Actaeon


Ovid, Metamorphosen III,131–252 (Text und dt. Übersetzung hieroder hier)

Überblick: Nach erfolgreicher Jagd rät Actaeon seinen Gefährten zur Mittagszeit die Arbeit zu unterbrechen — In einem der Göttin Diana heiligen Wald befindet sich eine Grotte mit einer Quelle. Hier pflegt die Göttin der Jagd sich von den sie begleitenden Nymphen mit kühlendem Wasser übergießen zu lassen. — Zufälligerweise (sic illum fata ferebat) gelangt Actaeon an diesen Ort. – Die Frauen sind entsetzt, dass sie ohne Gewand gesehen werden. Diana, die die Waffen abgelegt hatte, schöpft Wasser und spritzt Actaeon damit an, und droht ihm: ›Jetzt kannst du erzählen, dass du mich unverhüllt gesehen hast, wenn du es noch kannst.‹ — Actaeon wird in einen Hirsch verwandelt (Metamorphose). Er enteilt rasch; wie er sich in einem Wasserspiegel sieht, kann er sich nicht mehr mit menschlicher Stimme beklagen. — Da erspähen ihn seine Hunde, verfolgen ihn; er kann nicht rufen, sie mögen doch ihren Herrn erkennen. Sie beissen ihn, sogar noch angetrieben durch seine Gefährten, zutode. – So, heisst es, soll der Zorn von Diana befriedigt gewesen sein.

Ovid schreibt gleich zu Beginn der Episode (Verse 141f.): At bene si quaeras, Fortunae in illo, | Non scelus invenies; quod enim scelus error habebat? ≈ Wenn Du es recht betrachtest, wirst Du keinen Frevel finden; Fortuna war schuld. Wie könnte man einen Irrtum Frevel nennen?

Und 175f: non certis passibus errans | pervenit in lucum: sic illum fata ferebant. ≈ Er schweifte planlos durch das Gehölz … so führte ihn das Schicksal.

Actaeon ist der zufällige Sichtkontakt mit einer Göttin nicht gut bekommen. Und Ovid appliziert in den Klageliedern (»Tristia« II, 103–108) den Mythos auf seine eigene Situation:

Cur aliquid vidi? cur noxia lumina feci?
    Cur imprudenti cognita culpa mihi?
Inscius Actaeon vidit sine veste Dianam.
   Praeda fuit canibus non minus ille suis.
Scilicet in Superis etiam fortuna luenda est,
   Nec veniam laeso numine casus habet.

Weshalb sah ich etwas? Warum wurde ich Schuldig durch Blicke? Weshalb war ich der Tor, der die Verfehlung erkannte? Ohne Gewand, nichts ahnend, erblickte Actaeon Diana; doch seinen Hunden wurde er nicht minder zum Raub. Auch ein missliches Geschick verlangt bei Himmlischen Sühne: Ward eine Gottheit gekränkt, wird auch kein Zufall verziehn. (Nach der Übersetzung von Wilhelm Willige)
> http://www.thelatinlibrary.com/ovid/ovid.tristia2.shtml

Das Rätselraten um die Gründe für das kaiserlich verfügte Exil Ovids am Schwarzen Meer (er war relegatus, non exul, Tristia II,137) hat kein Ende.

Die Zeichner und Textautoren haben die Szene oft moralisiert. Actaeon wird Neugier (curiosité) oder Vorwitz unterstellt oder sogar ein laszives Begehren (voluptas; in dem Sehen frech; er spannt sein Netz wie ein Jäger), wofür er dann bestraft werde.

Es ist denkbar, dass hier die Variante aus Hygins »Fabulae« (Nr. 180) hineingespielt hat, wo es heisst, dass Actaeon Diana schänden wollte:

Actaeon Aristaei et Autonoes filius pastor Dianam lauantem speculatus est et eam uiolare uoluit. ob id irata Diana fecit ut ei cornua in capite nascerentur et a suis canibus consumeretur.
> https://la.wikisource.org/wiki/Genealogiarum_liber/Fabulae

(Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die »Fabulae« erstmals 1535 durch Jacob Micyllus aus dem vorher unbekannten einzigen Codex edíert wurden: C. Ivlii Hygini Avgvsti Liberti Fabvlarvm Liber, Ad Omnivm poëtarum lectionem mire necessarius & antehac nunquam excusus. Eivsdem Poeticon Astronomicon, libri quatuor. Quibus accesserunt similis argumenti. Basileae: Hervagius 1535.)

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Zusammenstellung der verschiedenen antiken Texte zu Actaeon in Hederich (1770)
> http://www.zeno.org/nid/20002779765

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Ovid-Illustrationen in ± chronologischer Reihenfolge

Rezeption mit Moralisation

Literaturhinweise

 


 

Ovid-Illustrationen in ± chronologischer Reihenfolge

Die Bildstrecke zeigt, wie produktiv die Erzählung von Ovid war und wie sie im Lauf der Zeit von verschiedenen Künstlern gestaltet wurde (wobei die Geschichte kein "Gänsemarsch von Werken", so Max Wehrli, ist).

Fasiziniert hat immer das Neben- bzw. Gegeneinander der weichen weiblichen Formen und des zackigen Hirschgeweihs... (Diana ist jeweils erkennbar an der Mondsichel, die sie im Haar trägt.)

Einige Elemente des Texts von Ovid lassen sich ins Bild umsetzen, am besten die Verwandlung Actaeons in einen Hirschen (Verse 193ff.) , dadurch, dass – wie bei den Ovid-Illustrationen auch sonst – Teile des Körpers noch Mensch, andere schon Tier sind.

Die Zufälligkeit von Acateons Begegnung mag bildnerisch umgesetzt sein daruch, dass er (in Bildern der Barockzeit, vgl. unten Sadeler, Rottenhammer, Bellucci, Natoire, Boucher) klein im Hintergrund erscheinend gezeigt wird.

Andere Elemente des Texts lassen sich nicht verbildlichen: Wenn Actaeon sich im Wasserspiegel sieht und klagen möchte: ›Ach ich Arnmer!‹, aber seine Stimme war verloren (›Me miserum‹ dicturus erat; vox nulla secuta est. Vers 201).

 

Süditalienischer Krater, ca. 350 – 340 B.C. (Harvard Art Museums, Cambridge)
> https://www.theoi.com/Gallery/K6.7.html

Weitere Beispiele findet man im Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae unter dem Stichwort Actaeon
> https://www.iconiclimc.ch/information/indices.php?index=articles

 

Zeichnung nach einem pompejianischen Wandbild, in: Felix Müller, Götter, Gaben, Rituale. Religion in der Frühgeschichte Europas, (Kulturgeschichte der antiken Welt 92), Mainz: Zabern 2002; Abb. 32.

 

Bild aus der Handschrift Gotha Membr. I,89, Fol 18r (Ausschnitt); vgl. den Kommentar von Caroline Smout in Blume / Meier-Staubach 2021; zu Bild Nr. 80, Bd. I, S. 119f.
> http://www.uni-muenster.de/Fruehmittelalter/Projekte/Ovid-Berchorius/

 

Aus einer Handschrift von Christine de Pizan, »Epître Othea« (ca. 1460), Lille, Bibl. mun., ms. 0391, fol. 067 Digitalisat der Bibliothèque virtuelle des manuscrits médiévaux (BVMM)
> https://bvmm.irht.cnrs.fr/consult/consult.php?reproductionId=11334

 

(Giovanni Bonsignori, Prosaübersetzung und Kommentierung der Metamorphosen, in:) Metamorphoses, per Zoane Rosso Vercellese ad instantia del nobile homo miser Lucantonio Zonta fiorentino (Venezia, 1497).

Die Bilder wiederholt in: Ovidio Metamorphoseos vulgare 1501.

 

Georg Pencz († 1550) ca. 1533 (Metropolitan Museum of Art)

 

aus der Ovid-Ausgabe Meintz: Ivo Schöffer 1545
> http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10139926-7

vgl. den Druck 1551 > http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00087825/image_5

 

Lucas Cranach d.J., (circa 1550)
> 
https://lucascranach.org/DE_FGK_L2012-268

 

Matteo Balducci (vor 1509 – 1554)
> https://www.wga.hu/html_m/b/balducci/dianaact.html

 

Lodouico Dolce, Le trasformationi, Venedig 1553.
> https://hdl.handle.net/2027/ucm.5326667505

 

Jean Mignon (fl. 1537–1556)
> Google Art Project

 

Holzschnitt von Bernard Salomon (1506 – 1561) in: La métamorphose d’Ovide figurée, Lyon: Jean de Tournes 1557

 

Le Trasformationi Di M. Lodovico Dolce, Vinegia: Giolito de Ferrari, 1558

 

Tizian, gest. 1576 (1556–1559)
> https://de.wikipedia.org/wiki/Tizian#/media/File:Tizian_Diana_Aktaion.jpg

 

Metamorphoseon libri XV. Raphaelis Regii Volaterrani luculentissima explanatio,
cum nouis Iacobi Micylli... additionibus. Venedig: J.Gryphius 1565.

 

Holzschnitt von Virgil Solis (1514–1562)
 in: Pub. Ovidii Nasonis Metamorphoseon libri XV. 
nach der 2. lat Ausgabe, Frankfurt / M. 1567. — Die Bllder sind "inspiriert" an denen von Bernard Salomon (1557).

 

Aegidius Sadeler (ca. 1570–1629) nach Joseph Heintz d.Ä. (1564–1609)
> https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Aegidius_Sadeler after_Joseph_Heintz_the_Elde.jpg

 

Hans Rottenhammer (1564–1625) 1602 (München, Alte Pinakothek, Inv.-Nr. 1588)
> https://www.sammlung.pinakothek.de/de/artwork/9pL3B75xeb/hans-rottenhammer-d-ae/diana-und-aktaeon

 

Metamorphoseon Ovidianarum typi aliquot artificiosissimè delineati ac … editi per Crispianum Passaeum, [o. O.] 1602
> https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k15218623/f77.item
(öfters wieder abgedruckt)

Unter dem Bild der Text aus Ovids Tristia II, 105f.: Inscius Actaeon vidit sine veste Dianam. Praeda fuit canibus non minus ille suis.

 

Hendrick van Balen the Elder (–1632), ca. 1605
> https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Balen,_Hendrick_van...._Stag_-_c._1605.jpg

 

Giuseppe Cesari (1568–1640), Museum of Fine Arts Budapest (1603–1606)
> http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cesari,_Giuseppe1603-1606.jpg

 

Metamorphoseon sive transformationum Ovidianarum libri quindecim, aeneis formis ab Antonio Tempesta florentini incisi et in pictorum antiquistatisque studiosorum gratiam nunc primum exquisitissimis sumptibus a Petro de Iode Antverpiano in lucem editi Aº 1606.

kopiert hier in: Les Métamorphoses d’Ovide, traduites en François, avec des remarques et des explications historiques par M. l’Abbé Banier. Nouvelle édition, Paris 1738.

 

Alba Amicorum van Pieter van Harinxma thou Slooten (1610–1669), ca. 1628–30.
> https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pieter_van_Harinxma_1628-1630.jpg

 

Aegidius Sadeler (1586–1629) ? nach Paolo Fiammingo / Pauwels Franck
> https://www.metmuseum.org/art/collection/search/388944

 

Dirck Barendsz (1534–1592, inventor)
, Jacques de Gheyn II (um 1565–1629; sculptor)
, Joos de Bosscher (Verleger)
> https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1878-0713-2623

 

Kupfer von Magdalena van de Passe (1600–1638) in: Ovidius Naso, Publius: Les Metamorphoses d'Ovide, 
En Latin Et François, Divisées En XV. Livres; Avec De nouvelles Explications Historiques, Morales & Politiques ..., 
Edition nouvelle, enrichie de tres-belles Figures, Bruxelles 1677.

> http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00004337/image_99


nach dem Ölbild von Rembrandt 1634, der hier zwei Szenen mit von Diana in Tiere verwandelten Menschen kombiniert: Aktaeon in einen Hirsch Kallisto in eine Bärin,


> 
Wikimedia
> https://www.bildindex.de/document/obj20110284

 

Ausschnitt aus der Sammeldarstellung in: Metamorphoseon libri XV. Opera & studio Thomae Farnabii, Paris: Morelli 1637. (Francis Cleyn 1582–1658 inv.)

 

Francesco Albani (1578–1660) 1639 (Hier flieht Actaeon bereits, schon mit Hirsch-Geweih)
> https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/176905

Früher von F.Albani (ca. 1617):
> https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Francesco_Albani_-_Diana_and_Actaeon_-_WGA0108.jpg

 

Eine Kopie aus: Michel de Marolles Tableaux du temple des muses, Paris: A. de Sommaville 1655, vor S. 147 A
> http://digital.onb.ac.at/OnbViewer/viewer.faces?doc=ABO_%2BZ197515404

 

Les Metamorphoses d'Ovide, En Latin Et François: Divisées En XV. Livres ; Avec De nouvelles Explications Historiques, Morales & Politiques ... / De La Traduction De Mr. Pierre Du-Ryer, Bruxelles: François Foppens 1677.

> http://daten.digitale-sammlungen.de/bsb00004337/image_1

 

Kupfer von Melchior Küsel in: Des vortrefflichen römischen Poëtens Publii Ovidii Nasonis Metamorphoseon, Oder: Funffzehen Bücher Der Verwandlungen, Ehmalen durch den berühmten Wilhelm Bauer in Kupffer gebracht; Nun aber Demselben ... der Inhalt solcher Sinn-reichen Lehr-Gedichte, aus dem Lateinischen in Teutscher Sprache summarisch beygefügt/ Allen Mahlern, Kupfferstecher, Goldschmieden, Bildhauern und andern, so mit Bildungs-Kunst umgehen zu Dienst und Nutzen ausgefertigt [o.O.] [o.J.; geschätzt 1681]

 

P. Ovidii Nasonis Deß Uralt-berühmten/ vortrefflichen/ und Aller-Sinnreichesten/ Lateinischen Poeten Metamorphoses Oder Wunder-würdige Gestalt-Veränderungen Der Menschen/ Thier vnd anderer Creaturen : Samt Solcher Wandlungs-Gedichte/ deß Ovidinischen verblümten Sinns/ gründlichen Argumenten und Außlegungen ; Auch mit CXIII. schönen Kunst-Risen und Kupffer-Figuren gezieret ... Wobey auch diß Edlen und vortreflichen Poeten P. Ovidii Nasonis Leben/ Exilium, und Tod; zwar kurtz/ doch deutlich und außführlich gleich Anfangs zu lesen ist - Saltzburg: Mayr 1685.
> http://diglib.hab.de/drucke/xb-4f-463/start.htm

Hier wird die schnöde Wollust als Grund für die Verwandlung von Aktaeon angegeben – was bei Ovid gerade nicht steht.

 

Die Verwandlungen des Ovidii in zweyhundert und sechs und zwantzig Kupffern.
In Verlegung Johann Ulrich Krauß, Kupferstechern in Augspurg [ca. 1690].

> http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/ovidius1700

 

Les Métamorphoses d’Ovide, Avec des explications à la fin de chaque fable. Traduction nouvelle par de Bellegarde, Amsterdam: Etienne Roger 1716
Vignettes gravées par Franz Ertinger

 

Charles-Joseph Natoire (1700-1777) inv. / Louis Desplaces (1682-1739) sc.

La curiosité fait naître en nous l’Amour .... C’est le Remords qui nous déchire.

> https://nds.museum-digital.de/singleimage?resourcenr=95656

 

Neueröffneter Musen-Tempel: 
welcher das allermerkwürdigste, aus den Fabeln der Alten 
in 60 auserlesenen und schönen Kupfern von Bernard Picart […],
Amsterdam u. Leipzig, 1754

Hier ist das Thema zentral, wie der in einen Hirsch verwandelte Actaeon von seinen Hunden gefressen wird, 
Diana und die anderen Damen erscheinen im Hintergrund.

Detail hier:

Digitalisate der Ausgabe: Neueröffneter Musen-Tempel, welcher das allermerkwürdigste aus den Fabeln der Alten in LX. auserlesenen und schönen Kupfern von Herrn Bernard Picart und andern kunstreichen Männern vorstellet; mit deutlichen Erklärungen und Anmerkungen, zu rechtem Verstande der Fabeln und ihrem Zusammenhange mit der Historie erläutert; Nebst einer Vorrede Herrn Christoph Gottlieb Stockmanns, JC. Amsterdam und Leipzig: Ven Arkstee und Merkus 1754:
> http://digitale.bibliothek.uni-halle.de/id/2921318
> http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/picart1754

 

Nascon le Corna ad Atteon che spia Diana ignuda lavarsi in sull’aurora … Aktäon, der die nackte Diana sich in der Morgendämmerung baden sieht, bekommt Hörner.
del. Antonio Bellucci (1654–1726) – Kupfer von Joseph/Giuseppe (1706–1780)
> https://nds.museum-digital.de/object/47692?&suinin=49

 

Aus: Bernard de Montfaucon, Griechische und Römische Alterthümer [...] In die Kürze und in das Kleine gebracht, und in Deutscher Sprache herausgegeben von M. Johann Jacob Schatz, Nürnberg 1757.

 

auf Filippo Lauri (1623–1694) beruhender Kupferstich, datiert 1764. 

> https://www.britishmuseum.org/collection/object/P_1840-0808-184 (das Feld "Images" anklicken!)

 

François Boucher (1703–1770) del. in: Les Métamorphoses d’Ovide, en Latin et en François ... Paris: Chez Pissot, 4vols., 1767-69; Band I, Tafel 41.

 

[Joachim von Sandrart u.a.] Teutsche Academie der Bau- Bildhauer- und Maler-Kunst/ worinn die Regeln und Lehrsätze dieser Künste gegeben, nicht weniger zu mehrerer Erläuterung die besten Exempel der alten und neuen Künstler in Kupfer beygefüget worden, […], Nürnberg: Verlegt in der Johann Andreas Endterischen Handlung 1768-1775. — Des fünften Bandes dritte Abtheilung, Die Verwandlungen Ovids 1772 (Stecher: Christian Engelbrecht)
> 
http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10862862-0

 

Eugène Delacroix (1798–1863)
> https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Delacroix_-_o_ver%C3%A3o.jpg

 


Rezeption mit Moralisation; weitere seltsame Verwendungen

 

Fulgentius (6.Jahrhundert) legt das Schicksal Actaeons aus als Folge der curiositas (Vorwitz, Neugier): »Mitlologiarum libri« III,3: Fabula Acteonis.

Curiositas semper periculorum germana detrimenta suis amatoribus nouit parturire quam gaudia. Acteon denique uenator Dianam lauantem uidisse dicitur; qui in ceruum conuersus a canibus suis non agnitus eorumque morsibus deuoratus est. Anaximenes qui de picturis antiquis disseruit libro secundo ait uenationem Acteonem dilexisse; qui cum ad maturam peruenisset aetatem consideratis uenationum periculis, id est quasi nudam artis suae rationem uidens timidus factus est; inde et cor cerui habens, unde et Homerus ait: οἰνοβαρὲς κυνὸς ὄμματ' ἔχων καρδίην δ' ἐλάφοιο, id est: ebriose, oculos canis habens et cor cerui. Sed dum periculum uenandi fugiret, affectum tamen canum non dimisit, quos inaniter pascendo pene omnem substantiam perdidit; ob hanc rem a canibus suis deuoratus esse dicitur.
> https://www.hs-augsburg.de/~harsch/Chronologia/Lspost06/Fulgentius/ful_myt3.html

Übersetzung von Leslie G. Whitbread:

Curiosity, being allied to danger, will always produce for its devotees injury rather than pleasure. So Actaeon the hunter is said to have spied on Diana as she was bathing, and being turned into a stag he was not recognized by his own hounds and was devoured by their bites. Anaximenes, who discussed ancient art in his second book, says that Actaeon loved hunting, but when he had reached mature age, having considered the dangers of hunting, that is, taking a naked reckoning of his skill, he grew afraid. He had the heart of a stag, as Homer says: “Heavy with wine, having the eyes of a dog and the heart of a stag.” But while the excitement of the hunt left him, he did not love the qualities of dogs, for in idly gratifying them he lost all his substance; for this reason he is said to have been devoured by his own hounds.
> https://www.theoi.com/Text/FulgentiusMythologies2.html#20

Andrea Alciato hat diese Szene (erster Druck 1531) als Emblem verwendet, mit seltsamer Symbolik. (Als wäre Actaeon ein Bösewicht, der sich willentlich als Hirsch verkleidet):

In receptatores siccariorum ≈ Gegen die, die Halsabschneidern Unterschlupf gewähren

Hier in der lat.-dt. Ausgabe: Kunstbuch, Franckfurt am Main 1567.
> http://www.emblems.arts.gla.ac.uk/alciato/emblem.php?id=A67a117

En novus Actaeon, qui postquam cornua sumpsit,
In praedam canibus se dedit ipse suis

Sich an ein neuwen Actean
Welcher da er die Hörner gewan
Wurd er von seinen eigen Wind
[Hunden]
Zerrissen und gefressen gschwind.

 

Voluptas aerumnosa (Von Mühsal heimgesuchte Lust) aus: [Joh. Sambucus], Emblemata, et aliquot nummi antiqui operis, Ioan, Sambuci Tirnaviensis Pannonii, Antwerpen, Ch. Plantin 1566 [EA 1564].
> https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k1522634d

1576 > https://www.e-rara.ch/bau_1/content/zoom/27040053

 

Theodor de Bry (1561–1623) wendet das Ereignis nicht nur auf die wollüstigen Männer an, sondern warnt auch die Frauen davor, sich darauf einzulassen:

FEMINA CASTA VIROS FVGAT IMMODERATA PETENTES

Actæon, Von vnmässiger Wollust in Lieb vnd Jagwerck.

Wer seine Tag zubringen thut/
    Mit Frawen vnd mit Jägersmuth/
Der wirt von den die er ernehrt/
    Gleich wie von Hunden auffgezehert/
Ein ehrlich Weib vor solchem Mann/
    Mit gutem fug sich hüten kan/
Wenn sie jn fleucht/ vnd jn verjagt/
    Daß er von jr kein Vnehr sagt.

Emblemata Nobilitati Et Vvlgo Scitv Digna singulis historijs symbola adscripta & elegantes versus historiam explicantes […] Alles von Newem artlich in Kupffer gestochen vnd an tag geben Durch Dieterich von Bry, Francoforti ad Moenum: De Bry 1593. [Emblem Nr. 7]
> http://diglib.hab.de/drucke/uk-sbd-2-1s/start.htm?image=00237

 

Jacob Hoefnagel 1597

Das Gedicht Venator casses, et casses tendit amator … stammt von Théodore de Bèze:

Der Jäger spannt sein Jägernetz und der Liebhaber Stricke, die jeder der beiden jedoch häufig vergebens spannt. In gleichem Maße trotzt jeder der beiden Regen und Wind, und jeder füttert töricht die Hunde, die ihn zerreißen werden. Jedoch hierin unterscheiden sie sich. Wenn das wilde Tier niedergeworfen ihm zu Füßen liegt, erhält der Jäger damit die gerechte Belohnung für seine anstrengende Mühe. Dagegen ist erst recht unglücklich der Liebhaber, wenn er besiegt auf dem Rücken liegt, der besiegten Beute ähnlich.

Repro / Kommentar / Übersetzung des Gedichts: Thea Vignau-Wilberg, Joris und Jacob Hoefnagel; Kunst und Wissenschaft um 1600, Berlin: Hatje Cantz 2017; S. 184f.
> https://www.wikiwand.com/en/Jacob_Hoefnagel

 

In der Rubrik De ceux qui ont fallis en amour. Der brennende Wunsch möge durch den Verstand gemäßigt werden, so dass statt Unglück Freude entsteht. Mancher reisst seine Augen weiter auf als er sollte.

Si le boulliant desir qui bruste la jeunesse,
Se pouvait moderer per sens, & par raison,
Beaucoup
[…]
pourraient pour le malheur s’approprier liesse:
Car tel dresse ses yeux plus avant qu’il ne doit.

[Gerbrand Adriaenszoon Bredero (1585–1618) / Crispijn van de Passe],
 Thronus cupidinis, Verzameling van emblemata en gedichten. 
Editio tertia prioribus emendatior, et multo auctior, 
Amsterodami: apud W. Iansonium 1620.

> https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k1519374s

 

Aktaeon wird auf dem Titelblatt dieses Buchs zum Thema Jagd gleichsam zum Schutzheiligen der Jäger (nicht -innen!) stilisiert (oben: Orpheus unter den Tieren; ebenfalls nicht ganz passend)

Delle caccie di Eugenio Raimondi bresciano libri quattro aggiuntoui'n questa nuoua'mpressione altre caccie che sperse in altri libri andauano. Di Venetia li 14. di Settembre 1630.
> https://hdl.handle.net/2027/gri.ark:/13960/t22c4xg8k?urlappend=%3Bseq=5

 

Que la Curiosité est tousiours nuisible

Jean Baudoin [1590-1650], Recueil d'emblemes diuers; auec des discours moraux, philosophiques, et politiques, tirez de diuers autheurs, anciens & modernes Paris: Villery 1638.
> https://archive.org/details/recueildemblemes00bau/page/n5/mode/2up
> http://diglib.hab.de/drucke/lb-6-1b/start.htm (page 349)

 

Jeremias Ritter: Aktäon als Tischdekoration; als Geweih eine Korallenzinke (guldenästlin von cural)

> https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/117210
> 
https://de.wikisource.org/wiki/Sponsel/Tafel_34

 

Ein Kartenspiel anhand antiker Motive!

Stefano della Bella (1610–1664), Jeu des fables,
représentant des divinités et des scènes mythologiques, Paris: H. Le Gras, 1644.
> 
https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b10525452v.....fables

 

Hier steht Actaeon für das unmäßige Streben nach Jagd und Liebe:

Actaeon sive immodicum venandi & amandi studium

Joseph Heintz (der Jüngere) (1600–1678) inv. / Johann Theodor de Bry (1561–1623) sc. — Und wer die anderen lat. Texte lesen möchte >
> http://diglib.hab.de/varia/haum/bry-j-t-d-ab3-0052/max/000001.jpg

 

Christian Albrecht Meisch (1629–1698) entwarf ein Emblem zum Thema Ubermässige Jäger-Lust in dem seltsamerweise Actaeon vorkommt:

Wer seinen Sinn und Muth auff Jagen hat gestellet;

    Versäumet Gottes Wort/ Verrichtung/ Ambt und Pflicht/

Wird selbsten von dem Wild bißweilen hingefället

    Und nimbt ein böses End’: Der Teuffel feyret nicht.

Neu-erfundene Sinnbilder: Durch Welche der heutzutag übliche Weltlauff ahrtig entworffen/ und denen Welt-Kindern zur Warnung ... vorgestellet wird; Mit anmuhtigen hochteutschen Reymen und Anmerckungen ... erkläret Franckfurt: Ammon 1661.
> http://diglib.hab.de/drucke/lo-5357/start.htm?image=00115

 

Wappenscheibe von Friedrich Edlibach und Peter Lochmann (1666) 



aus: Jenny Schneider, GLASGEMÄLDE.
Katalog der Sammlung des Schweizerischen Landesmuseums, 2 Bde, Stäfa: Gut [1971], Nr. 622.

Gemäß Bildunterschrift ist Esau auf der Jagd dargestellt:


Weil Esaw jagt im wald

die Mutter Jacob Kleideth

Entpfieng den Segen bald

da er den Vatter weideth. Gen Cap. 2. 7



Das Bild basiert indessen auf der Szene mit Actaeon!

 

Als Emblem in der geistlichen Liteartur:

Actaeon, in dem sehen frech,
theür zahlen müest der augen zech.

Mirantische Maul-Trummel Oder Wohlbedenckliche Gegen-Säze böser, und guter Begirden … Mit schönen Sinnbilderen … durch F. LAURENTIUS von Schnüffis … Zu Costanz in Verlag Leonhard Parcus. Anno 1696.

 

Petrarca »Canzoniere« 52 (Madrigal):

Non al suo amante piú Dïana piacque,
quando per tal ventura tutta ignuda
la vide in mezzo de le gelide acque,
ch’a me la pastorella alpestra et cruda
5posta a bagnar un leggiadretto velo,
ch’a l’aura il vago et biondo capel chiuda,
tal che mi fece, or quand’egli arde ’l cielo,
tutto tremar d’un amoroso gielo.

Übersetzung von Ernst-Jürgen Dreyer 1989 (dtv Klassik 2321):

Dem Buhlen nicht gefiel Diana besser,
als er durch solchen Zufall sie erblickte
– nackt in der Mitte eisiger Gewässer –,
als mir die Hirtin, die sich niederbückte,
Dass sie den allerliebsten Schleier spüle,
Der sonst dem Wind das holde Blond entrückte,
so dass es mich, trotz Himmels Brand und Schwüle,
zutiefst durchschauerte vor Liebeskühle.

Giacomo Filippo Tomasini (1595–1655)



Iacobi Philippi Tomasini Patavini … Petrarcha redivivus, integram poetae celeberrimi vitam iconibus aere caelatis exhibens; Accessit nobilissimae foeminae Laurae breuis historia, Patavii: Typis Pauli Frambotti, 1650. – (Erstausgabe 1635)
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/tomasini1650 – hier S. 137

 

Johann Mayrhofer (1787–1836) hatte entweder den Ovid nicht genau im Kopf, als er das dichtete, oder er hat eine geniale Umdeutung auf die Pfeil-und-Bogen verwendende Diana vorgenommen:

Der zürnenden Diana

Ja, spanne nur den Bogen, mich zu tödten,
Du himmlisch Weib! im zürnenden Erröthen
Noch reitzender. Ich werd’ es nie bereuen:

Dass ich dich sah am buschigen Gestade
Die Nymphen überragen in dem Bade;
Der Schönheit Funken in die Wildniß streuen.

Den Sterbenden wird noch dein Bild erfreuen.
Er athmet reiner, er athmet freier,
Wem du gestrahlet ohne Schleyer.

Dein Pfeil, er traf — doch linde rinnen
Die warmen Wellen aus der Wunde:
Noch zittert vor den matten Sinnen
Des Schauens süße letzte Stunde.

(in der Ausgabe der Gedichte, Wien 1824, S. 158)
Schubert hat den Text vertont: https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv02/content/pageview/432125

 

Martin Disteli (1802–1844)
Gestörtes Liebesabenteuer, Entwurf für ein Agitationstaschentuch, um 1834. Feder und Aquarell über Bleistift auf Papier (Kunstmuseum Olten, Inv. 1861.B85 / Di.Z-5)

An der Wand das Bild mit Aktäon:

Aus der Zeit der Glaubenskämpfe in der Eidgenossenschaft ("Badener Artikel" 1834; dann: Aargauer Klosterstreit 1841ff.; Gegenreformation durch die Jesuiten).
Der die Konkubinatspflicht nicht einhaltende kathol. Priester wird ertappt und ausgelacht – indessen von der Frau nicht angespritzt! Aber ein Hund kläfft bereits!
Vgl. die Website von Alois Payer
> http://www.payer.de/religionskritik/karikaturen34.htm

Gottfried Keller

Aktäon hat im dunklen Hain
Das edle Wild gefällt,
Da sah von einem milden Schein
Die Waldflut er erhellt.

Den Silbermond auf weißer Stirn,
Sonst der Gewänder bar,
Und um sie manche nackte Dirn,
Die nicht zu tadeln war,

So stand Diana weiß und zart –
O dreimal selige Birsch!
Sie spritzt' ihm Wasser in den Bart –
O unglückseliger Hirsch!

Wohl sprang er über Stein und Dorn,
Zitternd und verzagt,
An seinen Fersen Götterzorn,
Die wilde Jungfernjagd!

Schon floß sein rauchend Blut so roth
Dianen vor den Fuß;
Das ist ein schlimmer Jägertod,
Wer so verenden muß!

Das letzte wilde Mägdlein sprang
Voll keuscher Wuth herzu
Und hielt dem schöngehörnten Fang
Das brechende Auge zu.

Auch heut noch manch’ ein Junker birscht
Durch das Kartoffelkraut,
Der aber, wird er auch verhirscht,
Die Göttin nie geschaut!

in: Deutscher Musenalmanach, 8.Jahrgang, 1858. S. 120f. (Danke, Romy, für den Hinweis!)

Franziska Bilek (1906–1991)

aus: Heiterer Olymp, Gezeichnet von Franziska Bilek. Beschrieben von Peter Simpel [Walther Foitzick], Stuttgart: Spemann 1940.

 


Forschungen zu Ovidillustrationen

  • Max Dittmar Henkel, Illustrierte Ausgaben von Ovids Metamorphosen im XV., XVI. und XVII. Jahrhundert, in: Vorträge der Bibliothek Warburg 1926–1927 (1930), S.58–144.
  • Lothar Freund, Aktäon, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. I (1934), Sp. 288–293; > https://www.rdklabor.de/w/?oldid=88798
  • Gerlinde Bretzigheimer, Diana in Ovids Metamorphosen, in: Gymnasium 101 (1994), S. 506-546.
  • Evamarie Blattner, Holzschnittfolgen zu den Metamorphosen des Ovid, Venedig 1497 und Mainz 1545, München: Scaneg 1998 (Beiträge zur Kunstwissenschaft Bd.72)
  • Ulrich Schmitzer, Strenge Jungfräulichkeit: Zur Figur der Göttin Diana in Ovids Metamorphosen, in: Wiener Studien, Vol. 114 (2001), S.303-321. https://www.jstor.org/stable/24750529
  • Gerlinde Huber-Rebenich / Sabine Lütkemeyer / Hermann Walter, Ikonographisches Repertorium zu den Metamorphosen des Ovid, Berlin: Mann
    Band 1.1/2: Narrative Darstellungen (Textteil/Bildteil) 2014
    Band 2: Sammeldarstellungen 2004
    Die textbegleitende Druckgraphik 2004.
  • Michael Thimann, "figura, paragone, argumentum". Zur Funktion der Illustrationen in gedruckten Ovidausgaben des 16. Jahrhunderts, in: Baader, Hannah / Müller Hofstede, Ulrike / Patz, Kristine / Suthor, Nicola (Hgg.): Im Agon der Künste. Paragonales Denken, ästhetische Praxis und die Diversität der Sinne, München 2007, S. 335-356.
  • Christoph Wetzel, Ovids Metamorphosen und die bildende Kunst, Stuttgart: Reclam 2016 (RUB 19322).
  • Sabine Dutter, Ovids Metamorphosen als Thema in der Kunst : ein Streifzug durch die Kunstgeschichte mit dem Schwerpunkt auf barocke Darstellungen, Diplomarbeit M.A. Universität Graz 2012. https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/217292
  • Ovidio. Amori, miti e altre storie. Mostra e catalogo curata da Francesca Ghedini, 2018.

im WWWeb

(Die Links wurden schon seit einiger Zeit nicht mehr überprüft.)

(Zusammengestellt von Paul Michel; letzte Änderung März 2024)

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