen des Ludwig-Uhland-Institutes der Universität Tübingen; Bd 96), Tübingen 2003. Online: http://hdl.handle.net/10900/68452

Peter von Moos (Hg.), Unverwechselbarkeit: Persönliche Identität und Identifikation in der vormodernen Gesellschaft, Köln / Weimar: Böhlau 2004. — Besprechung auf hsozkult

Marian Füssel / Thomas Weller (Hgg.): Ordnung und Distinktion. Praktiken sozialer Repraesentation in der ständischen Gesellschaft, Münster: Rhema 2005.

Miloš Vec, Artikel »Zeremonie, Zeremonialwissenschaft« in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Band 12 (2004), Sp.1301–1305.

Wolfgang Eric Wagner Die liturgische Gegenwart des abwesenden Königs. Gebetsverbrüderung und Herrscherbild im frühen Mittelalter (= Brill’s Series on the Early Middle Ages. Volume 19), Brill 2010. — Besprechung auf hsozkult

Werner Egli, Fremdkontrolle und Selbstkontrolle durch Ahnengeister. In Michael Schetsche / Renate-Berenike Schmidt (Hgg.), Fremdkontrolle: Ängste – Mythen – Praktiken, Berlin: Springer 2014, S. 174–194.

Torsten Voß, Körper, Uniformen und Offiziere: Soldatische Männlichkeiten in der Literatur von Grimmelshausen und J.M.R. Lenz bis Ernst Jünger und Hermann Broch, transcript Verlag 2016.

Stefanie Leibetseder / Esther P. Wipfler, Artikel "Trophäe", in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte [2017] > http://www.rdklabor.de/w/?oldid=98180

Ruth Wodak, Politik mit der Angst. Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse, Wien/Hamburg: Edition Konturen 2016. > http://www.konturen.cc/ruth-wodak-politik-mit-der-angst.html

Philipp Batelka (Hg.), Der diplomatische Körper. Frühneuzeitliche Diplomatie als Körperpolitik, In: Frühneuzeit-Info Jahrgang 29 (2018).

Interessante Links:

https://de.wikipedia.org/wiki/Reichskleinodien

Treu-Eid > http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D10348.php