Tiere als literarische Symbole

 

Das Falkenlied des Kürenbergers

Die Beizjagd (Jagd mit Greifvögeln) verlangt für Pflege und Abrichtung der Tiere hohe Kenntnisse, beträchtlichen Aufwand an Mitteln und vor allem erfordert das Warten und Abtragen der Vögel eine ständige Präsenz. Es ist eine Beschäftigung des Adels; niemand geringerer als Kaiser Friedrich II. (1194–1250) hat ein zoologisch hochstehendes Falkenbuch geschrieben.

Das Interesse des Falkners ist nicht, Beute zu machen, auch ist das Ziel nicht ›Fun‹. Sondern es geht um die Formung des Wilden, um die Überlegenheit des Geistes (Friedrich II. spricht vom ingenium) über die Triebhaftigkeit. Dabei ist die Zähmung des Falken ein Symbol für die Vervollkommnung des Selbst. Die Veredelung (von Sublimation sprach S.Freud) ist auch ein Anliegen des Minnesangs.

Das zweistrophige Lied des Kürenbergers (Ausgabe: Minnesangs Frühling 8,33) bietet sich an für ganz verschiedene Interpretationen – und die Altgermanistik hat solche auch in Fülle geliefert.


Ich zôch mir einen valken mêre danne ein jâr .
dô ich in gezamete als ich in wolte hân .
vnd ich im sîn gevidere mit golde wol bewant .
er hvob sich ûf vil hôhe und vlovc in anderiu lant.

Sît sach ich den valken schône fliegen .
er fuorte an sînem fuosse sîdîne riemen .
vnd was im sîn gevidere alrôt guldîn .
got sende si zesamene die gelieb wellen gerne sîn.


Das Lied enthält einige termini technici der Falknerei: in andere Gegenden fliegen bedeutet dass der Vogel sich verirrt oder ausbricht und nicht mehr zum Falkner zurückkehrt. Die seidenen Riemen trägt der Vogel am Geschüh als Besitzzeichen, damit man ihn identifizieren kann. Dass man Falken das Gefieder mit Gold geziert hat, ist durchaus vorgekommen.

Dass indessen nicht der Verlust eines Falken bedauert wird, wird durch den letzen Vers klar, denn Gott kann doch wohl nur einander liebende Menschen verbinden. Auch der Kontext der Sammlung von Minnegedichten (die ›Manessische Handschrift‹) macht deutlich, dass das Gedicht die Klage eines/einer Verlassenen formuliert. Freilich wird mit keinem Vergleichswort (mittelhochdeutsch alsam) ein Bezug zur Welt der Minne hergestellt.

Unklar ist, wer die Verse spricht: ein Mann? eine Frau? Unklar ist der Grund des *Verfliegens: Ist der *Falkner schuld? Handelt der *Falke seinen Trieben folgend? Hat ihn der Falkner vernachlässigt? oder hat ihn ein anderer *Falkner / eine *Falknerin weggelockt? (So ergäbe sich ein Eifersuchtsdramolett.) Ist die letzte Zeile resignativ gesprochen oder als Wunsch nach einer Rückkehr des *Falken? (Mit * ist bezeichnet, dass das Wort metaphorisch verstanden werden soll.)

Aus der Fülle der Literatur nur drei Titel:

Irmgard Reiser, Falkenmotive in der dt. Lyrik und verwandten Gattungen vom 12.–16, Jh., Diss, Würzburg 1963.

Peter Wapnewski, Des Kürenbergers Falkenlied, in: Euphorion 53 (1959), S. 1–19.

Baudouin Van den Abeele, La fauconnerie dans les lettres françaises du XIIe au XIVe siècle, Leuven: Leuven Univ. Press 1990 (Mediaevalia Lovaniensia, Series 1; 18).

 Vgl. die Bilder in der Manessischen Handschrift (cpg 848); Digitalisat der UB Heidelberg:

 Werner von Teufen fol. 69r  http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0133

 Chuonrat von Altstetten fol. 249v  http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0494

 


Rennewart  wird mit einem Adler verglichen

Wolfram von Eschenbach, »Willehalm«, Ausgabe: mhd./nhd., übers. von Dieter Kartschoke, Berlin: de Gruyter 1989 (189,2ff.).

Wie die Adler-Eltern die Jungen einem Test unterwerfen – nur diejenigen, die die Sonne anzuschauen vermögen, sind echt adlermäßig, die anderen werden verworfen:

nu merket wie der adelar
versichert sîniu kleinen kint.
sô si von schalen komen sint,
er stêt in sîme neste
und kiust vor ûz daz beste:
daz nimt er sanfte zwischen die klâ
und biutetz gein der sunnen aldâ:
ob ez niht in die sunnen siht,
daz im diu zageheit geschiht,
von neste lât erz vallen.
sus tuot ern andern allen,
op ir tûsent möhten sîn.
daz in der sunnen hitze schîn
siht mit bêden ougen,
daz wil er âne lougen
denne zeime kinde hân.
Rennewart der starke man
was wol ins aren nest erzogen,
niht drûz gevellet, drab gevlogen
unt gestanden ûf den dürren ast.
sîner habe aldâ gebrast
den vogeln dien solden niezen:
des moht ouch die verdriezen.

Stellen aus der naturkundlichen und geistlichen Literatur:

Konrad von Megenberg, »Buch der Natur« III B 1 (ed. Pfeiffer S. 166):

der adlar hât die art, daz er seineu kint auf hengt mit den klâen gegen der sunnen anplik. welhez dann die sunnen ân wankel ansiht, daz behelt er sam ainen wirdigen vogel seins geslähtes und fuort ez. welhez aber diu augen von der sunnen kêrt, daz wirft er hin sam ain unedelz kint.

Konrad von Würzburg, »Goldene Schmiede« V. 1052ff. 1106ff.

Literaturhinweis: Fritz Peter Knapp, Rennewart, Wien 1970, S. 70ff.

 


Enîtes Pferd:

Vrâget iemen mære
ob ez schœner wære
dan daz si unz her geriten hât?
ir ahte vil ungelîche stât.
7290
 alsô was ez gezieret:
rehte geparrieret,
schilthalben garwe
mit volblanker varwe,
daz niht wîzers mohte sîn,
7295
und alsô schœne daz der schîn
den ougen widerglaste.
ez enmohte niemen vaste
deheine wîle ane gesehen:
des hôrte ich im den meister jehen.
7300
nû hete diu ander sîte
dirre ze widerstrîte
gekêret allen ir vlîz.
alzan genzlîchen wîz
sô disiu schilthalben was
7305
von der ich iu nû dâ las,
alse swarz was disiu hie
dâ diu wîze abe gie.
ez was et swarz unde wîz.
dirre mislîche vlîz
7310
was schône underscheiden:
zwischen den varwen beiden
was ein strich über geleit
wol eins halben vingers breit.
der strich grüene was
7315
unde lieht sam ein gras.
an dem mûle er ane vie,
als ein penselstrich er gie
zwischen den ôren dane,
vil ebene über die mane,
7320
engegen den goffen über den grât,
unz dâ daz phert ende hât,
zwischen den brüsten nider alsam,
als ez doch wol gezam.
diz wâren seltsæniu dinc.
7325
umbe ietweder ouge gienc ein rinc
der selben varwe, daz ist wâr.
weich und reit was im daz hâr,
nâch dem teile gevangen
dâz hin was gehangen,
7330
ze rehte dic und niht tief:
niht vol ez an diu knie enswief.
der zoph was vür daz houbet lanc,
halp swarz, halp blanc,
als in diu grüene varwe schiet.
7335
der zagel alsam geriet.

usw, vgl. den Volltext hier > https://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/12Jh/Hartmann/har_erec.html

 

Petrus W. Tax, Studien zum Symbolischen in Hartmanns ›Erec‹: Enites Pferd, in: Zeitschrift für deutsche Philologie 82 (1963), S. 29–44.

Barbara Haupt, Literaturgeschichtsschreibung im höf. Roman. Die Beschreibung von Enites Pferd und Sattelzeug im »Erec« Hartmanns, in Festschrift. H. Kolb, hg. K. Mathel / H.G. Roloff. Bern u.a. 1989, S. 202–219.

 


Weitere Literaturhinweise:


Theodor Eichhoff, Kundriens Pferd. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 82 (1963), .

Friedrich Ohly, Die Pferde im »Parzival« Wolframs v.E. [1985], in: F.O., Ausgewählte und neue Schriften zur Literaturgeschichte und Bedeutungsforschung, hg. U. Ruberg / D. Peil, Stuttgart/Leipzig; Hirzel, 1995, S. 323–364.

Beate Ackermann-Arlt, Das Pferd und seine epische Funktion im mittelhochdeutschen ›Prosa-Lancelot‹, de Gruyter 1990 (Arbeiten zur Frühmittelalterforschung 19). 

 


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